Ex-Gouverneure über Nachfolger, Pensionsreform und "puren Schwachsinn"

Klaus Liebscher und Ewald Nowotny, ehemalige OeNB-Gouverneure
Nationalbank-Gouverneure a.D. Klaus Liebscher und Ewald Nowotny über die Notwendigkeit einer Neutralitätsdebatte, Atomkrieg, Öxit und die wichtigste Charaktereigenschaft.

Einst standen sie an der Spitze der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) – für den KURIER nehmen sie ebendort vor einem Bild des österreichischen Malers Hans Staudacher Platz: Die ehemaligen OeNB-Gouverneure Klaus Liebscher und Ewald Nowotny werden heute – längst im Ruhestand – noch als „Herr Präsident“ angesprochen. Im Interview sprechen die Jubilare – Nowotny feierte soeben den 80., Liebscher wird alsbald den 85. Geburtstag begehen – von alten Ausgabenproblemen, neuen Steuern und der wesentlichsten Charaktereigenschaft.

KURIER: Pandemie, Klimakatastrophen, wirtschaftliche und geopolitische Verwerfungen. Leben wir in einer Zeit der Krisen oder ist es kraft Ihrer Lebenserfahrung weniger schlimm, als viele sagen?

Klaus Liebscher: Wir leben in einer Krisenzeit und sind mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Nehmen Sie allein Corona oder den Ukrainekrieg und deren Rückwirkungen auf die Ökonomie.

Klaus Liebscher

Klaus Liebscher 

Jurist  Der Wiener (12. 7. 1939) studiert Rechtswissenschaften in Wien und  beginnt  seine Karriere 1968 bei der Raiffeisen Zentralbank Österreich, deren Generaldirektor er 1988 wird. Im selben Jahr wird er Mitglied des Generalrates der Oesterreichischen Nationalbank (OenB), 1995 OeNB-Präsident, von 1999 bis 2008 ist er OeNB-Gouverneur. Weitere Führungsfunktionen u. a.:  Vermittlungskommission Kaprun, FIMBAG, Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (OEGFE)  
Privates Liebscher ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern
 

Ewald Nowotny: Unsere Generation ist eine begünstigte. Wir hatten immer wieder Phasen des Aufbaus, des Wachstums, der Stabilität und des Friedens. Und in all diesen Bereichen gibt es jetzt Herausforderungen, die größer sind als früher. Gleichzeitig dürfen wir nicht dramatisieren: Ich erinnere mich an die Angst vor einem Atomkrieg. Wir dürfen nicht in pessimistische Grundstimmung kommen.

Ewald Nowotny

Ewald Nowotny

Ökonom Der Wiener (28. 6. 1944) studiert Rechtswissenschaften, habilitiert  in Volkswirtschaftslehre/Finanzwissenschaft (Linz) und beginnt seine Karriere  an der TH Darmstadt (Lehrstuhl für Finanzwissenschaft). Er wird o. Univ. Prof u. Vorstand des Institutes für Finanzwissenschaften an der Uni Linz (1974– 1981), SPÖ-Mandatar (1978–1999), 
o. Univ. Prof. an der WU Wien (1981– 2008), später deren Vizerektor. Weitere Führungsfunktionen u. a.: P.S.K.-Verwaltungsrat, BAWAG-Generaldirektor, OEGFE
Privates Nowotny ist verheiratet und Vater eines Sohnes 

Wer ist pessimistisch?

Nowotny: Das beginnt mit Menschen, die sich „letzte Generation“ nennen, was ich für Unsinn halte, und geht hinein bis in die Wirtschaft. Diese pessimistische Grundstimmung ist Leiden auf hohem Niveau, denn wir leben in einem der reichsten Länder der Welt, wenngleich wir Budgetprobleme haben, können wir auf einen Leistungsbilanz-Überschuss verweisen.

Klaus Liebscher und Ewald Nowotny in der OeNB

Klaus Liebscher und Ewald Nowotny in der OeNB

Der deutsche Bundesbank-Chef Joachim Nagel geht davon aus, dass sich die Kosten von Corona, Energiekrise und EZB-Zinspolitik bis in die 2030er-Jahre negativ auswirken werden. Pessimistisch oder realistisch?

Liebscher: Wieder zu soliden Finanzpolitiken zurückzukehren, das wird die größte Aufgabe überhaupt werden – für die kommende Regierung in Österreich wie bestehenden in anderen Ländern. Die Anforderungen der letzten Jahre waren atypisch, doch jetzt müssen wir Schulden abbauen, Defizite korrigieren und eine starke Ausgabenpolitik vermeiden. Insofern bin ich nicht weit weg von Herrn Nagel. Ob es zehn Jahre dauern wird, das wage ich nicht zu sagen, aber in nächster Zeit wird es zu Anspannungen in vielen Bereichen kommen.

Fiskalratschef Christoph Badelt kritisierte jüngst die Koalition scharf. Wir hätten ein Ausgaben- und ein Einnahmenproblem, die künftige Regierung müsse jedenfalls sparen. Wo könnte der Staat sparen?

Liebscher: Das ist eine höchstpolitische Frage. Unumstritten ist der Reformbedarf im Pensionssystem. Man darf Ohren und Augen nicht verschließen, denn alle Prognosen zeigen, dass hier Handlungsbedarf besteht. Man sollte das auch aus Sicht der älteren Generation betrachten, denn wir reden immer von den Jungen, aber auch die Älteren wollen ihre Pension abgesichert wissen.

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