Sobotka: Erdogan nur "als Staatsgast willkommen"
Um künftig mögliche Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Österreich zu verhindern, will Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) das Versammlungsgesetz ändern. "Wir brauchen eine wehrhafte Demokratie, man kann sich nicht von einem fremden Staat politische Auseinandersetzungen ins Land tragen lassen", erklärte Sobotka am Dienstag im Ö1-Morgenjournal.
Eine europäische Lösung hält der Innenminister "nicht für durchsetzbar in dieser Situation". Daher brauche es eine von der gesamten Bundesregierung getragene Lösung. Denn es sei den Österreichern nicht zumutbar, dass auch ausländische Wahlkämpfe hier ausgetragen werden, so Sobotka.
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Durch einen eingefügten Passus in das Versammlungsgesetz solle es künftig möglich sein, Veranstaltungen zu untersagen, wenn dies dem Schutz der Menschenrechte diene und "wenn die öffentliche Ordnung und innere Sicherheit gefährdet sind", so Sobotka. Die in diesem Fall ergriffenen Maßnahmen könnten laut dem Innenminister auch Einreiseverbote oder Auftrittsverbote umfassen.
"Wenn Erdogan als politischer Staatsgast kommt, ist er willkommen"
Konkret will Sobotka folgenden Passus in das Versammlungsgesetz einfügen: "Mit Zustimmung der Bundesregierung kann in der Zukunft der Innenminister mit Einvernehmen des Außenministers und die gesamte Bundesregierung einem ausländischen Politiker die Teilnahme an einer Veranstaltung, die nicht der Wahl zu einem inländischen verfassungsmäßigen Vertretungskörper dient, untersagen, wenn dies dem Schutz der in der Europäischen Menschenrechtskonvention liegenden Menschen- und Grundrechte dient". Diesen Wortlaut werde er nun Experten zukommen lassen, damit relativ schnell das Versammlungsrecht geändert werden könne.
SPÖ will über Sobotka-Vorschlag reden
Die SPÖ ist indes bereit, über den Vorschlag von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) zur Verhinderung türkischer Wahlkampfauftritte in Österreich zu diskutieren. Man müsse sich aber "genau anschauen", wie man das umsetzen könne, sagte Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil (SPÖ) am Dienstag vor dem Ministerrat. Die ÖVP konnte sich indes Seitenhiebe auf Kanzler Christian Kern (SPÖ) nicht verkneifen.
Angesichts der Menschenrechtseinschränkungen und der zunehmenden Polarisierung in der Türkei müsse man sich klar positionieren, dass man solche politischen Auftritte in Österreich nicht wolle, sagte Doskozil. Man werde den Vorschlag von Sobotka diskutieren und schauen, wie man dem rechtlich begegne - "es gibt eine völkerrechtliche Komponente". Dass die deutsche Kanzlerin Angela Merkel Auftrittsverbote mit Verweis auf die freie Meinungsäußerung ablehne, kommentierte Doskozil damit, dass es sich dabei natürlich um ein "verfassungsrechtlich hohes Gut" handle. Aber "es ist wichtig, dass wir eine klare Linie verfolgen", betonte Doskozil.
Nach seiner Vorstellung könnte die Novelle in zwei bis drei Wochen in Begutachtung gehen und bis zum Sommer umgesetzt werden. Kritik, die Regelung könnte dem Völkerrecht widersprechen, wies Sobotka zurück: Wenn Menschen die Grundrechte aushebeln wollten, könne das in einer Demokratie nicht akzeptiert werden. Eine europäische Lösung, wie sie der Kanzler gefordert hatte, würde das Thema auf die lange Bank schieben, kritisierte Sobotka. Er erwarte nun Taten seitens der SPÖ. Von den Vorschlägen des Kanzlers sei er nicht informiert gewesen und "sie sind auch schwer nachvollziehbar".
Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) vergaß ebenfalls nicht zu erwähnen, dass er erst letzte Woche von Kern in dieser Frage kritisiert worden sei. Über den Vorschlag seines Parteikollegen Sobotka zeigte er sich "froh". Er betonte, dass es eine "extreme Polarisierung" gebe und Konflikte etwa zwischen Türken und Kurden nicht nach Österreich "importiert" werden sollten. Er bekräftigte, dass das Thema nicht auf europäische Ebene "abgewälzt" werden soll, ebenso wenig wie auf die regionale Ebene. Es sollten nicht die Bürgermeister sein, die über dieses Thema entscheiden. Viel eher sollte es eine gesetzliche Regelung in Österreich geben. Auf Basis dieser könnten dann die Einzelfälle geprüft werden.
"Pragmatisch und sinnvoll"
Kurz: Auftritte türkischer Politiker schaden Integration
Außenminister Kurz wollte unterdessen Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Österreich und die damit verbundene Polarisierung verhindern, weil dies der Integration schade. Er sei froh, dass es nach anfänglicher Kritik von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) mittlerweile einen "Schulterschluss in Österreich in dieser Frage" gebe, sagte Kurz am Montagabend in der Zib2.
"Wenn wir uns an die Wahlkampfauftritte 2014 erinnern, zu welcher Polarisierung das zwischen Türken und Kurden in Österreich geführt hat, müssen wir das verhindern"
"Wenn wir uns an die Wahlkampfauftritte 2014 erinnern, zu welcher Polarisierung das zwischen Türken und Kurden in Österreich geführt hat, müssen wir das verhindern." Auch dürfe man die Problematik nicht auf die Bürgermeister abschieben oder auf die EU, "denn dort wird es keine Lösung geben". Dennoch sei es wichtig, "ordentlichen Kontakt zur Türkei zu halten", das bedeute aber nicht, Wahlkampfauftritte und die Einschüchterung von Andersdenkenden tolerieren zu müssen, betonte der Außenminister.
Bezüglich der zukünftigen Entwicklung der Europäischen Union ist "das Konzept der Subsidiarität das Wunschszenario", betonte Kurz. Es gehe darum die Europäische Union bei großen Themen zu stärken, und diese bei anderen Themen, die auf regionaler Ebene besser gelöst werden können, zurückzunehmen. Eine gemeinsame Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik seien für ein kleines Land von Vorteil. "Für die Flüchtlingskrise, große Katastrophen und den Kampf gegen den Terrorismus brauchte es Zusammenarbeit", zeigte sich Kurz überzeugt.
"Die Neutralität gehört zur österreichischen Seele hinzu, die stellt niemand in Frage"
Türkei kritisiert Absage von Cavusoglu-Auftritt in Hamburg
Der in Hamburg verfügte Stopp für einen Wahlkampfauftritt des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu stößt unterdessen in der Türkei auf scharfe Kritik. Der Abgeordnete Mustafa Yeneroglu von der türkischen Regierungspartei AKP erklärte, die Verfügung markiere einen neuen Tiefpunkt deutsch-türkischer Beziehungen.
"Das Sinken nimmt kein Ende", erklärte Yeneroglu in einer im Internet verbreiteten Stellungnahme. "Kurz zuvor hat sogar das Hotel, in dem der türkische Außenminister übernachten sollte, die Reservierung unbegründet storniert und erst nach Intervention des deutschen Außenministeriums eingelenkt", schrieb er.
Die Veranstaltungshalle im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg sei wegen Brandschutzmängeln gesperrt worden, sagte eine Sprecherin des Bezirksamts Mitte am Montag. "Die in der Genehmigung vorgeschriebene Brandmeldeanlage wurde nicht eingebaut. Deshalb darf die Halle bis auf weiteres gar nicht mehr genutzt werden", erklärte die Bezirksamtssprecherin.
Cavusoglu: "Komme auf jeden Fall nach Deutschland"
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu will seinen Wahlkampf in Deutschland ungeachtet des fraglichen Auftritts in Hamburg fortsetzen. "Ich werde gehen, niemand kann mich aufhalten", sagte Cavusoglu der Tageszeitung Hürriyet (Dienstagausgabe).
Die Minister wollen in Deutschland für das Präsidialsystem werben, über das türkische Wähler am 16. April in einem Referendum entscheiden können. Es würde dem Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan eine große Machtfülle geben. Erdogan hatte von Nazi-Methoden gesprochen, weil deutsche Kommunen Wahlkampfauftritte türkischer Minister aus Sicherheitsgründen verweigert hatten.
Rechtsexperten sehen wenig Spielraum für das Verbot türkischer Wahlkampfveranstaltungen in Österreich. Dies sei nur möglich, "wenn innerhalb der türkischen Minderheit in Österreich (...) durch so einen Auftritt die Spannungen so steigen würden, dass wechselseitige Gewalttaten zu befürchten sind", sagte der Wiener Verfassungsrechtler Theo Öhlinger am Dienstag im Ö1-Morgenjournal.
Dem von vielen Politikern vorgebrachten Argument, dass Demonstrationen für die Einführung eines autoritären Staatssystems untersagt werden könnten, kann Öhlinger dagegen nichts abgewinnen. Es sei nämlich nicht zu befürchten, dass das Werben für eine "Quasi-Diktatur in der Türkei" auch in Österreich eine ähnliche Entwicklung einleiten könnte. Ein Verbot türkischer Wahlkampfveranstaltungen sei somit "sehr, sehr schwierig".
Ähnlich äußerte sich Öhlingers Kollege Bernd-Christian Funk. Wahlkampfveranstaltungen könnten nur untersagt werden, "wenn es zu Gewalt und Ausschreitungen, aber auch zu Aufrufen zur Gewalt oder Verhetzung käme, also strafrechtswidrige Handlungen", sagte Funk im Ö1-Morgenjournal. In diesem Fall sei ein Verbot möglich. Dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan könnte dann auch die Einreise verweigert werden.
Der Innsbrucker Völkerrechtler Walter Obwexer brachte indes eine andere Lösung ins Spiel. So könnten die EU-Staats- und Regierungschefs den Mitgliedsstaaten mittels einer Erklärung empfehlen, die Einreise von Regierungspolitikern während des Wahlkampfes zu unterbinden.
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