Falls Corona im Herbst wieder "eskaliert": Was Experten empfehlen

Falls Corona im Herbst wieder "eskaliert": Was Experten empfehlen
Impfquote steigern, bessere Daten und Maskenpflicht: Wie sich die Regierung auf das Worst-Case-Szenario vorbereiten sollte. Die heute angekündigten neuen Regelungen ab Juni sehen die Experten kritisch.

Wie geht es mit der Pandemie im Herbst weiter? Und wie soll sich die Politik darauf vorbereiten? Darüber haben zahlreiche Experten im Rahmen der "Future Operations Plattform" des Instituts für Höhere Studien (IHS) diskutiert. Mittlerweile gehe es nicht mehr darum, wie hoch die nächste Welle ausfalle, sondern welches Szenario im ungünstigsten Fall eintreten könnte und wie sich die Politik darauf vorbereiten sollte, erklärten die Experten bei einer gemeinsamen Präsentation am Dienstag.

Prinzipiell habe man fünf Szenarien identifiziert, meint Mikrobiologe Ulrich Elling. "Es geht nicht darum, welches Szenario am wahrscheinlichsten ist, sondern Parameter für Vorbereitungen festzulegen."

Das beste und das schlechteste Szenario

Szenario 1: In Zukunft gibt es nur noch ausschließlich Omikron-Varianten. "Dann könnten wir Impfstoffe anpassen, Menschen schon vorher impfen und unsere Immunität würde besser werden", sagt Elling. In diesem besten Szenario wäre die "Pandemie vorbei".

Szenario 2: Auch gut: Die Pandemie geht zu einer Endemie über, die Zahl der Varianten bleibt eingrenzbar.

Szenario 3: Der Übergang zur Endemie dauert noch etwas länger. Varianten, die Delta und Omikron ähneln, dominieren das Pandemiegeschehen. Dabei kommt es zwar immer noch zu schweren Erkrankungen, der Immunschutz gegen diese Varianten ist aber prinzipiell gut, weil viele Menschen geimpft oder genesen sind.

Szenario 4: Infektiösere und gefährlichere Varianten, die das Schlechte von Delta und Omikron kombinieren, halten die Pandemie am Leben und belasten die Intensivstationen.

Szenario 5: Bei dieser "hoffentlich unwahrscheinlichen Version", meint Elling, haben sich neue Varianten durchgesetzt, die infektiöser und gefährlicher sind als Omikron. Die Menschen hätten keinen Immunschutz mehr, es würde zu massiven Inzidenzen kommen. "In einem solchen Szenario würde die Pandemie eskalieren", so der Experte. Eine Zero-Covid-Strategie, mit strengen Quarantäne-Regeln und hartem Lockdown, wäre wohl nötig. Auf diesen "ungünstigsten Fall" müsse man vorbereitet sein, sagt Virologin Dorothee von Laer.

Was unternommen werden sollte

Die Experten empfehlen ein Bündel an Maßnahmen und Vorbereitungsschritten, um vor allem für das schlechteste Szenario gewappnet zu sein.

Bessere Überwachung: Um zügig zu bemerken, welches Szenario im Herbst und Winter eintreffen wird, müssten Früherkennungssysteme stärker eingesetzt werden, meinen die Experten. Dazu zählen etwa Abwasser-Monitoring, aber auch Stichproben-Testungen in der Bevölkerung.

Bessere Daten: Auch die Daten-Infrastruktur müsse dringend verbessert werden, meint IHS-Gesundheitsökonom Thomas Czypionka. Erst dann sei eine transparente Kommunikation möglich und nur so könne man das Vertrauen der Bevölkerung stärken.

Impfquote steigern: Was kann man präventiv noch machen? Die Quote der gültigen Impfpässe liegt in Österreich bei rund 70 Prozent und damit zehn Prozent hinter den europäischen Spitzenreitern. "Haben wir eine höhere Impfquote, ist auch die Strenge der Maßnahmen, um den Pandemieverlauf zu verbessern, niedriger", betont Czypionka. Die Impfpflicht für alle sei hier auch nicht das Mittel der Wahl. Es gehe darum, die Bevölkerung für die Impfung zu gewinnen.

Gesundheitsversorgung: Die Ressourcen der Spitäler - Personal oder etwa Intensivbetten - können kurzfristig nicht erhöht werden. "Die Pandemie kann nicht in den Spitälern bekämpft werden", sagt Czypionka. Stattdessen sei es wichtig, dass man Test- und Impfstraßen kurzfristig wieder hochfahren könne.

Maskenpflicht: Stattdessen kritisieren die Experten das Ende der Maskenpflicht in lebensnotwendigen Geschäften. Es sei eine Gefahr, den Menschen zu vermitteln, dass man die Maske nicht mehr brauche, sagt Czypionka. Sie im Herbst wieder umzugewöhnen, könnte schwierig werden: "Es wäre besser, wenn wir die Maskenpflicht in Bereichen wie Öffentlichen Verkehrsmitteln weiterhin hätten." Das sei natürlich eine Abwägung, wie sehr man auf die Bedürfnisse gewisser Branchen eingehe, meint Czypionka. Elling gibt ihm Recht: "Ich befürchte, dass dieses Hin und Her die Maskendisziplin erodiert und wir das im Herbst bereuen werden." Türkis-Grün verkündete am Dienstag das Ende der FFP2-Pflicht - außerhalb des Gesundheitsbereichs.

Vulnerable Gruppen: Die Sichtweise vulnerabler Gruppen gehöre stärker in die Pläne der Politik miteinbezogen, fordert Gesundheitsexpertin Tanja Stamm. Auch für diesen Bereich seien bessere Daten und eine transparente Kommunikation wichtig. "Wir wissen derzeit nicht, wie es den Menschen aus den vulnerablen Gruppen mit der Situation geht", sagt Stamm. 

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