In einer Stellungnahme an den KURIER teilt das Ministerium am Dienstag sinngemäß mit, dass die WKStA alles richtig gemacht habe.
„Sämtliche Chats und Chat-Verläufe wurden zum Akt genommen und dem Erstgericht und dem Berufungsgericht zur Verfügung gestellt“, heißt es da. Es sei sowohl Belastendes als auch Entlastendes zur gerichtlichen Bewertung vorgelegt worden.
Im Berufungsverfahren habe die WKStA „naturgemäß“ gesondert auf jene Beweismittel hingewiesen, mit denen sie ihre Berufung begründete. Kritik am Ermittlungsverfahren oder an der Anklage an sich habe das Gericht weder mündlich noch schriftlich zum Ausdruck gebracht, wird in der Stellungnahme betont.
Heißt unterm Strich: Den OLG-Richter störte es, dass die WKStA in der Berufung einseitig argumentierte, er konnte sich anhand des Akts aber selbst ein Bild machen.
Waffengleichheit
Es bleibt ein Nachgeschmack: Einerseits haben solche Worte von einem Richter – ausgesprochen im Bewusstsein, dass vor ihm etliche Journalisten sitzen, die mitschreiben – durchaus Symbolkraft.
Andererseits, weil viele Strafverteidiger aus dem Ibiza-Komplex in Rögglas Worten eine Bestätigung dafür sehen, was sie seit Längerem wurmt: Die WKStA, heißt es, tendiere dazu, entlastendes Material eher zu vernachlässigen. So weit, den Ermittlern Amtsmissbrauch zu unterstellen, geht man aber nicht.
Stattdessen scheint man sich mit der Situation arrangiert haben: Viele Verteidiger sind dazu übergegangen, Datenforensiker zu engagieren oder in ihren Kanzleien eigenhändig Chats und Fotos zu durchforsten.
Das nütze in zweierlei Hinsicht, wird in Gesprächen mit dem KURIER erklärt: erstens, um für Belastendes zeitnahe eine Verteidigung zu entwickeln; zweitens, um Entlastendes in den Akt hineinzureklamieren. Sich in puncto Entlastung auf die WKStA zu verlassen, sei schlichtweg „fahrlässig“.
Entlastendes hineinreklamiert
Ein Beispiel dafür ist Investor Ronny Pecik, dem vorgeworfen wird, den damaligen Finanz-Generalsekretär Thomas Schmid bestochen zu haben. Peciks Anwalt Norbert Wess beharrte darauf, dass Spaß-Videos, die die beiden einander geschickt hatten, zum Akt genommen werden. Damit will Wess belegen, dass die beiden Freunde waren – ähnlich wie Strache und Stieglitz, die vom Vorwurf der Bestechung freigesprochen wurden.
Diese Vorgehensweise setzt aber voraus, dass man die Daten überhaupt besitzt. Ein großer Kritikpunkt der Anwälte ist, dass die Beschuldigten nach derzeitiger Rechtslage keinen Anspruch auf eine Kopie ihrer sichergestellten Daten haben und es oft lange dauert, bis man sein Handy zurückbekommt.
Aber auch hier gilt: Man arrangiert sich. Ein Strafverteidiger, der routinemäßig einen IT-Experten zur Hausdurchsuchung mitnimmt, erklärt: „Bei mir trägt niemand einen Datenträger zur Tür hinaus, bevor unser Experte nicht eine exakte Kopie davon gemacht hat.“
Kein Zugang zu Daten
Diese Chance hatte ein anderer prominenter Beschuldigter nie: Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek. Im Februar 2021 wurde er von Staatsanwälten an seinem Arbeitsplatz aufgesucht, sein Handy wurde sichergestellt. Weil es ein Diensthandy ist und er suspendiert ist, bekam er es nie zurück.
Er habe bis heute keinen Zugang zu seinen Daten – könne nicht beurteilen, in welchem Kontext einzelne Nachrichten, die ihm zum Vorwurf gemacht wurden, stehen und sich auch nicht entsprechend verteidigen, kritisierte Pilnacek schon bei mehreren Gelegenheiten.
Sein Verteidiger ist mit einem Antrag auf Kopie der Daten bereits beim Landesgericht und beim Oberlandesgericht Innsbruck, wo das Verfahren geführt wird, abgeblitzt.
Die Begründung: Die Staatsanwaltschaft beurteile aufgrund des Objektivitätsgebots ja ohnehin, was relevant sei und was nicht.
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