Österreich darf Politikern Einreise verbieten

Erdogan während einer Rede im Juni 2014, in der Albert-Schulz-Halle in Wien
Österreich könnte Recep Tayyip Erdogans diplomatisch wohl in die Schranken weisen. Der Preis dafür wäre die Eskalation des Wahlkampf-Konflikts.

Seine Pläne für ein Spaßdemo-Verbot waren bereits in Vergessenheit geraten. Mit der Debatte um türkische Wahlkampfveranstaltungen in Österreich hat sich für den Innenminister Wolfgang Sobotka ein neuer Anlass ergeben, um Änderungen bei der Versammlungsfreiheit zu fordern. Ein möglicher Auftritt des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan oder anderer hoher türkischer Politiker soll verhindert werden. Erdogan hat am Donnerstag angekündigt, noch vor dem Abstimmungstermin in Europa Wahlkampf machen zu wollen. Wo, das verriet er noch nicht.

Sobotka will eine Neuregelung, wonach die Regierung ausländischen Politikern Auftritte in Österreich untersagen kann. Die SPÖ lehnt den Vorschlag ab. Sollte die Regierung allerdings Wahlauftritte ausländischer Politiker verhindern wollen, gäbe es diplomatische Möglichkeiten, die zwar nicht weniger heikel, aber zumindest mit der Bundesverfassung leichter zu vereinbaren sind.

Besuche nur mit Erlaubnis

Sollte Recep Tayyip Erdogan nach Österreich reisen wollen, kann das in Form eines offiziellen Besuchs geschehen. Es gibt verschiedene diplomatische Abstufungen von solchen Reisen: Staatsbesuche, Offizielle Besuche, Offizielle Arbeitsbesuche oder einfache Arbeitsbesuche. Die höchste Form ist der Staatsbesuch mit höchsten diplomatischen Ehren. Alle gemeinsam haben sie, dass die nur auf Einladung des Gastgeberstaats erfolgen. Das heißt, dass Erdogan über eine Einladung verfügen müsste, wenn er in offizieller Funktion einreisen will. Besuche können also nur mit ausdrücklicher Erlaubnis passieren.

So weit, so einfach. Wenn Österreich keinen offiziellen Erdogan-Besuch will, dann sollte man keine Einladung ausprechen. "Wenn jemand in hoheitlicher Funktion auf einen Besuch kommen will, hat der Gastgeberstaat immer das letzte Wort", sagt der Völkerrechtler Stephan Wittich von der Universität Wien.

Private Einreise

Aus völkerrechtlicher Sicht darf Österreich eigenständig jedem die Einreise untersagen, auch Staatsoberhäuptern. Macht man von dieser drastischen Maßnahme nicht Gebrauch, und reist Erdogan privat an, wird es komplizierter. Erdogan könnte einen Diplomatenpass benutzen, dann bräuchte er laut Innenministerium kein Visum für Österreich. Sollte Erdogan mit einem normalen türkischen Pass nach Österreich reisen, würde er theoretisch den Visabestimmungen unterliegen, die auch für seine Landsleute gelten. Die von der EU versprochene Visafreiheit für Türken ist aber noch nicht umgesetzt worden. "Grundsätzlich ist es schon so, das mit dem Diplomatenpass eine bestimmte Funktion verbunden ist und ein Bindung an die Funktion besteht", sagt Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums. Die Spekulationen zum Einreisestatus Erdogans bewertet er aber als "virtuelle Betrachtung". Am Visum wird die Einreise Erdogans in der Praxis wohl nicht scheitern.

Privat reisen immer wieder ausländische Politiker nach Österreich. Selbst als Privatpersonen genießen Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister eine diplomatische Sonderstellung, also absolute Immunität, Unverletzlichkeit und Gastgeberländer haben den Schutz dieser Personen zu gewährleisten. Das bedeutet nicht, dass sie sich alles erlauben können. "Wenn jemand wirklich unter der Prämisse der Privatperson kommt, dann darf er sich natürlich nicht in einer Staatsfunktion betätigen, denn dann hätte er das vorher mit dem Gastland absprechen müssen", sagt der Völkerrechtler Wittich. "Das Schwierige im Fall von Erdogan ist wahrscheinlich, dass man nicht weiß, ob er als Staatenvertreter oder Vertreter der AKP einreist. Die Abgrenzung im Einzelfall zu treffen, ist schwierig."

Ultima ratio: "Persona non grata"

Sollte nun also ein Staatsoberhaupt oder Regierungschef privat einreisen, aber eine Wahlveranstaltung mit eindeutig offiziellem Charakter veranstalten oder als Redner besuchen, könnte Österreich Protest einlegen. Verhindern ließe sich die Veranstaltung auf diplomatischem Wege wohl schwer. "Wenn es hart auf hart geht, wird es sehr schwierig als Gastgeberstaat", sagt Wittich. "Es besteht aber die Möglichkeit, dass man die Person bittet, das Land zu verlassen." Ein Diplomat könne zur unerwünschten Person, zur 'persona non grata' erklärt werde, und eine Frist für die Ausreise gesetzt werden. Verstreicht diese Frist, verliert er seine diplomatische Stellung. "Diese Regel gilt auch für Staatsoberhäupter", sagt Wittich. "Das ist aber sehr heikel, das wäre eine absolute Eskalation."

Es gebe aber ein historisches Beispiel dafür, wie ein Staatsoberhaupt den guten Willen des Gastgeberlandes verwirken kann, sagt Wittich. Der französische Präsident Charles de Gaulle war im Juli 1967 für einen offiziellen Besuch nach Kanada gereist, verwendete in einer Rede in Montreal aber die Phrase "Vive le Québec libre!", "Es lebe das freie Quebec!", was als Unterstützung für die nationalistische Bewegung der französischsprachigen Minderheit gewertet wurde. Die kanadische Regierung verurteilte den Ausspruch. Zwar wurde de Gaulle nicht zur unerwünschten Person erklärt. Der diplomatische Druck wurde aber erhöht, Charles de Gaulle reiste schließlich vorzeitig wieder ab.

In dieser Aufzeichnung der Rede de Gaulles in Montreal ist der diplomatische Affront ab Minute 6:00 zu hören:

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