Sobotka: Erdogan nur "als Staatsgast willkommen"

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan
Sobotka will Versammlungsgesetz ändern, um Aufritte von Erdogan und türkischen Ministern verhindern zu können. SPÖ ist bereit, über Sobotka-Vorschlag zu reden. Rechtsexperten sehen wenig Spielraum für Auftrittsverbote.

Um künftig mögliche Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Österreich zu verhindern, will Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) das Versammlungsgesetz ändern. "Wir brauchen eine wehrhafte Demokratie, man kann sich nicht von einem fremden Staat politische Auseinandersetzungen ins Land tragen lassen", erklärte Sobotka am Dienstag im Ö1-Morgenjournal.

Eine europäische Lösung hält der Innenminister "nicht für durchsetzbar in dieser Situation". Daher brauche es eine von der gesamten Bundesregierung getragene Lösung. Denn es sei den Österreichern nicht zumutbar, dass auch ausländische Wahlkämpfe hier ausgetragen werden, so Sobotka.

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Durch einen eingefügten Passus in das Versammlungsgesetz solle es künftig möglich sein, Veranstaltungen zu untersagen, wenn dies dem Schutz der Menschenrechte diene und "wenn die öffentliche Ordnung und innere Sicherheit gefährdet sind", so Sobotka. Die in diesem Fall ergriffenen Maßnahmen könnten laut dem Innenminister auch Einreiseverbote oder Auftrittsverbote umfassen.

"Wenn Erdogan als politischer Staatsgast kommt, ist er willkommen"

Sobotka: Erdogan nur "als Staatsgast willkommen"
ABD0048_20170306 - WIEN - ÖSTERREICH: Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) am Montag, 6. März 2017, anl. der PK des Bundeskriminalamts und des Bundesministeriums für Inneres (BMI) zur Entwicklung der Kriminalität in Österreich im Innenministerium in Wien. - FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER
Auf die Frage, ob er auch dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan die Einreise verbieten würde, meinte Sobotka: "Wenn er als politischer Staatsgast kommt, ist er willkommen", bei einem politische Auftritt, gebe es mehrere Mittel, dies zu untersagen. Er denke aber, es werde reichen, die Veranstaltung zu untersagen. Ob im Extremfall auch ein Einreiseverbot verhängt werde, müssten die Sicherheitskräfte entscheiden.

Konkret will Sobotka folgenden Passus in das Versammlungsgesetz einfügen: "Mit Zustimmung der Bundesregierung kann in der Zukunft der Innenminister mit Einvernehmen des Außenministers und die gesamte Bundesregierung einem ausländischen Politiker die Teilnahme an einer Veranstaltung, die nicht der Wahl zu einem inländischen verfassungsmäßigen Vertretungskörper dient, untersagen, wenn dies dem Schutz der in der Europäischen Menschenrechtskonvention liegenden Menschen- und Grundrechte dient". Diesen Wortlaut werde er nun Experten zukommen lassen, damit relativ schnell das Versammlungsrecht geändert werden könne.

SPÖ will über Sobotka-Vorschlag reden

Die SPÖ ist indes bereit, über den Vorschlag von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) zur Verhinderung türkischer Wahlkampfauftritte in Österreich zu diskutieren. Man müsse sich aber "genau anschauen", wie man das umsetzen könne, sagte Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil (SPÖ) am Dienstag vor dem Ministerrat. Die ÖVP konnte sich indes Seitenhiebe auf Kanzler Christian Kern (SPÖ) nicht verkneifen.

Angesichts der Menschenrechtseinschränkungen und der zunehmenden Polarisierung in der Türkei müsse man sich klar positionieren, dass man solche politischen Auftritte in Österreich nicht wolle, sagte Doskozil. Man werde den Vorschlag von Sobotka diskutieren und schauen, wie man dem rechtlich begegne - "es gibt eine völkerrechtliche Komponente". Dass die deutsche Kanzlerin Angela Merkel Auftrittsverbote mit Verweis auf die freie Meinungsäußerung ablehne, kommentierte Doskozil damit, dass es sich dabei natürlich um ein "verfassungsrechtlich hohes Gut" handle. Aber "es ist wichtig, dass wir eine klare Linie verfolgen", betonte Doskozil.

Sobotka: Erdogan nur "als Staatsgast willkommen"
Interview mit Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil am 27.10.2016 in Wien.
Alle seien dafür, dass politische Konflikte aus dem Ausland nicht nach Österreich getragen werden dürfen, bekräftigte Sobotka seinen Plan. Deshalb sei es notwendig, in der aktuell geplanten Novelle des Versammlungsgesetzes einen Passus einzufügen, wonach die Bundesregierung auf Vorschlag des Innenministers und in Abstimmung mit dem Außenminister solche Veranstaltungen untersagen könne, wenn sie den Menschenrechten widerspreche. Das wäre "ein gutes Instrumentarium". Gefragt nach einem Einreiseverbot meinte Sobotka, die Journalisten sollten sich nicht immer an ein Detail "klammern".

Nach seiner Vorstellung könnte die Novelle in zwei bis drei Wochen in Begutachtung gehen und bis zum Sommer umgesetzt werden. Kritik, die Regelung könnte dem Völkerrecht widersprechen, wies Sobotka zurück: Wenn Menschen die Grundrechte aushebeln wollten, könne das in einer Demokratie nicht akzeptiert werden. Eine europäische Lösung, wie sie der Kanzler gefordert hatte, würde das Thema auf die lange Bank schieben, kritisierte Sobotka. Er erwarte nun Taten seitens der SPÖ. Von den Vorschlägen des Kanzlers sei er nicht informiert gewesen und "sie sind auch schwer nachvollziehbar".

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) vergaß ebenfalls nicht zu erwähnen, dass er erst letzte Woche von Kern in dieser Frage kritisiert worden sei. Über den Vorschlag seines Parteikollegen Sobotka zeigte er sich "froh". Er betonte, dass es eine "extreme Polarisierung" gebe und Konflikte etwa zwischen Türken und Kurden nicht nach Österreich "importiert" werden sollten. Er bekräftigte, dass das Thema nicht auf europäische Ebene "abgewälzt" werden soll, ebenso wenig wie auf die regionale Ebene. Es sollten nicht die Bürgermeister sein, die über dieses Thema entscheiden. Viel eher sollte es eine gesetzliche Regelung in Österreich geben. Auf Basis dieser könnten dann die Einzelfälle geprüft werden.

"Pragmatisch und sinnvoll"

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Reinhold Mitterlehner
Auch Vizekanzler und ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner sprach sich als zweiten Schritt für eine gesetzliche Regelung aus. Zunächst sollte man - aus zeitlichen Gründen, weil das türkische Referendum, um das es eigentlich geht, in Kürze ansteht - prüfen, ob es bei einer Versammlung Sicherheitsbedenken gebe. Die Pläne von Innenminister Sobotka seien jedenfalls "pragmatisch und sinnvoll". Über ein Auftrittsverbot sollten auch seiner Meinung nach die Bundesregierung oder der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, nicht jedoch die Bürgermeister, entscheiden. Die Regelung sollte für gesamt Österreich gelten. Mit Einreiseverboten rechnet er nicht, schließlich gehe es zunächst um eine Beurteilung von Veranstaltungen.

Kurz: Auftritte türkischer Politiker schaden Integration

Außenminister Kurz wollte unterdessen Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Österreich und die damit verbundene Polarisierung verhindern, weil dies der Integration schade. Er sei froh, dass es nach anfänglicher Kritik von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) mittlerweile einen "Schulterschluss in Österreich in dieser Frage" gebe, sagte Kurz am Montagabend in der Zib2.

Sobotka: Erdogan nur "als Staatsgast willkommen"
Sebastian Kurz
Generell sei es Usus, dass Auftritte von Politikern im Ausland mit dem Gastland abgesprochen werden, so Kurz. Der "Respekt gegenüber Österreich verlangt, dass der türkische Wahlkampf nicht nach Österreich hineingetragen wird". Sein Vorschlag eines Wahlkampfauftrittsverbots gelte zwar generell, wenn der Wahlkampf aus dem Ausland nach Österreich getragen werde, doch kenne er kein Land, dass seine Communities so polarisieren wolle, wie dies die Türkei in Österreich, Deutschland und den Niederlanden tue, so Kurz.

"Wenn wir uns an die Wahlkampfauftritte 2014 erinnern, zu welcher Polarisierung das zwischen Türken und Kurden in Österreich geführt hat, müssen wir das verhindern"

"Wenn wir uns an die Wahlkampfauftritte 2014 erinnern, zu welcher Polarisierung das zwischen Türken und Kurden in Österreich geführt hat, müssen wir das verhindern." Auch dürfe man die Problematik nicht auf die Bürgermeister abschieben oder auf die EU, "denn dort wird es keine Lösung geben". Dennoch sei es wichtig, "ordentlichen Kontakt zur Türkei zu halten", das bedeute aber nicht, Wahlkampfauftritte und die Einschüchterung von Andersdenkenden tolerieren zu müssen, betonte der Außenminister.

Bezüglich der zukünftigen Entwicklung der Europäischen Union ist "das Konzept der Subsidiarität das Wunschszenario", betonte Kurz. Es gehe darum die Europäische Union bei großen Themen zu stärken, und diese bei anderen Themen, die auf regionaler Ebene besser gelöst werden können, zurückzunehmen. Eine gemeinsame Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik seien für ein kleines Land von Vorteil. "Für die Flüchtlingskrise, große Katastrophen und den Kampf gegen den Terrorismus brauchte es Zusammenarbeit", zeigte sich Kurz überzeugt.

"Die Neutralität gehört zur österreichischen Seele hinzu, die stellt niemand in Frage"

Sobotka: Erdogan nur "als Staatsgast willkommen"
Sebastian Kurz, Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres, im Interview. Wien, 20.06.2014
Auch militärisch wolle Österreich mitreden, doch die schon jetzt bestehenden Battlegroups seien so bürokratisch gestaltet, dass sie noch nie einen Einsatz hatten. Die Neutralität will Kurz aber auf jeden Fall behalten. "Die Neutralität gehört zur österreichischen Seele hinzu, die stellt niemand in Frage", so Kurz. Es gehe auch nicht um ein Verteidigungsbündnis oder eine Verteidigungsverpflichtung, sondern um Zusammenarbeit beim Einkauf von militärischen Gütern, beim Kampf gegen den Terrorismus und um die Unterstützung von Frontex in der Flüchtlingsfrage.

Türkei kritisiert Absage von Cavusoglu-Auftritt in Hamburg

Der in Hamburg verfügte Stopp für einen Wahlkampfauftritt des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu stößt unterdessen in der Türkei auf scharfe Kritik. Der Abgeordnete Mustafa Yeneroglu von der türkischen Regierungspartei AKP erklärte, die Verfügung markiere einen neuen Tiefpunkt deutsch-türkischer Beziehungen.

"Das Sinken nimmt kein Ende", erklärte Yeneroglu in einer im Internet verbreiteten Stellungnahme. "Kurz zuvor hat sogar das Hotel, in dem der türkische Außenminister übernachten sollte, die Reservierung unbegründet storniert und erst nach Intervention des deutschen Außenministeriums eingelenkt", schrieb er.

Die Veranstaltungshalle im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg sei wegen Brandschutzmängeln gesperrt worden, sagte eine Sprecherin des Bezirksamts Mitte am Montag. "Die in der Genehmigung vorgeschriebene Brandmeldeanlage wurde nicht eingebaut. Deshalb darf die Halle bis auf weiteres gar nicht mehr genutzt werden", erklärte die Bezirksamtssprecherin.

Cavusoglu: "Komme auf jeden Fall nach Deutschland"

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu will seinen Wahlkampf in Deutschland ungeachtet des fraglichen Auftritts in Hamburg fortsetzen. "Ich werde gehen, niemand kann mich aufhalten", sagte Cavusoglu der Tageszeitung Hürriyet (Dienstagausgabe).

Für Mittwoch ist ein Treffen Cavusoglus mit Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) vorgesehen. Zunächst war nicht bekannt, ob der türkische Außenminister an diesem Treffen festhalten wollte. Der türkische Justizminister Bekir Bozdag hatte in den Vorwoche ein Treffen mit seinem deutschen Kollegen Heiko Maas (SPD) nach der Absage des Wahlkampf-Auftritts in Gaggenau kurzfristig abgesagt.

Die Minister wollen in Deutschland für das Präsidialsystem werben, über das türkische Wähler am 16. April in einem Referendum entscheiden können. Es würde dem Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan eine große Machtfülle geben. Erdogan hatte von Nazi-Methoden gesprochen, weil deutsche Kommunen Wahlkampfauftritte türkischer Minister aus Sicherheitsgründen verweigert hatten.

Rechtsexperten sehen wenig Spielraum für das Verbot türkischer Wahlkampfveranstaltungen in Österreich. Dies sei nur möglich, "wenn innerhalb der türkischen Minderheit in Österreich (...) durch so einen Auftritt die Spannungen so steigen würden, dass wechselseitige Gewalttaten zu befürchten sind", sagte der Wiener Verfassungsrechtler Theo Öhlinger am Dienstag im Ö1-Morgenjournal.

Dem von vielen Politikern vorgebrachten Argument, dass Demonstrationen für die Einführung eines autoritären Staatssystems untersagt werden könnten, kann Öhlinger dagegen nichts abgewinnen. Es sei nämlich nicht zu befürchten, dass das Werben für eine "Quasi-Diktatur in der Türkei" auch in Österreich eine ähnliche Entwicklung einleiten könnte. Ein Verbot türkischer Wahlkampfveranstaltungen sei somit "sehr, sehr schwierig".

Ähnlich äußerte sich Öhlingers Kollege Bernd-Christian Funk. Wahlkampfveranstaltungen könnten nur untersagt werden, "wenn es zu Gewalt und Ausschreitungen, aber auch zu Aufrufen zur Gewalt oder Verhetzung käme, also strafrechtswidrige Handlungen", sagte Funk im Ö1-Morgenjournal. In diesem Fall sei ein Verbot möglich. Dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan könnte dann auch die Einreise verweigert werden.

Der Innsbrucker Völkerrechtler Walter Obwexer brachte indes eine andere Lösung ins Spiel. So könnten die EU-Staats- und Regierungschefs den Mitgliedsstaaten mittels einer Erklärung empfehlen, die Einreise von Regierungspolitikern während des Wahlkampfes zu unterbinden.

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