Ist es möglich, in Österreich alles nur mit Bargeld oder Karte zu bezahlen?

Geldbörse
Österreich ist ein Bargeldland. Wir haben ausprobiert, wie der Alltag nur mit Cash oder nur mit Karte funktioniert.

So unterschiedlich die Positionen in puncto Arbeit, Bildung oder Migration – so einig sind sich Österreichs Parteien, wenn es um die Zahlungsmöglichkeiten geht.

Die FPÖ initiiert 2023 ein Bargeld-Petition*, plädiert wie ÖVP und SPÖ auf ein Grundrecht auf Bargeld, selbiges gelte es gar in der Verfassung zu verankern – und das, obwohl der Euro als Zahlungsmittel ohnedies gesetzlich festgeschrieben ist.

Es gibt Gründe, warum die Parteien die Möglichkeiten des Bezahlens zum Thema machen. Abseits des Emotionalen wie der Gewohnheit ist es gegenwärtig insbesondere auch die Einführung des digitalen Euros, dem viele mit Skepsis begegnen.

Wie sehr die Bevölkerung an Münzen und Scheinen festhält, das lässt sich an bemerkenswerten Zahlen messen. Während in der Eurozone durchschnittlich 59 Prozent in bar zahlen und 34 Prozent mit Karte, liegt der Wert der Bargeld-Transaktionen in Österreich bei 70 Prozent.

Lieber bar zahlen die Menschen nur in Slowenien (73 Prozent) und auf Malta (77 Prozent).

Nachbarn sind auch Bargeld-affin

Gemäß einer Studie der Europäischen Zentralbank (EZB) aus dem Jahr 2022 ist es 43 Prozent der österreichischen Bevölkerung „sehr wichtig“ und 23 Prozent „relativ wichtig“, mit Bargeld bezahlen zu können – für 17 Prozent ist es „überhaupt nicht wichtig“. Im Nachbarland Deutschland ist die Bargeld-Affinität nicht minder groß: Für 39 Prozent der Deutschen ist es „sehr wichtig“, für 30 Prozent „relativ wichtig“, mit Münzen und Scheinen zahlen zu können.

Ganz anders sind die Zahlungsvorlieben, wenn man den Durchschnitt der 19 Staaten der Eurozone betrachtet: In Relation „nur“ 27 Prozent geben an, dass ihnen die Bezahlmöglichkeit mit Bargeld „sehr wichtig“ ist – 12 Prozent ist es „überhaupt nicht wichtig“. Doch spiegeln sich diese Vorlieben auch im Alltag wider? Der KURIER hat die Probe aufs Exempel gemacht – Daniel Voglhuber und Birgit Seiser haben den Selbstversuch unternommen, jeweils eine Woche nur mit Karte und nur mit Bargeld den Alltag zu bestreiten.  

Nur mit Karte: Wie König Midas

Daniel Voglhuber erlebte Erdbeerfrust statt Erdbeerlust. 

Ist es möglich, in Österreich alles nur mit Bargeld oder Karte zu bezahlen?

Daniel Voglhuber versuchte nur mit Karte zu bezahlen - und scheiterte

Eine Woche ohne Bargeld auskommen: Das klingt nicht unbedingt nach einem Selbstversuch von der wilden Sorte.

Andere tauchen  für ihre Berichte mit Weißen Haien,  trinken halluzinogene Gebräue im Dschungel oder setzen sich zumindest mit Flugangst ins Flugzeug.  Was  soll da so schwierig sein? Das meiste wird ohnehin mit Karte berappt. Wer braucht schon Bares? Was für ein läppisches Experiment! Könnte man meinen.

Doch dieser läppische Selbstversuch ist dann recht schnell vorbei.  Nicht nach einer Woche, sondern nach vier Tagen.

Ein beruflicher Termin im Bräunerhof.  Die Wiener Kaffeehausinstitution warnt schon mit Türschild, dass nur Bares Wahres ist. Doch die Gesprächspartnerin auf die Schnelle in ein anderes Lokal umleiten? Unhöflich. Sie die Rechnung bezahlen lassen? Noch viel unhöflicher. So gut ist die gerade erst gemachte Bekanntschaft noch nicht. Also: Geldscheine auf den Tisch, Niederlage eingestehen.

Essen und Trinken zu kaufen ist ohnehin eine Herausforderung.  Erdbeeren aus dem Burgenland beim Verkehrsknotenpunkt, zum Beispiel. Die Verkäuferin akzeptiert kein virtuelles Geld. Und das ist dramatisch: Die Saison ist kurz, die Leidenschaft für die sonnengereiften Früchte ist enorm.

Es ist wie beim gierigen König Midas. Der ist zwar wahnsinnig reich, weil er alles, was er angreift, in Gold verwandelt. Hilft ihm aber alles nichts. Das Essen bleibt ihm so verwehrt. Nicht nur die griechische Mythologie ist grausam.

Ist es möglich, in Österreich alles nur mit Bargeld oder Karte zu bezahlen?

Keine Kartenzahlung im Bobo-Lokal

Doch Trost naht – in  Form einer riesigen Suppenschüssel in einem Asia-Restaurant  im Bobo-Bezirk. „Wir akzeptieren nur Barzahlung“, baut der Kellner gleich in seine Begrüßung ein.  In dem Fall nicht so dramatisch: Die weibliche Begleitung wird die Rechnung übernehmen, die Bekanntschaft ist schon seit Jahren inniger Natur. 

Wenigstens auf den Friseur ist Verlass. Der nimmt Karte. Aber beim Trinkgeld – ups – wird geschummelt. Das gibt es in bar. Die Sparbüchsen der Belegschaft sind einfach zu schön und sichtbar aufgereiht.

Nur mit Bargeld:  Volksfest für Sparer  

Birgit Seiser meistere unerwartete Hürden und gewann gute Erkenntnisse.

Ist es möglich, in Österreich alles nur mit Bargeld oder Karte zu bezahlen?

Birgit Seiser kam nur mit Bargeld über die Runden.

Eine Woche ohne Bankomatkarte einkaufen – vor 20 Jahren, war das  Usus. Heute ist es schwierig, wie sich nach und nach zeigt. Um gut gewappnet in die Woche zu starten, wird der Bankomat  um 400 Euro erleichtert. Das ist  das Wochenlimit, das ich in bar pro Woche abheben kann – zum  Selbstschutz.  

Dass im Nachbarort  gerade ein Volksfest stattfindet, spielt mir bei diesem Versuch in die Karten. Dort ist es  unmöglich, digital abzurechnen. Der erste 100-Euro-Schein ist schon am 2. Festtag weg. Ein Ringelspiel-Ticket kostet 4 Euro und konsumiert man mehrere Paar Grillwürsterl und das ein oder andere Achterl Wein, kann man sich ausrechnen, wie viele Runden mein Sohn gedreht hat. 300 Euro sollten für die Woche aber reichen. 

Die erste Hürde zeigt sich am Montag, als ein guter Bekannter eine ungelenke Bewegung auf meiner Hängematte vollzieht  und der Stoff einen irreparablen Riss erleidet. Schnell ist das Handy zur Hand und die App des weltgrößten Versandhandels geöffnet. Eine neue Hängematte muss her.  In diesem Moment wäre das Experiment   fast gescheitert, hätte mein Lebensgefährte mich nicht darauf aufmerksam gemacht, dass Bestellungen ja nicht  bar bezahlt werden können. Der Versuch, ein geeignetes Modell in einer Filiale in der Umgebung zu finden, bringt keine Ergebnisse.  Die Hängematten im Handel sind weitaus teurer und Bargeld ist knapp.

Schon der  Wocheneinkauf minimiert das Budget drastisch auf 100 Euro.  Zum Glück ist aber schon eine neue Woche angebrochen und ich kann wieder 400 Euro abheben.   

Schon wieder?  Das ist der Clou des Selbstversuchs: Zahlt man bar, wird einem schnell bewusst, wie viel Geld man ausgibt. Die Scheine zerrinnen einem förmlich in den Händen. Andererseits ist der Blick auf das Bankkonto befriedigend. Keine unerwarteten Abbuchungen für einen Kaffee hier, ein Weckerl da. 

Wer auf sein Geld achten möchte, sollte auf Bargeld setzen. Hängematte habe ich übrigens immer noch keine. 

*In einer früheren Version hieß es fälschlicherweise, die FPÖ hätte ein Volksbegehren inititiiert. Die FPÖ hat die Petition "Festung Bargeld" initiiert. Initiator des Volksbegehrens für "uneingeschränkte Bargeldzahlung" ist Josef Binder.

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