Das Vertrauen in die staatliche Pension schwindet – 58 Prozent der jungen Menschen sprechen dem heimischen Pensionssystem ihr Misstrauen aus, belegt eine aktuelle Studie im Auftrag der „Initiative 2050“. Den Lebensstandard halten zu können – damit rechnet mehr als die Hälfte der Befragten nicht. Stattdessen geht ein Großteil von einer Pension unter der Mindestsicherung aus. Widersprüchlich ist jedoch die Art, wie mit der Unsicherheit umgegangen wird.
Die private Vorsorge bleibt ein Nischenphänomen, das von lediglich 23 Prozent der unter 30-Jährigen genutzt wird. Teilzeiten gehen nach oben – nicht nur in Verbindung mit Kinderbetreuung. Und auch die Bildungskarenz wird mehr denn je in Anspruch genommen, obwohl sie häufig ihre Wirkung verfehlt, die Job-Position oder das Einkommen anschließend nicht stärkt. Nicht zu unterschätzen ist auch das mangelnde Wissen, wie das österreichische Pensionssystem überhaupt funktioniert, erklärt Wifo-Ökonomin und neue Vorsitzende der Alterssicherungskommission Christine Mayrhuber.
Das sei nämlich über alle Bevölkerungs- und Altersgruppen hierzulande sehr schlecht. Würde man sich damit befassen, wüsste man, dass Österreich ein umlagefinanziertes Pensionssystem hat. In anderen Worten: „Die Sicherheit der Altersbezüge ist davon abhängig, wie die Wirtschaft aufgestellt ist“, sagt Mayrhuber. Damit das System funktioniert, wird es regelmäßig adaptiert. Den Überblick bei all den Reformen zu behalten, sei schwierig, gibt sie zu.
Dennoch: Es ist tatsächlich möglich, auch in Zukunft den Lebensstandard, den man sich erarbeitet hat, in die Pension mitzunehmen, sagt Mayrhuber. Sofern man sich im Erwerbsleben aktiv informiert und keine Entscheidungen trifft, die man später finanziell bereut.
Der Pensionskonto-Check
„Wir sind in der glücklichen Lage, nicht mehr spekulieren zu müssen“, sagt Mayrhuber. Denn: „Man kann ins Pensionskonto hineinschauen, dort den Pensionsanspruch sehen und sich darauf einstellen, ob die Pension reichen wird oder nicht.“
Die Autorin dieses Artikels hat das gemacht. Sich auf neuespensionskonto.at mit ihrer ID Austria (Handysignatur) eingeloggt, zuerst eine Fehlermeldung erhalten (grummel) und dann die harten Zahlen präsentiert bekommen (schluck). Zum Leben reicht die Summe jedenfalls noch nicht nach 180 Versicherungsmonaten – das ist übrigens die Mindestanzahl, um überhaupt mit 65 Jahren eine Pension zu beziehen. Obwohl die 34-Jährige seit 15 Jahren voll im Berufsleben steht, sind 1.000 Euro brutto pro Monat in weiter Ferne.
Wie sich der zunächst erschreckend niedrige Betrag errechnet, erklärt die Plattform penibel und auch nachvollziehbar. Gutgeschrieben werden jeweils 1,78 Prozent des Brutto-Jahreseinkommens (bis zu einer Höchstgrenze, die 2024 bei 1.510 Euro liegt). 2008, im ersten Erwerbsjahr der Autorin, waren das stolze 15,52 Euro. Denn gewertet wird nur, was sozialversicherungspflichtig ist. Geringfügige Arbeit fällt da raus. Die Gesamtgutschrift aller Jahre durch 14 ergibt die Brutto-Monatspension.
Klingt furchtbar kompliziert, ist es für gescheiterte Rechenkönige vermutlich auch. Weshalb der KURIER einen Profi herangezogen hat, um weitere Berechnungen anzustellen. Denn die Frage ist: Wie entwickelt sich mein Pensionsanspruch bis zur Pension? Welche Karriereschritte schaden, welche nicht?
Wie viel Pension könnte ein durchschnittlicher Vollverdiener künftig beziehen
Was kosten Karenzen (1 Kind, 2 Kinder), Teilzeitarbeit oder ein Jahr Bildungskarenz
Wie sehr schrumpft die Pension, wenn man eine Zeit lang arbeitslos gemeldet war?
Wie funktioniert die betriebliche Altersvorsorge
Was hilft, um die Pensionsbezüge zu erhöhen
Karriere genau berechnet
Robin Perner arbeitet in der Gewerkschaft GPA. Sein Spezialgebiet sind Excel-Tabellen und Vorsorge-Berechnungen. Von ihm will der KURIER wissen, wie hoch die Pension einmal sein könnte. „Hat man 45 Versicherungsjahre, bekommt man 80 Prozent dessen, was man verdient hat“, erklärt Perner vorweg. Was das im Einzelfall bedeutet, zeigt er anhand eines Rechenbeispiels:
Der Vollverdiener in Österreich hat ein durchschnittliches Brutto-Monatsgehalt von 3.600 Euro. Bekäme die Autorin dieses Gehalt bis zum regulären Pensionsantritt 2055, wäre das eine (inflationsangepasste) Brutto-Pension von 4.610 Euro monatlich, 14 Mal im Jahr. Natürlich ist das nur eine Prognose, aber man sieht: Die Ersatzrate in Österreich ist hoch, allerdings ist sie auf Vollbeschäftigung ausgelegt.
„Die Lücken sind das Problem“, so Perner. Auch weil sie vielseitig sind: fehlende Versicherungsjahre, niedriges Beschäftigungsausmaß, Arbeitslosigkeit oder Karenzen wirken sich negativ aus. Wie groß diese Lücken sein können, berechnet Perner ausgehend vom ersten Beispiel. Die Autorin wird dabei zum Versuchskaninchen. Ihre fiktive Brutto-Pension von 4.610 Euro brutto, die sie als durchschnittliche Vollverdienerin bekäme, ist die Ausgangsbasis für unterschiedliche Karriereverläufe.*
Erst mal eine Bildungskarenz: – 42 Euro (brutto pro Monat)
Statt Vollzeit weiter zu arbeiten, pausiert sie den Job für zwölf Monate Bildungskarenz. Statt 3.600 Euro brutto, gibt es 2.520 Euro monatlich aufs Pensionskonto. Verschmerzbar, wenn im Erwerbsleben später mehr Gehalt rausspringt. Doch was, wenn das Gehalt nach der Weiterbildung gleich bleibt? Was kostet dann das Jahr Vollverdiener-Pause?
42 Euro weniger Pension im Monat muss einem die Weiterbildung wert sein, zeigt die Berechnung von Robin Perner. Netto sind das 24 Euro – also in etwa so viel wie ein Streaming-Abo. Warum es sich zu Buche schlägt? Durch den inflationsbedingten Zinseszinseffekt. Die Bildungskarenz passiert früh in der Erwerbskarriere und zieht sich dann mit großem Effekt durch.
Jetzt ein ordentlicher Gehaltssprung: + 1.950 Euro (brutto pro Monat)
Weil man die Pension nicht nur schmälern, sondern auch ausbauen kann, berechnet Perner, wie viel ein guter Gehaltsschub bringt. Das fiktive Beispiel: Im Alter von 40 Jahren schafft es die Vollverdienerin, das Gehalt um 50 Prozent zu steigern. Das Einkommen, das bis dahin an die Inflation angepasst wurde (meist wurde mit einer Inflationsrate von 2,5 Prozent kalkuliert), wächst auf 6.300 Euro brutto.
Da man davon ausgehen kann, dass auch die Höchstgrenze der Gutschriften aufs Pensionskonto ebenfalls inflationsbedingt angepasst wurde, hat sie bei Pensionsantritt 1.950 Euro brutto mehr zur Verfügung. Netto wären das nach aktuellem Stand 1.100 Euro. Ergibt eine Gesamtpension von 6.560 Euro brutto.
Unser Pensionssystem basiert auf drei „Säulen“: der gesetzlichen Pensionsversicherung, der betrieblichen Altersvorsorge und der freiwilligen privaten Vorsorge
Das neue Pensionskonto gilt für Versicherte, die ab dem 1. Jänner 1955 geboren sind und in Österreich pflichtversichert sind oder waren
Eine Mindestpension gibt es nicht. Aber eine Ausgleichszulage, wenn man mind. 30 Versicherungsjahre vorweist
Die Höchstbeitragsgrundlage beträgt im Jahr 2024 6.060 Euro monatlich
Zwei Jahre arbeitslos und auf Jobsuche: – 96 Euro (brutto pro Monat)
Zwei Jahre arbeitslos zu sein, ist zwar in Österreich selten (nur zwölf Prozent aller Arbeitslosen sind länger als 365 Tage ohne Job), passieren kann es im Erwerbsleben trotzdem. Zeiten, in denen man arbeitslos gemeldet ist, werden aber als Beitragszeiten in der Pensionsversicherung angerechnet. Wie bei der Bildungskarenz werden 70 Prozent des Bruttolohns auf das Pensionskonto gutgeschrieben.
Jedoch wird die Ersatzrate bislang nicht valorisiert, also nicht inflationsangepasst. Steigt man aber nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit wieder mit demselben Gehalt (also 3.600 Euro brutto) ins Berufsleben ein, hält sich der Schaden in Grenzen. 96 Euro brutto und somit 45 Euro netto werden im Alter weniger im Börserl sein.
Für ein paar Jahre ab in die Teilzeit: – 299,4 Euro (brutto pro Monat)
Teilzeiten steigen. Jede zweite Frau und jeder achte Mann arbeitet laut Statistik Austria nicht Vollzeit. Hauptgrund dafür sind Betreuungspflichten, aber auch der freie Wille, weniger arbeiten zu wollen. Doch was bedeutet Teilzeitarbeit für die spätere Pension? Generell fasst es Robin Perner so zusammen: „Ein Jahr Teilzeitarbeit macht auch ein Jahr halb so viel Pensionsanspruch.“ Wobei Teilzeit nicht parallel bedeute, das Einkommen zu halbieren. Dazu ein Beispiel.
Teilzeit für die Freizeit
Die Vollverdienerin hat genug von 40 Stunden und entscheidet sich, die Stunden zu reduzieren. Fünf Jahre lang will sie ab 2025 mehr Freizeit genießen und das Stundenausmaß auf 30 reduzieren. Das Bruttogehalt würde auf 2.803 Euro reduziert, zwar inflationär mitwachsen, aber bis 2030 ein Tief in der Pensionsgutschrift verursachen.
Dennoch: Zu 75 Prozent wurde gearbeitet, das Pensionskonto kann die Einbußen ganz gut wegstecken. 175 Euro brutto Abzug gibt es bei Pensionsantritt 2055 dennoch. Wirklich schwer ins Gewicht fällt die Teilzeit, sobald Stunden noch drastischer und noch länger reduziert werden. Etwa nach der Geburt des ersten Kindes.
Teilzeit für die Familie
Der absolute Killer für die Pensionsbezüge? „Die Kinderbetreuungszeiten“, sagt Robin Perner. „Die Zeit, in der man Kinderbetreuungsgeld bezieht, ist nicht das Problem“, klärt der Gewerkschafter auf. „Aber die Zeit danach. Wir sehen, dass Frauen sehr lange in Teilzeit bleiben und die Stunden nicht mehr aufstocken.“
Der KURIER bittet, ein Beispiel durchzurechnen: 2025 geht die Vollverdienerin in Karenz. Nach einem Jahr kehrt sie in den Job zurück, zuerst zwölf Stunden, dann stockt sie binnen eines Jahres auf zwanzig Stunden auf und arbeitet Teilzeit bis zum siebenten Geburtstag des Kindes. Ein gängiges Szenario, doch was passiert in der Zeit auf dem Pensionskonto?
Nach der Geburt des Kindes werden ihr 48 Monate lang 1.855 Euro brutto (14x, gesetzlich fixiert) auf das Pensionskonto für Kindererziehungszeiten gutgeschrieben. Egal für welches Karenzmodell sie sich entschieden hat. Ein Zuverdienst ist bis zu gewissen Grenzen erlaubt und zu empfehlen. Der Erwerb addiert sich nämlich auf die Gutschrift. Gekostet hat die mehrjährige Teilzeitphase der Pension trotzdem viel: 299,4 Euro brutto und damit 170 Euro netto pro Monat.
Einmal jährlich flattert der Brief bzw. die Kontoinformation einer Vorsorgekasse (zum Beispiel Valida oder APK) ins Haus. Und erinnert daran, dass auch der Arbeitgeber eine Altersvorsorge für seine Arbeitnehmer treffen muss (= zweite Säule unseres Pensionssystems). Hierfür gibt es seit 2003 die Abfertigung neu (wird wie ein Rucksack bis zur Pension mitgenommen). Dabei zahlt der Betrieb monatlich 1,53 Prozent des Entgelts auf eine Vorsorgekasse seiner Wahl (insgesamt gibt es acht). Dieses Geld ist abgesichert, kann also nicht weniger werden, obwohl es veranlagt wird. Sollten frühere Dienstgeber andere Kassen gewählt haben, können die Beträge auf eine Vorsorgekasse zusammengelegt werden. Bei einem Jobwechsel kann eine Auszahlung beantragt werden.
Und: Es gibt auch eine betriebliche Pensionsvorsorge, jedoch ist sie freiwillig. Für gewöhnlich werden zwischen 1,5 und 3 Prozent des Entgelts auf eine Pensionskasse einbezahlt. Verwirrung kann entstehen, weil Anbieter wie die Valida beide Geschäftsmodelle (Abfertigung neu und betriebliche Pensionsvorsorge) anbieten. Die betriebliche Pensionsvorsorge ist nicht abgesichert, aber steuerlich begünstigt.
Zwei Kinder oder mehr und ab da nur noch Teilzeit: – 2.259 Euro (brutto pro Monat)
Das zuvor kalkulierte Beispiel ist eher ein Idealfall, sagt Perner. Denn nur selten würden Mütter nach einer Karenz und anschließender Teilzeit wieder gleich gut ins Berufsleben einsteigen. Gehaltserhöhungen wären an ihnen vorbeigezogen, die Integration in den alten Job nicht immer möglich. Auch zwölf Jahre nach der Geburt ihres Kindes haben Frauen ein um zehn Prozent geringeres Einkommen als vor der Geburt, während Männer ein Plus von 16 Prozent verzeichnen, schreibt dazu die Arbeiterkammer. Und Perner mahnt: Sofern Mütter nach dem ersten Kind überhaupt ins Berufsleben zurückkehren. Oftmals kommt ein zweites Kind dazu, die Zeit dazwischen wird ein zeitlicher wie finanzieller Spießrutenlauf.
Tschüss, Vollzeitjob
Hierzu stellt Perner ein finales Beispiel auf: Erneut geht die Vollverdienerin 2025 in Karenz, wieder zahlen die Kindererziehungszeiten 48 Monate lang auf ihr Pensionskonto ein, doch diesmal arbeitet sie nicht parallel. Nach den 48 Monaten arbeitet sie zwölf Stunden pro Woche, drei Jahre lang. Ihr Gehalt bewegt sich trotz einberechneter Gehaltsanpassung nur bei knapp 1.000 Euro brutto, bis das zweite Kind nachkommt, die Kindererziehungszeiten wieder greifen und das Pensionskonto aufatmen kann. Erst 48 Monate später kehrt sie mit zwanzig Stunden in den Job zurück, wird diese aber bis zur Pension nicht mehr aufstocken. Die Auswirkungen sind verheerend.
2.259 Euro brutto weniger wird sie 2055 zur Verfügung haben, verglichen mit der Vollverdienerin. Netto sind das nach aktuellem Stand 1.372 Euro, die der Zweifach-Mutter jedes Monat fehlen. Doch das ließe sich ändern, wenn man schon im Berufsleben Vorkehrungen trifft.
Einbußen vorbeugen
„Zusätzlich arbeiten zahlt sich jedenfalls aus“, sagt Robin Perner. Insbesondere in den Zeiten, wo man Kinderbetreuungsgeld bezieht. Weiters: Den Pensionskontorechner online nutzen, sich beraten lassen und auf die Versicherungsjahre achten. Nur zwei Prozent der Frauen kommen auf 45 Versicherungsjahre, sagt Christine Mayrhuber. Bei Männern sind es rund 60 Prozent.
Und: Keinen Karriereschritt unüberlegt setzen. Denn das Pensionskonto ist ein Spiegel des Erwerbslebens. Was eingezahlt wird, bestimmt die Auszahlung. Böse Überraschungen sind (teilweise) hausgemacht – der Blick in Pensionskonto verrät, wo man steht.
*Hinweis: Die Berechnungen rund um Einkommensverläufe und spätere Pensionen wurden auf der Basis von aktuellen Kriterien durchgeführt. Voraussichtliche Verläufe wie inflationäre Steigerungen und Pensionsantrittsalter wurden berücksichtigt. Alle Angaben sind ohne Gewähr und individuelle Richtwerte zur Veranschaulichung diverser Entwicklungen
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