Ausschlaggebend sind dabei drei Punkte: Erstens die Kausalität. Es müsste bewiesen werden, dass ganz konkret das Unterlassen die Ursache für den Schaden ist. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Impfpflicht genau jenes Mittel sein muss, das laut damaligem Wissenstand geeignet gewesen wäre, um den Schaden zu verhindern. Dazu bräuchte es ein Gutachten eines medizinischen oder statistischen Sachverständigen.
Aktuell dürfte der Aufschub noch vertretbar sein – es gibt noch keine konkreten Prognosen, was uns im Herbst erwartet, und ob die verfügbaren Impfstoffe greifen, merkt Böhmdorfer an. Sobald es neue Erkenntnisse gibt, bestehe aber Handlungsbedarf.
Zweiter Punkt: Der Schaden muss schwerwiegend sein und durch Hilfszahlungen nicht ausreichend kompensiert sein.
Dritter Punkt: Der Amtsträger – in diesem Fall der Gesundheitsminister – muss schuldhaft oder fahrlässig gehandelt haben. Politisches Kalkül wäre da ein Faktor.
Wir erinnern uns: An der Impfpflicht gab es viel Kritik und in der Politik geht die Sorge um, bei der nächsten Wahl abgestraft zu werden. Zuletzt hat die Impfgegner-Partei MFG an Boden gewonnen. Im Herbst ist die Hofburg-Wahl, 2023 sind Landtagswahlen in Niederösterreich, Tirol, Kärnten und Salzburg.
Nun hat sich die Regierung beim Aussetzen der Impfpflicht auf Experten in einer Kommission berufen und wähnt sich damit auf rechtlich sicherem Boden. Ex-Justizminister Böhmdorfer würde allerdings auch deren Verantwortung hinterfragen.
Auch gegen Experten könnten Schadenersatzforderungen gestellt werden, wenn ihre Empfehlungen absichtlich oder fahrlässig falsch waren. Was der Fall sein könnte, wenn sich die Experten von der Politik in eine bestimmte Richtung drängen lassen.
Auch die G-Regeln, die in Wien schärfer sind als in Restösterreich sollten hinterfragt werden, sagt Böhmdorfer. Wenn der Verfassungsgerichtshof die Verordnung aufhebt, wäre das ein „sehr konkreter Ansatzpunkt“ für Amtshaftungsansprüche von Gastronomen, die Umsatzeinbußen hatten.
Amtshaftungsklagen sind knifflig – und selten von Erfolg gekrönt. Das sei ein Problem für den Rechtsstaat, sagt der Ex-Justizminister: „Ein Manager wird wegen Untreue viel konsequenter verfolgt.“
Dabei gehe es im Kern um dasselbe: Wer in verantwortungsvoller Position eines Unternehmens (oder des Staates) ist und etwas tut oder unterlässt, das dem Wohl des Unternehmens (oder der Bevölkerung) schadet, dann müsse er dafür zur Rechenschaft gezogen werden.
Kritisch sieht Böhmdorfer auch die Corona-Hilfen: Zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 wurde das Epidemiegesetz ausgeschaltet, in dem automatisch Entschädigungen bei Geschäftsschließungen vorgesehen waren. „Stattdessen tritt die Regierung als Gönner auf und verschenkt Milliarden an Steuergeld.“
Man bewege sich im rechtsfreien Raum. Der Bürger könne sich auf derlei Hilfe nicht verlassen – sie seien „Glückssache“. Was, wenn die nächste Regierung bei der nächsten Krise weniger großzügig ist?
„Die Bürger haben gerade dann, wenn sie den Staat am meisten brauchen, keinen rechtssicheren Boden“, sagt Böhmdorfer. Er schlägt ein Krisengesetz vor – damit wäre bei zukünftigen Krisen sofort klar, wer die Verantwortung trägt und wie Entschädigung zu leisten ist.
Der Ex-Justizminister glaubt, dass dies auch eine Motivation für die Regierung sein könnte, vorausschauend zu arbeiten. „Beim Klimaschutz würde ordentlich etwas weitergehen“, sagt Böhmdorfer und erinnert an die Hochwasserkatastrophen von 2002 und 2013: Nach der Zerstörung ganzer Landstriche und den damit einhergehenden Schadenssummen wurde massiv in Hochwasserschutz investiert – um zu verhindern, dass es beim nächsten Mal wieder teuer wird.
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