Falls Regierung platzt: Wie die SPÖ ihr Comeback vorbereitet
Die Grünen wollen weiter regieren. Die Bundes-ÖVP beteuert ebenfalls, sie wolle keine Neuwahlen.
Dennoch gibt es wenige Politikexperten, die ihr Geld derzeit auf ein Auslaufen der türkis-grünen Legislaturperiode verwetten würden.
Die gängigsten Thesen, warum es zu Neuwahlen kommen könnte, lauten: Die ÖVP-Niederösterreich, die in einem Jahr Landtagswahlen zu schlagen hat, wolle die ständige Negativpropaganda durch den Untersuchungsausschuss aus ihrem Wahlkampf draußen haben. Mit dem Neuwahlbeschluss wäre der U-Ausschuss im Nationalrat beendet.
Alle drei ÖVP-Landeshauptleute, die Anfang 2023 wählen müssen, also Johanna Mikl-Leitner, Günther Platter und Wilfried Haslauer, hätten Interesse, dass sich der Frust über die Bundespolitik bei Bundeswahlen entlädt und nicht in ihren Landtagswahlen. Daher sollte auf Bundesebene vor der Landesebene gewählt werden.
Ob es dazu kommt, ist zwar nicht absehbar, aber die Opposition bereitet sich vorsichtshalber darauf vor. Und weil das Verhältnis zwischen ÖVP und Herbert Kickls FPÖ zerrüttet ist, spielt die SPÖ in den Szenarien eine zentrale Rolle.
Es beginnt schon bei der Frage: Wie kommt man überhaupt zu Neuwahlen? Dass Türkis-Grün platzt, genügt nicht. Man braucht dafür auch eine Mehrheit im Nationalrat.
Theoretisch könnten SPÖ, Grüne und Neos ja hergehen, mit Duldung der FPÖ eine Minderheitsregierung bilden und den U-Ausschuss als Kampagneninstrument im niederösterreichischen Landtagswahlkampf weiterlaufen lassen.
Doch die SPÖ weist das von sich, es geht klar in Richtung Neuwahlen. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hat bereits in ihrem Neujahrsinterview im KURIER gesagt, sie ist für Neuwahlen, sobald die Pandemielage das zulässt. "Daran hat sich nichts geändert", bekräftigt Rendi-Wagner diese Woche am Rande ihrer Berlin-Reise gegenüber dem KURIER.
Allparteien-Experimente und fliegende Wechsel lehnt die SPÖ-Chefin ab: "Österreich braucht eine stabile Regierung. Zuvor sollen die Wähler das Wort haben."
Ampel ist Wunschregierung
Bei ihren Gesprächen mit hochrangigen SPD-Politikern in Berlin hat sich Rendi-Wagner informiert, wie eine Ampelkoalition funktionieren könnte. Das aktuelle deutsche Regierungsmodell – eine Koalition aus SPD, Grünen und Liberalen unter SPD-Führung – ist in Österreich das Wunschmodell für Anhänger einer linken Wenderegierung.
Aber ist eine Ampelmehrheit realistisch? Die aktuelle Stimmungslage würde wahrscheinlich die Impfgegner-Partei MFG in den Nationalrat befördern. Und in einem Sechs-Parteien-Parlament wäre eine rot-grün-pinke Mehrheit unwahrscheinlich. Die einzige Zweierkoalition, die sich ausgehen könnte, wäre eine aus SPÖ und ÖVP. So wird das derzeit von Politikforschern eingeschätzt.
Daher würde die SPÖ, obwohl eine Ampelkoalition ihr Wunschziel ist, ohne spezifische Koalitionsansage in den Wahlkampf ziehen. In anderen Worten: Sie würde eine Koalition mit der ÖVP offenlassen. Nur eine Zusammenarbeit mit der FPÖ will die SPÖ weiterhin ausschließen.
Ob es nun Neuwahlen gibt oder nicht – die SPÖ hat ihre Frühjahrskampagnen, die ihr Regierungscomeback einläuten sollen, bereits fertig in der Lade. Auch dafür hat sie sich in Berlin Anregungen geholt. Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch und Kommunikationschef Stefan Hirsch waren kürzlich im Willy Brandt-Haus, um das SPD-Rezept für einen Wahlerfolg zu studieren.
Kampfabstimmung droht
In der SPÖ-Frühjahrskampagne wird Rendi-Wagner als kommende Kanzlerin präsentiert. Falls ihr innerparteilicher Widersacher, Hans Peter Doskozil, dann weiterhin gegen sie querschießen sollte, würde er die Schuld auf sich laden, einen Wahlsieg und die Rückeroberung des Kanzleramts zu versenken.
Im schlimmsten Fall droht der SPÖ eine Kampfabstimmung auf offener Bühne zwischen Rendi-Wagner und Doskozil um die Spitzenkandidatur. Dann wäre der wichtigste Rat, den die SPD der SPÖ für eine erfolgreiche Wahlkampagne mit auf den Weg gab, Makulatur: Geschlossenheit.
Kommentare