Was passiert seit Übergabe der Empfehlungen?
Antwort des Klimarates: "Mit Ausklang des Klimarats haben rund die Hälfte der beteiligten Bürger:innen einen Verein gegründet (www.klimarat-verein.at). Der Nachfolgeverein des Rates, den wir repräsentieren, will das Thema Klima und Umweltschutz voranbringen, durch aktives Arbeiten mit der Öffentlichkeit und Vertretern der Politik. Wir versuchen die Umsetzung der 93 Empfehlungen voranzutreiben. Vereinsmitglieder treffen regelmäßig politische Entscheidungsträger, auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene. Darüber hinaus gibt es laufend Veranstaltungen, wo ehemalige Klimaräte eingeladen sind und über Ihre Erfahrungen und Erwartungen berichten.
Es gibt eine Reihe von geplanten Maßnahmen die unseren Vorschlägen in etwa entsprechen. Dazu zählen beispielsweise 100% Grünstrom bis 2030, Auflegen von Green Bonds aber auch der Aktionsplan nachhaltige Beschaffung. Her geht der Bund voran. Ebenso bei der Sanierungsförderung, Stichwort „Raus aus Öl und Gas“ geht es in die richtige Richtung. Der Mobilitätsmasterplan und die Vorreiterrolle Österreichs beim Klimaticket und bei internationalen Nachtzügen ist ebenfalls positiv zu vermerken.
Auf der anderen Seite bleiben andere Themen massiv hinter unseren Forderungen zurück, z.B. bei Mehrwegquote und Verringerung Plastikmüll.
Auch beim Thema Dienstwägen, Werbung für klimaschädliche Fahrzeuge, Ökologisierung der Pendlerpauschale, Tempolimit ist die Politik sehr wenig ambitioniert, obwohl hier große Hebel zur schnellen Verringerung der Emissionen liegen. Offenbar sind hier große Widerstände zu überwinden. Man zieht sich dann eher auf Kompensations-Subventionierungen zurück, wie zB das Jobticket als Kompensation für die (im Wesen unveränderte) Pendlerpauschale.
Bei einer Reihe von Themen wie Raumplanung, die die Zersiedelung und den daraus resultierenden Verkehr bestimmt, stehen wir uns selbst im Weg, da hier die Verfassung die grundlegende Regel darstellt. Das trifft auch in ähnlicher Weise auf Themen zu wie Lebensmittelkennzeichnung, Mehrwertsteuer auf Biolebensmittel und Kerosinbesteuerung. Hier stehen die EU- Regelungen im Weg bzw. fehlt der Mut mit nationalen Regelungen das Heft selbst in die Hand zu nehmen.
Generell gibt es durchaus viele Initiativen und „Projekterln“ die von Regierungsseite unterstützt werden. Das ist löblich, wir müssen aber schneller handeln. Es wird ohne rasch umgesetzte gesetzlich verbindliche Regeln nicht gehen und mit den 93 Empfehlungen haben wir ja der Politik gezeigt, wozu informierte und mündige Bürger bereit sind. Dazu fordern wir die Regierung auf und das ist auch der Grund warum wir als Verein aktiv sind."
Und wie sieht das Johannes Schmuckenschlager? "Das Ergebnis war vorhersehbar: Die Teilnehmer wurden enttäuscht. Politik aus der Dose funktioniert nicht. Deshalb gibt es in komplexen Themen, wie dem Klimawandel auch keine einfachen Antworten. Man kann hier nicht gut gemeinte Ideen über Bevölkerungsgruppen Drüberstülpen ohne Einbindung der Betroffenen. Das hat bei den Sowjets (Räte) auch nur mit Repressionen funktioniert. Tatsächlich wechselte fast die Hälfte des Klimarats zur Vereinigung des Klimarats, um überhaupt noch Gehör bei Bundesministerin Gewessler zu finden. Diese Art des Vorgehens ist eindeutig keine vertrauenswürdige Politik."
Antwort des Klimarates: "Bürgerräte sind eine Form direkter Demokratie und könnten der Politikverdrossenheit entgegenwirken. Wie die 93 Empfehlungen gut beweisen, sind Bürger:innen durchaus in der Lage für komplexe Themen Antworten zu finden. Im Gegensatz zu anderen Ministern findet der Klimarat tatsächlich Gehör bei Frau Bundesminister Gewessler."
Wo muss ihrer Meinung nach mehr passieren, wo sehen Sie die größten Hindernisse?
Antwort Johannes Schmuckenschlager: "Vieles aus dem Regierungsprogramm wurde bereits umgesetzt. Das Ministerium verfügt über ein Rekordbudget, jedoch werden nur wenige Vorschläge präsentiert, die von der gesamten Bevölkerung unterstützt werden können. Es bedarf einer größeren Offenheit für Technologie, Innovation und Mut zur Entwicklung branchenspezifischer Lösungen. Im Bereich der erneuerbaren Energien sollten die Entwicklung der Netzinfrastruktur und die Umsetzung von Netzstabilisierungsmaßnahmen wie Power-to-Gas schneller vorangetrieben werden – wir brauchen diese rasch. Die Privatinvestitionen in erneuerbare Energie sind rekordverdächtig. Aber bei der nötigen Infrastruktur hinken wir hinterher. Hier sollte die FBM rasch ideologische Scheuklappen abwerfen."
Antwort des Klimarates: "Viele Gesetzesvorlagen liegen am Tisch der ÖVP, wie Klimaschutzgesetz, Erneuerbares Wärmegesetz oder Biogasgesetz. Seit Monaten gibt es hier kaum Bewegung. Wenn es endlich eine Einigung innerhalb der Regierung gibt, verweigert sich die SPÖ um die 2/3 Mehrheit zustande zu bringen. Österreich gehört zu den schlechtesten Nationen bei der geplanten CO2 Reduktion innerhalb der EU. Und man betreibt weiterhin Schuldzuweisungen. Aber es geht auch nicht nur um Gesetze. Wir sollten überlegen wie es dazu kommen konnte, dass wir in den 2000er Jahren vom 3 Liter Auto geredet haben und 20 Jahre später sind wir bei 40% SUV bei den Neuzulassungen. Oder dass sich das Plastikmüllaufkommen in den letzten 20 Jahren noch einmal verdoppelt hat. Hier sind massive Fehlentwicklungen passiert. Hier muss auch ein Bewusstsein dafür geschaffen werden was genug und was Verschwendung ist, die uns allen schadet."
Muss die Politik nicht auch vernünftige Entscheidungen auch gegen den Willen einer relativen Mehrheit der Bevölkerung machen, eben weil man als Regierende Verantwortung übernehmen muss?
Antwort Johannes Schmuckenschlager: "Demokratie besteht darin, gemeinsame Lösungen zu suchen und zu finden, die von allen getragen werden können. Dies gilt auch für Bundesministerin Gewessler, die leider über Mehrheitsbeschlüsse im Gesetz hinweggeht, wie zum Beispiel beim Bau der S8 und des Lobautunnels. Aktuell zeigt sich dies auch im Zusammenhang mit der EU-Wiederherstellungsverordnung, wo sie einem einstimmigen Beschluss der Länder nicht folgt. Unsere Rechtsordnung schützt unsere Demokratie, und Verantwortung zu übernehmen bedeutet, nicht nur für eigene Wählergruppen zu agieren."
Antwort des Klimarates: "Was aus unserer Sicht komplett fehlt ist Leadership. Die negativen Entwicklungen aufgrund des Klimawandels zeigt die Wissenschaft klar auf. Noch spüren sie nicht alle am eigenen Leib, aber der Tag wird wohl kommen. Verantwortungsvolle Politik sollte unseres Erachtens Maßnahmen treffen die zukunftsorientiert sind und diese den Bürger:innen verständlich machen."
Wie sehen Sie die Verantwortung des Einzelnen in dieser Diskussion? Müssen wir lernen zu verzichten?
Antwort Schmuckenschlager: „Natürlich trägt jeder Einzelne Verantwortung und kann dazu beitragen, den Klimaschutz voranzubringen. Ich bin jedoch der Meinung, dass dies nicht durch eine Kultur des Verzichts oder Verbots erreicht werden kann. Vielmehr sollten wir auf Innovation, Kreativität und Technologieoffenheit setzen. Man kann auch ohne Verzicht, Energie einsparen. Zum Beispiel durch Isolierung und Dämmung im Wohnbereich. Hier sollten wir schleunigst ein Unterstützungspaket schnüren, um den Wohnbereich klimafit zu bekommen. Das würde auch der Baubranche und den Beschäftigten einen Aufschwung bereiten. Österreich war schon immer ein Vorreiter, und unsere Unternehmen sind Champions im Bereich Klima- und Umweltschutz. Die individuelle Mobilität sollte und wird in Zukunft klimaschonend gestaltet werden, ohne dabei die Freiheit der Menschen einzuschränken.“
Antwort Klimarat: "Wenn man sich unsere Empfehlungen ansieht, enthalten diese auch Verbote. Und unsere Gesetze regeln unzählige Dinge, die nicht erlaubt sind, weil es Sinn macht. Und auch beim Umweltschutz haben wir bereits sehr viele Verbote und werden weitere brauchen. Um ein Beispiel zu nennen: Ein Wegwerfverbot für Neuwaren ist längst überfällig."
Österreich hat dank der Wasserkraft einen hohen Anteil an erneuerbarer Energie. Beim weiteren Ausbau vor allem was Photovoltaik und Windenergie betrifft, hinkt Österreich hinterher. Mit welchen Maßnahmen soll bzw. wird die Energiewende voran gebracht und geht das schnell genug?
Antwort Schmuckenschlager: "Wir können dankbar sein, die Wasserkraft in Österreich sicher nutzen zu können. Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat einen enormen Schub erfahren, sowohl durch das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) als auch aufgrund der Ereignisse im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt. Die Sicherstellung der Energieunabhängigkeit und Versorgungssicherheit ist nun noch stärker in den Vordergrund gerückt. Die installierte Leistung von Photovoltaik und Windkraft in Österreich erreicht Rekordhöhen und wird in den kommenden Jahren weiter steigen. Unsere Aufgabe besteht darin, den im Sommer erzeugten Überschussstrom für den Winter nutzbar zu machen und unser Stromnetz abzusichern. Dabei müssen sämtliche Speichermedien in Betracht gezogen werden."
Antwort Klimarat: "Trotz Rekordwert bei Photovoltaik gehört Österreich hier nicht zu den besten in der EU. Bei Windkraft stehen vor allem die westlichen Bundesländer auf der Bremse, wo oft mit der Zerstörung des Landschaftsbildes argumentiert wird. Bei Liftanlagen hat man das von diesen Personen in der Vergangenheit nie gehört. Der Ausbau des Stromnetzes und die Speicherung sind natürlich vordringliche Aufgaben, neben dem verstärkten Ausbau."
Die Landwirtschaft trägt mit ca. 11% einen durchaus erheblichen Teil zum CO2 Ausstoß bei. Was tut Österreich dagegen bzw. was sollte Österreich dagegen tun?
Antwort Johannes Schmuckenschlager: "Die Land- und Forstwirtschaft ist unmittelbar vom Klimawandel betroffen, verursacht produktionsbedingt selbst Treibhausgase, leistet aber zugleich einen sehr wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Der Land- und Forstwirtschaft ist es als einzigem produzierenden Sektor gelungen, durch umfassende Reduktionsmaßnahmen im eigenen Wirkungsbereich die Emissionen gegenüber 1990 um rund 15 Prozent zu senken. Darüber hinaus ist unser Sektor in der Lage, große Mengen an Kohlenstoff in Böden und in der Biomasse zu speichern. Der nachhaltige CO2-Kreislauf der Biosphäre trägt dazu bei, die weitere Anreicherung von schädlichem fossilen CO2 in der Atmosphäre einzudämmen.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Land- und Forstwirtschaft nur etwas über 10% der CO2-Emissionen für die 100%ige Versorgung mit hochwertigsten Lebensmitteln verursacht. Die Relationen müssen immer hergestellt werden. Die Versorgungssicherheit der Bevölkerung durch unsere Bäuerinnen und Bauern ist unabdingbar. Importen aus aller Welt, weil die eigene Produktion, durch Life Style Diskussionen in Frage gestellt wird, erteile ich eine klare Absage."
Antwort Klimarat: "Der Abbau der Emissionen im landwirtschaftlichen Bereich seit 1990 ist im Wesentlichen auf eine Reduktion des Nutztierbestandes zurückzuführen, der sich seit damals um rund 30% verringert hat. Ein vorantreiben von klimafreundlicher Ernährung mit weniger Fleischkonsum wäre unseres Erachtens in jeder Hinsicht ein Gewinn, sei es Klima, Gesundheit, effiziente Nutzung von Böden und Ertragssituation der Bauern.
Der Klimarat hat hier beispielsweise zwei Schlüsselempfehlungen vorgelegt: den Fleischverzehr um zwei Drittel zu reduzieren und die Verwendung von klimafreundlich erzeugten Lebensmittel in Restaurants und Großküchen verpflichtend zu machen. Wir glauben dass es besser ist auf drei Schnitzel vom Spaltenboden zu verzichten und stattdessen eines zu essen, was von einem Schwein das auf der Wiese gelebt hat kommt. Es gibt hier auch schon Anstrengungen seitens der Regierung z.B. im nachhaltigen Beschaffungsplan, das ist zunächst auf den Bund begrenzt, zeigt aber in die richtige Richtung. Diese Maßnahmen müssen sukzessive ausgedehnt werden. Es gilt auch die Verschwendung und Vernichtung von Lebensmitteln radikal einzuschränken. Das geht direkt in die Klimabilanz ein."
Die Bodenversiegelung schreitet weiterhin voran, dadurch gehen wertvolle Grünflächen verloren, was würden Sie dagegen tun bzw. was gibt es für Maßnahmen und reichen die aus?
Antwort Schmuckenschlager: "Es ist wichtig, die Bodenversiegelung zu reduzieren. Bei jedem Projekt sollte berücksichtigt werden, ob der Flächenverbrauch rückgängig gemacht werden kann und ob Mehrfachnutzungskonzepte, insbesondere im Bereich der Energie, umgesetzt werden können. Zum Beispiel sollten Parkplatzflächen mit Photovoltaik-Überdachungen versehen werden und Supermärkte könnten auf große, bodenintensive Gebäude verzichten. Zudem ist es entscheidend die aktive Waldbewirtschaftung weiterzuführen, denn nur durch die Bewirtschaftung unserer Agrar- und Forstflächen erhalten wir die Biodiversität. Ansonsten würden wir dem Klima schaden und langfristig die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen schmälern."
Antwort Klimarat: "Beim Flächenverbrauch ist Österreich Europameister. Wir brauchen endlich wirksame Maßnahmen um dies zu stoppen. Auch hier hat der Rat sinnvolle Vorschläge gemacht. Wir wollen die Raumplanung generell den Gemeinden entziehen und auf die Länder bringen, wir wollen, dass schon versiegelte Böden genutzt werden. Und, Österreich hat eine der größten Supermarktflächen pro Einwohner. Brauchen wir wirklich an jeder zweiten Straßenecke einen Supermarkt und dann noch die riesigen Center in den Vorstädten wo dann auch noch jeder mit dem Auto hinfährt?"
Wie sehen Sie die Aktionen der „Klimakleber“? Wie stehen Sie zu diesen Aktionen?
Antwort Johannes Schmuckenschlager: "Wenn sich Menschen für Ihre Anliegen einsetzen, finde ich das gut und wichtig. Jedoch halte ich von diesen Aktionen nicht viel, da ich der Meinung bin, dass sie dem Klimaschutz langfristig schaden und auch die Akzeptanz für das Thema gefährden. Zudem halte ich das undurchsichtige Finanzierungssystem dieser Gruppen für bedenklich. Generell sollte bei den sogenannten NGOs eine Finanzierungstransparenz ähnlich den politischen Parteien gelten. Hier wird mit ausländischen Geldern, dass politische Klima in Österreich vergiftet. Das ist meines Erachtens mittlerweile eine Frage des Staatsschutzes. Ich persönlich fühle mich verantwortlich für die kommenden Generationen. Ich lade alle ein, aktiv mitzugestalten anstatt untätig am Asphalt zu kleben."
Antwort Klimarat: "Auch wenn wir als Verein uns niemals auf solche Aktionen einlassen würden, können wir die Verzweiflung der Menschen verstehen. Wie so immer, wird erst in einigen Jahrzehnten die Geschichtsschreibung dafür sorgen, wie solche Aktionen bewertet werden. Die einstmalige Aubesetzung war auch eine illegale Aktion, heute haben die Beteiligten Heldenstatus. Es ist auch sicher nicht schlecht, wenn wir ab und zu darauf hingewiesen werden, dass zum Beispiel das Autorennen auf acht Spuren, täglich von 5 Uhr morgens bis 23 Uhr abends am Gürtel in Wien, stattfindet, nicht gut sein kann für unsere Umwelt."
Wo ist eine Kooperation zwischen Ihnen und dem Verein Klimarat denkbar, wo sehen Sie gemeinsame Punkte?
Antwort Schmuckenschlager: "Mir ist eine gute Zusammenarbeit und ein konstruktiver Austausch sehr wichtig. Nur so können wir ein gegenseitiges Verständnis für unterschiedliche Standpunkte entwickeln. Daher führe ich Gespräche mit verschiedenen Gruppierungen wie zum Beispiel Parents for Future, Vertretern des Klimavolksbegehrens und verschiedensten Gruppen, um einen guten Dialog zu ermöglichen."
Antwort Klimarat: "Auch von unserer Seite wären wir an einem regelmäßigen Austausch interessiert. Zumindest eine unserer Empfehlungen (Parkplatzflächen mit Photovoltaik überdachen) findet sich bereits in einer Antwort von NR Schmuckenschlager. Auch beim Thema Energiegewinnung aus Abfällen (Biomasse) gibt es Anknüpfungspunkte. Ebenso bei unserer Empfehlung, Treibhausgas-Zölle basierend auf Klimafußabdruck für Lebensmittel aus Drittstaaten einzuführen, sollte eine gute Basis sein. Vielleicht gelingt es uns auf diesem Weg von weiteren zu überzeugen. Wir sind bereit!"
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