Bargeld ist durch die EU-Verfassung geschützt
Der Euro ist seit mehr als 20 Jahren unsere Währung. Für ihn gelten gemeinsam von allen EU-Mitgliedstaaten vereinbarte Regeln, die in den EU-Verträgen verankert sind. Danach sind Euro-Banknoten „gesetzliches Zahlungsmittel“ im Euroraum (Artikel 128 Absatz 1 Satz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU), eine Verordnung regelt entsprechendes für die Euro-Münzen. Gesetzliches Zahlungsmittel heißt: Das Euro-Bargeld muss grundsätzlich überall im Euroraum zur Zahlung angenommen werden. Das Bargeld, das gerade im deutschsprachigen Raum so beliebt ist, ist somit durch EU-Recht geschützt. Zwar arbeitet die EU im Auftrag der nationalen Finanzminister an einer digitalen Version des Euro, damit auch im Internet, per Smartphone oder Smartwatch sichere Zahlungen möglich sind.
Immerhin zahlen heute in der EU bereits 41 Prozent der Menschen per Karte, App oder Überweisung, 2016 waren es nur 21 Prozent. Doch da das Euro-Bargeld „gesetzliches Zahlungsmittel“ ist, kann der digitale Euro das Euro-Bargeld nur ergänzen, es aber nicht ersetzen. Der Europäische Gerichtshof hat in einem Urteil am 26. Januar 2021 bestätigt, dass das EU-Recht „einer Regelung entgegensteht, die die rechtliche oder faktische Abschaffung des Euro-Bargelds bezweckt oder bewirkt.“ Das Bargeld ist also auch für die Zukunft durch vorrangiges EU-Recht geschützt.
Denn geändert werden können die EU-Verträge nur mit Zustimmung aller Mitgliedstaaten. Der Europäische Gerichtshof nennt deshalb die EU-Verträge „Verfassungsurkunde einer Rechtsgemeinschaft“.
Kann Österreich noch etwas tun, um das Bargeld weiter abzusichern? Viel ist europarechtlich nicht möglich. Denn die Mitgliedstaaten haben ihre Währungssouveränität bei Einführung des Euro auf die EU übertragen. Österreich hat dem beim EU-Beitritt 1994 durch Volksabstimmung zugestimmt.
Währungsfragen liegen heute in der ausschließlichen Zuständigkeit der EU. Auf nationaler Ebene könnte man allenfalls sagen: „Im Einklang mit dem Recht der EU ist das Euro-Bargeld gesetzliches Zahlungsmittel.“ Das wäre jedoch rein deklaratorisch. Praxisrelevanter wäre es, wenn die Regierung in Zusammenarbeit mit der Kreditwirtschaft garantieren würde, dass überall im Staatsgebiet, ob in der Stadt oder auf dem Land, stets ausreichend Bankomaten vorhanden sind. Schließlich könnten Bund, Länder und Gemeinden überlegen, ob sie es den Bürgerinnen und Bürgern nicht ermöglichen wollen, Steuern, Abgaben und Gebühren auf Wunsch in bar zu bezahlen.
Die EU-Kommission hat zu diesen praktischen Fragen im Juni eine Euro-Bargeld-Verordnung vorgeschlagen, die derzeit vom Europäischen Parlament und den Finanzministern beraten wird. Jeder, der für das Bargeld eintritt, sollte daran aktiv mitwirken.
Martin Selmayr vertritt die EU in Österreich und war Generalsekretär der Europäischen Kommission
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