Poker um EU-Kommissar: Grüne mit Kompromissvorschlag an die ÖVP
Seit Monaten herrscht Rätselraten über die Nachfolge von EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP). Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hat signalisiert, dass er Interesse an dem Job hätte – und er hätte auch die Unterstützung von Kanzler und Parteichef Karl Nehammer.
Bloß: Die ÖVP entscheidet das nicht alleine, sie braucht für den Regierungsvorschlag die Grünen. Die scheinen von Brunner nicht sehr begeistert, ebenso wenig von Verfassungs- und EU-Ministerin Karoline Edtstadler, die sich ebenfalls in Stellung gebracht haben soll.
Jetzt haben die Grünen, wie der KURIER am Freitag erfuhr, dem großen Koalitionspartner einen Namen als Kompromiss genannt: Othmar Karas.
"Hoch angesehen"
Der Erste Vizepräsident des Europäischen Parlaments, dessen Amtszeit mit der Konstituierung des neuen EU-Parlaments am 16. Juli endet, sei "bestens vernetzt, hoch angesehen und proeuropäisch", ist von grüner Seite zu vernehmen. Als langjähriger EU-Parlamentarier habe er zudem beste Chancen, ein gutes Ressort zu kriegen.
Der Vorschlag wurde nun der ÖVP unterbreitet, es folgen weitere Gespräche, heißt es.
Während der Sommerpause könnte der Vorschlag per Umlaufbeschluss besiegelt werden, danach müsste der Hauptausschuss des Parlaments zusammentreten. Am Ende müsste die Nominierung noch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angenommen werden. Sie bestimmt auch, welches Ressort Österreich bekommt (sofern sie für eine zweite Amtszeit bestätigt wird).
Die EU-Kommission ist die Exekutive der EU – vergleichbar mit der Regierungsmannschaft in Österreich.
Sie besteht aus 27 Mitgliedern – darunter Präsident und Vizepräsidenten. Jeder Mitgliedsstaat stellt somit einen Kommissar, dieser vertritt aber nicht nationale Interessen, sondern jene der EU als Ganzes.
Die Nominierung erfolgt über die Regierungen der EU-Staaten, in Österreich braucht es einen Beschluss im Hauptausschuss des Nationalrats. Die Kommissionspräsidentin weist ein Ressort zu, anschließend müssen die Kommissare noch ein Hearing im EU-Parlament überstehen.
Das Problem dabei: Karas ist für die türkise Parteispitze spätestens seit den vielen Scharmützeln, die sich Karas mit dem früheren Parteichef Sebastian Kurz geliefert hat, ein rotes Tuch. Immer wieder hat sich der EU-Parlamentarier kritisch zur Asylpolitik seiner Partei geäußert, erst kürzlich wich er im Streit um die EU-Renaturierungsverordnung von der ÖVP-Linie ab.
Mehr als überraschend wäre so gesehen, wenn die ÖVP ihn jetzt mit dem Kommissar-Job "belohnt".
Auch Pinke und Rote sprachen sich für Karas aus
Dabei genießt Karas über die Parteigrenzen hinweg einen guten Ruf: Vor ein paar Wochen hat Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger seinen Namen ins Spiel gebracht, der Grünen-Delegationsleiter Thomas Waitz erklärte daraufhin, er würde die Kandidatur unterstützen. Und auch die SPÖ war nicht abgeneigt.
Und Karas selbst sagte bei seinem Abschieds-Interview in der ORF-"Pressestunde" Mitte Juni: "Wenn es zu einem Vorschlag kommt, würde ich zur Verfügung stehen."
Die Grünen könnten sich im Poker um den Posten verkalkulieren: Denkbar ist nämlich auch, dass sich die ÖVP mit der SPÖ auf einen unabhängigen Kandidaten einigt.
Aus dem Kanzleramt heißt es am Freitag nur: „Wir beteiligen uns nicht an Personalspekulationen.“
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