Kurz im U-Ausschuss: Debatten um Formales lähmten Befragung
Seine erste Befragung im U-Ausschuss im Juni 2020 hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ein Strafverfahren wegen Falschaussage beschert. Heute, bei seinem zweiten Auftritt, war er besonders vorsichtig.
Kurz war übrigens der einzige "Gast": Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid war nicht erreichbar, Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat sich nach seinem Bootsunfall in Kroatien entschuldigt und kommt zu einem Ersatztermin am 15. Juli.
Gleich in seinem Eingangsstatement erklärte Kurz, dass er viele Aussagen von der ersten Befragung wiederholen bzw. vorlesen wolle - nur so sei gewährleistet, dass nicht jede "Nuancierung" später zu Vorwürfen oder gar neuen Anzeigen führe. Er werde auch von seinem Recht, sich der Aussage zu entschlagen, Gebrauch machen.
Gerangel um Fragen
Die ersten zwei Stunden der Befragungszeit (insgesamt sind es maximal vier) nahm ÖVP-Abgeordneter Klaus Fürlinger in Anspruch. Da war der Kanzler noch durchaus redselig - spannte einen Bogen vom Ibiza-Video über Postenbesetzungen bis zur Schredder-Affäre. Allerdings nur recht oberflächlich.
Als dann SPÖ-Mann Kai Jan Krainer mit seinen Fragen dran war, kam kaum noch eine brauchbare Antwort - die folgende Stunde war geprägt von Geschäftsordnungsdebatten.
Das selbe Bild bei den Fragen von FPÖ-Mann Christian Hafenecker, der sich hauptsächlich für die Hintergründe des Ibiza-Videos und des Koalitionsendes von Türkis-Blau interessierte.
Ein Gerangel gab es schon im Vorfeld, und zwar um den Anwalt von Kurz, Werner Suppan - er sollte ebenfalls geladen werden.
Entschlagung zu Kirchen-SMS
Es gibt eine neue anonyme Anzeige gegen Kurz - wegen Nötigung der Kirche. Gezeichnet ist die Anzeige mit den Initialen "A.H.".
Dabei geht es offenbar um den Vorwurf, Schmid hätte Peter Schipka von der Bischofskonferenz wegen der steuerlichen Privilegien der Kirche unter Druck gesetzt - und Kurz hätte das goutiert bzw. ihn sogar noch angefeuert.
Krainer verdächtigt die ÖVP, diese Anzeige selbst gemacht zu haben, damit Kurz sich bei entsprechenden Fragen entschlagen darf.
Tatsächlich entschlug sich Kurz zum gesamten Themenkomplex Kirchen-SMS.
Reform: Richter sollen befragen
Bei seinem Eintreffen hatte Kurz einen Wunsch deponiert: Er fordert eine Reform des U-Ausschusses. Der Umgang mit Auskunftspersonen sei problematisch. Im Ausschuss sagte er: "Ich mache mir Sorgen um die politische Kultur". Hass und Ablehnung seien im U-Ausschuss auf der Tagesordnung, das schade dem Miteinander.
Was schlägt Kurz zur Reform vor?
Etwa, dass Richter die Befragungen im U-Ausschuss durchführen. "Damit die Wahrheit im Zentrum steht." Wie diese Reform im Detail aussieht, überlässt er dem Parlament und Experten, die darüber beraten sollen.
Ändert Aussage etwas am Strafverfahren?
Im Vorfeld wurde vermutet, dass Kurz heute versucht, seine früheren Aussagen richtigzustellen - bzw. sich vom Vorwurf reinzuwaschen, er habe zur Frage, ob er in die Bestellung von Schmid zum ÖBAG-Chef involviert war, falsch ausgesagt. Der KURIER hat dazu einen Strafrechtsexperten befragt.
Kurz hat sich dann aber der Aussage zu diesem Thema entschlagen, um sich auch in diesem laufenden Verfahren nicht selbst zu belasten.
Live-Ticker Ibiza U-Ausschuss
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Die Zeit ist um
Die vier Stunden Befragung wurden ausgeschöpft. An der Reihe waren allerdings nur ÖVP-Mandatar Fürlinger, SPÖ-Mandatar Krainer und FPÖ-Mandatar Hafenecker.
Grüne und Neos kommen nicht mehr dran. Das war's.
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"Oaschloch" oder "gschissenes Oaschloch"?
Neuer Versuch Hafenecker: "Wie haben Sie den Kommunikationsstil Ihrer engsten Mitarbeiter wahrgenommen?"
Kurz beginnt mit einer Klarstellung darüber, wer seine "engsten Mitarbeiter" seien. Er würde das anders definieren als Hafenecker. Seine engsten Mitarbeiter sind der Klubobmann und jene, mit denen er tagtäglich eng zusammenarbeitet. Seine engsten Mitarbeiter im Büro seien bekannt. Sie kämen in den Chats weder als Absender noch als Empfänger vor.
"Sie haben vollkommen recht, dass in einigen dieser Nachrichten auch unschön über mich geschrieben worden ist", sagt Kurz. "Kurz scheißt sich an", zitiert er da etwa. "Damit muss ich leben, damit muss ich umgehen."
Kurz fällt noch etwas ein: Hat Neos-Abgeordneter Brandstätter zu ÖVP-Mann Hanger letztens "Oaschloch" oder "gschissenes Oaschloch" gesagt?, spekuliert er.
Die Zeit verrinnt.
Aber ja, Kurz würde solche Dinge als "problematisch" einstufen. Er ist aber dagegen, dass im U-Ausschuss strafrechtliche Vorwürfe mit solchen Ausdrucksweisen vermischt würden. Es sei eine Herausforderung für Abgeordnete aber auch für Medien, das auseinanderzudividieren.
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Wie geht's eigentlich Kurz?
Falls Sie sich fragen: Ja, es wird immer noch darüber diskutiert, ob Kurz sagen darf, wie es ihm angesichts der Chats gegangen ist.
Nur noch 30 Minuten Zeit.
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"Ostblockschlampen" versus Ibiza-Video
Christian Hafenecker, FPÖ-Fraktionschef, ist dran. Er fragt den Kanzler, wie es ihm gegangen sei, als er das Ibiza-Video gesehen habe. Kurz hatte zuvor bereits gesagt, er sei schockiert gewesen, was Strache da im Video gesagt hat.
Dann konfrontiert Hafenecker den Kanzler mit Chatverläufen seiner Parteikollegen. Erst gestern tauchte ein Chat von Schmid mit Mitarbeitern auf, in dem Frauen als "Ostblock-Schlampen" bezeichnet werden.
Wenn Kurz ob des Ibiza-Videos "schockiert" war, wie ging es ihm da mit den Chats seiner eigenen Truppe?
ÖVP-Mandatar Andreas Hanger grätscht hinein: Es ärgert ihn, dass durch die Veröffentlichung der Chats wiedereinmal Persönlichkeitsrechte verletzt würden.
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Noch eine Stunde Zeit
"Sie werden jetzt Opfer Ihrer eigenen Anzeigen-Politik", sagt Kurz zum SPÖ-Abgeordneten Krainer. Zur Erklärung: Gegen Kurz wird ja wegen Falschaussage ermittelt - die Anzeige stammt von Krainer und Neos-Mandatarin Stephanie Krisper. Woher die aktuelle Anzeige stammt, ist unklar.
Sobotka äußert sich zum Zeithorizont der heutigen Befragung: Abzüglich der Minuten, die Nachfragen und Stehungen gebraucht haben, wurde mit Stand 17.05 Uhr bereits drei Stunden befragt. Maximal darf die Befragung vier Stunden dauern. Wir haben also noch eine knappe Stunde.
Zur Erinnerung: Fast zwei Stunden nahm alleine ÖVP-Abgeordneter Fürlinger in Anspruch. Bei SPÖ-Mandatar Krainer wird seit einer Stunde fast ausschließlich über Formalitäten diskutiert.
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Kommen noch alle Fraktionen dran?
Das Justizministerium hat bestätigt, dass es diese anonyme Anzeige gibt. Kurz wehrt sich gegen den Vorwurf, dass jemand absichtlich die Anzeige gestellt hat, um ihn vor Fragen zu bewahren. "Sie glauben das doch nicht wirklich?", sagt er.
Jedenfalls entschlägt er sich zu den Kirchen-SMS. Das sei alles, was er dazu zu sagen habe.
Verfahrensrichter Pöschl und U-Ausschuss-Vorsitzender Sobotka beraten. Die Zeit läuft.
Es ist nur noch rund eine Stunde Befragungszeit übrig. Derzeit ist die SPÖ dran, danach kommt die FPÖ, dann Grüne und Neos. Ob sich die letzten beiden noch ausgehen, darf stark bezweifelt werden.
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Mühsame Debatte
Krainer startet einen neuen Versuch: Kurz schrieb Schmid damals vor dem Termin mit Schipka ja: "Ja, super, bitte Vollgas geben!" Das wird so interpretiert, dass Kurz Schmid darin bestärkte, Schipka unter Druck zu setzen.
Und wieder eine Geschäftsordnungsdebatte. Die Uhr tickt.
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Anzeige als Schutz vor Fragen?
Die neue anonyme Anzeige wird vorgelegt: Wie vorhin schon erwähnt, hat jemand den Kanzler wegen Nötigung angezeigt - es geht um den Vorwurf, Schmid habe den Kirchenvertreter Schipka unter Druck gesetzt, Kurz habe das unterstützt.
Kurz entschlägt sich der Aussage.
Krainer ist verärgert. Er vermutet, dass jemand absichtlich die anonyme Anzeige gemacht hat - mit dem Ziel, dass Kurz sich dann im U-Ausschuss entschlagen kann. Kurz müsse glaubhaft machen, warum konkret er sich entschlägt. Sonst könne sich ja jeder, der nicht aussagen will, vor seinem Auftritt im U-Ausschuss anonym selbst anzeigen.
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Welche Fragen sind erlaubt?
Krainer fragt Kurz, ob er Bescheid wusste, dass das Finanzministerium Tage vor dem Termin zwischen Schmid, Finanz-Generalsekretär, und Schipka, Bischofskonferenz, im Bundeskanzleramt um eine Auflistung aller steuerlichen Begünstigungen im Zusammenhang mit Religionsgemeinschaften gebeten hatte?
Worauf Krainer hinauswill: Er geht davon aus, dass Schmid die Kirche wegen der Steuerprivilegien unter Druck setzen wollte und sich vorher dazu Daten besorgt hat.
Wieder blitzt Krainer ab. Der Verfahrensrichter hält die Frage nicht für zulässig.
Krainer will nun generell diskutieren, wie hier im U-Ausschuss mit Fragen umgegangen werde. Es gibt eine Stehung.
Zur Erklärung: Die Zeit der Stehung wird nicht vom Kontingent abgerechnet, die Geschäftsordnungsdebatte schon. Deshalb fordert Krainer eine Stehung - damit keine Zeit verloren geht.
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Streit um Kirchen-Chats
Eine Geschäftsordnungsdebatte bricht los um das Thema der Kirchen-Chats. Sobotka sagt, dieses Thema liege außerhalb des Untersuchungszeitraums.
FPÖ-Mandatar Hafenecker weist darauf hin, dass die Kirchen-Chats schon bei anderen Befragungen Thema waren. Zudem werde die Zeit knapp - es sei zu befürchten, dass nicht mehr alle Fraktionen drankommen. Hafenecker bittet um eine zügige Entscheidung des Verfahrensrichters.
Stattdessen wird nun weiterdiskutiert.
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"Kann mich beim besten Willen nicht erinnern"
Krainer probiert es noch einmal: "Kann es sein, dass es bei dem Termin am 6. März 2018 mit Rothensteiner um Glücksspiel und die Bankenabgabe gegangen ist?"
Kurz sagt, er habe mit Rothensteiner immer wieder Kontakt gehabt, er könne sich beim besten Willen nicht im Detail daran erinnern und bittet um Verständnis, dass er nicht mehr weiß, worum es da ging.
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Spezialwerkzeug
Für besonders kniffelige Dokumente zieht U-Ausschuss-Vorsitzender Sobotka übrigens Spezialwerkzeug hervor: Er hat eine Leselupe mit Beleuchtung.
Untersucht wird eben genanntes eMail - die Frage ist, von wann es stammt. Krainer sagt, es wurde einen Tag vor dem Treffen Kurz-Rothensteiner geschickt. Sobotka sagt, es war im Mai, also danach.
Für eine "Einführung in forensische SMS-Analysen" habe er jetzt zu wenig Zeit, sagt Krainer, bietet Sobotka aber einen Privattermin an.
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Pizza oder Büro?
Krainer kommt nur nächsten Frage: Kennen Sie den Herrn Rothensteiner? Ja, sagt Kurz. Walter Rothensteiner war Chef des Aufsichtsrats der Casinos Austria AG und ist Beschuldigter im Ibiza-Verfahrenskomplex. Kurz erinnert sich, mit ihm immer wieder persönliche Termine gehabt zu haben - Mittagessen unter anderem. Das sei über die Jahre aber weniger geworden - aus Zeitmangel.
Krainer legt einen Kalendereintrag vom 6. März 2018 vor. Rothensteiner habe in der Woche Geburtstag gehabt, erklärt Kurz. Er erinnert sich auch an eine Geburtstagsfeier. An ein Mittagessen erinnere er sich aber nicht.
Im Kalender steht "Büro HBK" (HBK = Herr Bundeskanzler) als Ort. Kurz sagt aber, er habe meistens mit Rothensteiner in einer Pizzeria gegessen.
Auf konkrete Frage von Krainer sagt Kurz, er glaube nicht, dass er sich mit ihm über Glücksspielgesetze unterhalten habe. Es sei bei den Gesprächen meistens um die allgemeine politische Situation gegangen, Wirtschafts- und Geldpolitik gegangen. Rothensteiner ist auch Generalanwalt der Raiffeisen.
Krainer zitiert dann aus einem eMail, aus dem hervorgehen soll, dass es bei dem Termin um Glücksspiel und die Bankenabgabe gegangen sei.
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Keine Fragen zur früheren U-Ausschuss-Aussage
SPÖ-Krainer geht es aber um etwas anderes: Er spielte die Tonaufnahme vor, um zu begutachten, ob das tatsächlich der Moment war, in dem sich Kurz unter Druck gesetzt gefühlt habe. Kurz sagte ja, er sei aufs Glatteis geführt worden und man habe dann aus seiner Aussage eine Falschaussage konstruiert.
U-Ausschuss-Vorsitzender Sobotka lässt die Frage nicht zu - er schließt sich der Ansicht von Verfahrensrichter Pöschl an: Sie liege außerhalb des Untersuchungszeitraumes, zudem könnten die Tonaufnahmen Gegenstand des Ermittlungsverfahrens sein.
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Kurz darf sich entschlagen
Verfahrensrichter Pöschl stellt fest, dass aus dem Themenbereich Schmid/ÖBAG keine Fragen zulässig sind, weil gegen Kurz ermittelt wird. Kurz darf sich der Aussage entschlagen.
Zudem liege der Zeitpunkt, in dem Kurz die Falschaussage getätigt haben soll, außerhalb des Untersuchungszeitraums. Die Aussage war ja 2020, hier im U-Ausschuss.
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Rückblick auf die erste Aussage
Jetzt wird eine Tonaufnahme von der Befragung von Juni 2020 vorgespielt. Es geht um die Frage, ob Kurz bei Entscheidungen zur ÖBAG-Errichtung involviert war.
Kurz sagte damals, er sei eingebunden gewesen, weil das entsprechende Gesetz im Ministerrat beschlossen wurde. Bei der Frage, ob er bei Schmids Bestellung eingebunden war, sagte Kurz, er habe gewusst, dass Schmid sich für die Führung interessiert.
Eingebunden sei er gewesen im Sinne von "informiert". Hätte ihn jemand gefragt, ob er geeignet sei, dann hätte er gesagt, dass er ihn für qualifiziert gehalten habe.
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Es soll etwas vorgespielt werden
SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer will ein Audio-File vorspielen - darüber wird nun zwischen den Fraktionen diskutiert. ÖVP-Abgeordneter Andreas Hanger versteht nicht, warum Audio-Files vorgespielt werden müssen. Die Atmosphäre einer früheren Sitzung könne nicht ernsthaft Thema sein..
FPÖ-Fraktionschef Christian Hafenecker ärgert sich über die "Schmierenkomödie der ÖVP". Warum Schmierenkomödie? Hafenecker moniert, dass die ÖVP-Fraktion mit dem Kanzler seit Stunden "Ping Pong" spiele, sprich: Die Abgeordneten werfen rhetorische Hölzel und der Kanzler antwortet überbordend lange, um die Befragungszeit von vier Stunden herumzubringen.
Dem Drängen Hafeneckers, das Tondokument einfach vorzuspielen, wird nicht nachgegeben. Es folgt, was folgen muss: eine "Stehung", sprich: eine Geschäftsordnungsdebatte.
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Der Ausschuss ist keine Lesestunde
Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl weist nun auf ein "Problem" hin, das offenkundig ist: Das Protokoll jener Sitzung, in der Sebastian Kurz zum ersten Mal im U-Ausschuss ausgesagt hat, zählt 82 Seiten. Wenn also der Kanzler diese nun in der laufenden Sitzung durcharbeiten soll, dann befürchtet nicht nur Pöschl, dass keine Zeit mehr zum Antworten bzw. für Fragen bleibt. Die "Lösung" besteht nun darin, dass Kurz exemplarisch und anekdotenhaft beschreibt, warum er sich in der letzten Ausschuss-Sitzung unter Druck gesetzt gefühlt hat. Kurz berichtet also von "Zwischenrufen", Suggestivfragen und Kritik der Abgeordneten. Er vergleicht diese mit Einvernahmen bei der Justiz, die - im Unterschied zum U-Ausschuss - angenehmer und stressfreier waren, und die ohne Unterstellungen und Zynismus ausgekommen seien, wie Kurz meint.
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Kurz soll Protokoll durchackern
"Herzlich Willkommen im Untersuchungsausschuss", sagt SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer, der jetzt an der Reihe ist. Nach eineinhalb Stunden ist die (eher oberflächliche) Befragung durch ÖVP-Abgeordneten Fürlinger beendet. Jetzt ist die Opposition dran.
Krainer zitiert Kurz, der behauptet hatte, er sei bei seiner letzten Befragung unter Druck gesetzt worden. Er legt dem Kanzler das Protokoll vor und bittet ihn, die Stellen zu markieren, an denen er sich unter Druck gesetzt gefühlt habe.
Jetzt lesen Kurz und sein Anwalt Suppan das Protokoll der vierstündigen Vernehmung vom Juni 2020. Das dauert.
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Kurz hat zwei Handys
Fürlinger fragt, ob auch Übergangs-Kanzlerin Brigitte Bierlein ihre Daten geschreddert habe. Verfahrensrichter Pöschl greift ein - mit kleinem Seitenhieb: "Herr Abgeordneter Fürlinger, wir bewegen uns mit Ihren doch sehr allgemein gehaltenen Fragen schon etwas außerhalb des Untersuchungszeitraums."
Wie das bei Amtsübergaben bei Vorgängern oder Nachfolgern gehandhabt wird, wisse er nicht. Daten zu vernichten sei aber durchaus üblich, sagt Kurz.
Fürlinger fragt noch, welche Handys oder Geräte Kurz verwendet. "Die Zeit ist aus", sagt U-Ausschuss-Vorsitzender Wolfgang Sobotka.
Kurz darf aber noch antworten. Er habe ein Apple-Handy, dann ein zweites Gerät, das er verwende, wenn er einmal ein paar Stunden Freizeit haben möchte. Diese Nummer sei ausschließlich seinem Büro für Notfälle bekannt. Darüber hinaus arbeite er mit einem iPad.
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Die Schredder-Affäre
Fürlinger (ja, er ist immer noch dran), fragt den Kanzler jetzt zu seinen Wahrnehmungen zur Schredder-Affäre.
Zunächst erklärt Kurz, er fände es "höchst problematisch", dass der Mitarbeiter, der die Festplatten aus dem Bundeskanzleramt damals zur Firma Reißwolf gebracht hatte, bis heute in sozialen Medien gemobbt werde. Klar sei, der Mitarbeiter habe damals einen Fehler gemacht. Er habe die Rechnung nicht bezahlt und einen falschen Namen angegeben. Am Ende sei aber nichts herausgekommen - das Verfahren wurde eingestellt. Es sei eine "Unkultur", dass dies noch immer Gegenstand der politischen Debatte sei. "Von der Dimension her passt das hinten und vorne nicht zusammen.
Für seine Antwort brauchte Kurz übrigens gerade mehr als fünf Minuten.
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"Keine Institution ist sakrosankt"
Fürlinger fragt Kurz jetzt zum Thema Justiz. Kurz betont, er wolle die Justiz nicht pauschal kritisieren - das hielte er für falsch. Er hält es aber für genauso falsch, dass jede Kritik sofort abgewehrt werde. "Es gibt keine Institution, die sakrosankt ist."
Zu den Akteueren des internen Justiz-Streits:
Er wüsste nicht, dass er Johann Fuchs, Chef der Oberstaatsanwaltschaft Wien, je getroffen habe. Auch seine Kontakte mit Christian Pilnacek, suspendierter Sektionschef, seien rar gewesen. Er wüsste jedenfalls nicht, dass er je Informationen zum Ibiza-Verfahren bekommen, sagt Kurz.
Was die Soko Tape betrifft, wisse er, dass einige in dieser Ermittlergruppe eine Nähe zur ÖVP hätten. Er könne sich aber nicht erinnern, dass es da Kontakt gegeben hätte.
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Schindet die ÖVP gerade Zeit?
Mehr als eine Stunde ist nun im U-Ausschuss vergangen, und ÖVP-Abgeordneter Fürlinger ist immer noch an der Reihe mit seinen Fragen. Kurz antwortet sehr umfassend, fast ausschweifend. Unter den Anwesenden kommt der Verdacht auf, Kurz und Fürlinger schinden gemeinsam Zeit.
Zur Erklärung: Insgesamt darf die Befragung pro Auskunftsperson nur vier Stunden dauern. Jeder Abgeordnete hat für seine Fragen ein fixes Zeitkontingent, dann kommt der nächste dran.
Die Antwort der Auskunftsperson wird da aber nicht miteingerechnet.
Heißt: Je knapper Fürlinger seine Fragen formuliert, desto mehr Fragen kann er stellen, desto mehr Themen kann er anschneiden.
Und je länger Kurz antwortet, desto weniger Zeit bleibt für die Fragen der anderen Abgeordneten - etwa jene der Opposition.
Jetzt gerade geht es zum Beispiel umständlich um die Frage, wie Führungspositionen von einer Regierung ausgewählt, diskutiert, abgestimmt werden.
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"Froh, wenn Minister selbstständig entscheiden"
Nun kommen wir dem Thema Schmid näher: Kurz wird gefragt, inwieweit er bei Personalentscheidungen eingebunden sei.
Kurz erklärt: Bei Dingen, die vorab fixiert werden, sei man natürlich involviert, sagt Kurz. Aber wenn die Dinge einmal laufen, sei man als Kanzler froh, wenn man sich nicht mehr einmischen muss, wenn die zuständigen Minister selbstständig agieren. "Weil man ja über jede Arbeitsbelastung, die einen nicht trifft, froh ist."
Was stimmt: Vieles werde im Ministerrat beschlossen - aber ohne dass man als Kanzler vorher im Detail informiert ist.
Es gebe Minister, zum Beispiel Leonore Gewessler, die nie groß mit ihm über Personalentscheidungen gesprochen habe. Dann gibt es andere, die seine Meinung erfragen wollen. "Es ist sehr unterschiedlich je nach den Ministern und je nach den Personen, über die entschieden wird."
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"Karriere mit grünem Background"
Zur Frage nach parteipolitischen Besetzungen - etwa bei Aufsichtsräten - weist er darauf hin, dass das bei den Grünen jetzt ja nicht anders sei: In sehr, sehr vielen Fällen würde auf Personen zurückgegriffen, die derjenigen Partei bekannt sind oder wo es eine starke Vertrauensbasis gibt. Derzeit würden immer mehr Menschen "mit einem grünen Background Karriere machen".
Zudem gebe es in jeder Regierung Vereinbarungen zu Nominierungsrechten, weil das System sonst nicht funktionieren würde. Beim Verfassungsgerichtshof werde etwa einstimmig im Ministerrat beschlossen, wer Richter oder Präsident wird. Dass alle für den gleichen Namen stimmen, sei ja nicht zufällig. So etwas werde vorher besprochen und vereinbart. "So war es vorher bei der FPÖ und so ist es jetzt bei den Grünen."
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"Der müsste ein fester Trottel sein"
Fürlinger fragt noch einmal nach, ob er Wahrnehmungen einer "Käuflichkeit" habe.
Kurz weist darauf hin, dass es bei den Vorwürfen, die zuletzt erhoben wurden, ja nicht darum gehe, dass sich jemand persönlich bereichert habe, sondern es sei um Spenden an die ÖVP gegangen.
"Dass jemand das Risiko eingeht, sein Leben wegzuwerfen, seine Partner und seine Familie aus dem Gefängnis anschauen zu müssen, nur damit die Volkspartei eine Spende bekommt, ohne, dass er selbst etwas davon hat? Der müsste schon ein fester Trottel sein", sagt Kurz.
Derlei Gedanken seien für ihn "an Absurdität nicht zu überbieten".
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Hofer gut, Kickl konfrontativ
Mit Hofer, damals Infrastrukturminister, habe er auch eine gute Zusammenarbeit gepflogen. Mit Kickl, damals Innenminister, sei der Umgang "manchmal etwas konfrontativer" gewesen.
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Der Abend des Ibiza-Videos
Klaus Fürlinger, ÖVP-Abgeordneter, möchte vom Kanzler wissen, wie es ihm damals, als das Ibiza-Video erschien, gegangen sei und mit wem er darüber gesprochen habe.
Kurz weist darauf hin, dass er das bereits bei seinem ersten Auftritt im U-Ausschuss erzählt hat. Er war bei seiner Oma, die krank war, als der damalige FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache ihn treffen wollte. Strache erzählte ihm, dass es Recherchen gibt - er habe aber das Gefühl gehabt, dass auch Strache damals nicht recht wusste, was auf ihn zukommt.
Das Video sah er damals an jenem Freitagabend und sei schockiert gewesen. Es gab dann Gespräche mit Vertretern der ÖVP, aber auch der FPÖ - etwa mit Strache und dem damaligen Minister Norbert Hofer. Mit Hofer habe er noch vor der Veröffentlichung gesprochen, aber auch dieser wusste nichts.
Fürlinger fragt nach, ob es Hinweise gab, woher das Video kommt, wer der Auftraggeber war?
Kurz sagt, er habe den Eindruck, dass einige Leute das Video deutlich früher gesehen haben, Kontakte zu den Machern hatten. Kurz selbst hat den Verdacht öffentlich gemacht, dass ein früherer Stratege der SPÖ dahinterstecken könnte.
Ob Gerüchte, wonach Johann Gudenus dahinterstecken würde, stimmen, wisse er nicht. Es würde ihn sehr wundern, da Gudenus ja immer gut verwoben in der FPÖ und mit vielen befreundet war.
Die Zusammenarbeit mit der FPÖ habe "gut funktioniert", sagt Kurz, er hatte vor allem mit Strache, Hofer und Kickl Kontakt. Es gab eine Sechser-Runde, die sich immer wieder traf. Die Atmosphäre sei gut gewesen. Dass er sich mit Strache gut versteht, habe man ja auch in den SMS zwischen ihm und Strache gesehen, die "dankenswerterweise" veröffentlicht wurden, fügt er ironisch hinzu.
Kurzum: Das Verhältnis zu Strache sei gut gewesen.
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Keine Gegenleistung für Prikraf
Als nächstes fragt Pöschl nach der Spende eines Privatklinikbetreibers von 50.000 Euro in zwei Tranchen, eine im Dezember 2017, eine im Juni 2018. Dann hat es eine Änderung des Privatkrankenanstaltenfonds (Prifkraf) gegeben.
Ob er hier nicht einen Zusammenhang sieht? Kurz sagt, er könne sich "beim besten Willen nicht vorstellen,d ass hier jemals eine Gegenleistung angedacht oder eingefordert wurde". ÖVP-Spender müssten sogar unterschreiben, dass sie sich keine Gegenleistung erwarten.
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Gegenleistung für Spende? "Würde ihn bei der Tür hinauswerfen"
Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl beginnt mit der Befragung: Es geht um mögliche Gegenleistungen für Spenden.
Pöschl legt Kurz das SMS des früheren Novomatic-Chefs Harald Neumann an Gernot Blümel vor. Wir erinnern uns, es ging um eine "Spende" und ein "Problem in Italien", Neumann wollte einen "Termin mit Kurz".
Kurz betont, er habe keine Spende der Novomatic angenommen. "Ich kann auch ausschließen, dass ich Herrn Graf (Novomatic-Gründer, Anm.) getroffen habe."
Ob er Erfahrungen damit gemacht habe, dass sich Geschenkgeber von der ÖVP Vorteile erwartet haben?
"Hätte Novomatic mir eine Spende angeboten, hätte ich sie dankend abgelehnt", sagt Kurz. Es gibt die Vereinbarung, dass die ÖVP keine Spenden von Glücksspielunternehmen nimmt.
Und er fügt ganz grundsätzlich hinzu: "Wenn jemand sagt, er spendet und will etwas dafür, würde ich ihn bei der Tür hinauswerfen."
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Kurz ortet "Ablehnung und Hass"
In seinem Eingangsstatement geht Kurz auch gleich auf seine Kritik am U-Ausschuss ein. Es gehe dort oft nicht um die Wahrheit, sondern um Skandalisierung und um ein schlecht machen des politischen Mitbewerbers. Er mache sich Sorgen um die politische Kultur in diesem Land. Es dominiere hier "offene Ablehnung und echter Hass".
Der U-Ausschuss sei grundsätzlich ein wichtiges Kontrollgremium. Daher sei es sinnvoll, so Kurz, die Arbeit des U-Ausschusses zu reformieren.
Das vergangene Jahr habe ihn geprägt, sagt Kurz. Er habe bei seiner Aussage im Juni 2020 versucht, alle Fragen mit bestem Wissen und Gewissen zu beantworten. Vieles liege aber Jahre zurück oder gar nicht in seinem Einflussbereich. Er habe heute einen Anwalt mitgebracht, sagt er mit Verweis auf Werner Suppan, der als Vertrauensperson neben ihn sitzt. Damit will er verhindern, dass ihm aus neuen Aussagen "kein Strick gedreht wird". Er werde auch von seinem Recht auf Entschlagung Gebrauch machen. "Diese Möglichkeit haben Sie mir mit ihren Anzeigen beschert", sagt er in die Runde der Abgeordneten.
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Es geht los, der Kanzler wird befragt
Die zweite Befragung von Kanzler Sebastian Kurz hat begonnen. Es läuft gerade die Belehrung durch Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl.
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Hafenecker ortet ein "perfides Spiel" der ÖVP
Christian Hafenecker, Fraktionsführer der FPÖ, widerspricht Hanger, dass der U-Ausschuss keine neuen Erkenntnisse geliefert hat. Die ÖVP betreibe ein "perfides Spiel". Fest macht Hafenecker das unter anderem an der Tatsache, dass Sebastian Kurz Werner Suppan als Vertrauensperson in den U-Ausschuss mitnimmt. Suppan ist ÖVP-Anwalt und Ersatzmitglied im Verfassungsgerichtshof - und genau darin sieht Hafenecker ein Problem: "Als Verfassungsrichter entscheidet Suppan mit darüber, welche Unterlagen wir als U-Ausschuss bekommen." Für Hafenecker ist Suppan befangen. Es sei aber schwer möglich gewesen, den Anwalt nicht als Vertrauensperson zuzulassen. "Denn hätte der U-Ausschuss das gemacht, hätte man ein Präjudiz geschaffen." Damit meint Hafenecker, dass ein Ablehnen Suppans durch den U-Ausschuss dazu geführt hätte, dass auch die Auskunftsperson - also Kurz - nicht im U-Ausschuss aussagen muss. Damit hätte laut Hafenecker jede Person in Zukunft die Möglichkeit, mit Suppan oder einer anderen, vom U-Ausschuss abzulehnenden Person eine Aussage zu vermeiden. Und das wiederum wollten insbesondere die Oppositionsparteien im U-Ausschuss nicht zulassen. Für Hafenecker hat der Kanzler bei seiner ersten Aussage im U-Ausschuss klar falsch ausgesagt, weil er seine Rolle bei der Bestellung von Thomas Schmid zum Chef der ÖBAG bewusst kleingeredet habe.
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Ein Psychiater für Kai Jan Krainer
Für Andreas Hanger, den Fraktionsführer der ÖVP, geht es zuvorderst darum, die Problematik des Datenschutzes zu thematisieren. "Es kann nicht sein, dass jedermann in Österreich fürchten muss, dass private Kommunikation im U-Ausschuss landet", sagt Hanger. Besonders scharf attackiert Hanger SPÖ-Mann Krainer. Dieser sei "eine Schande für den Parlamentarismus", weil er, Krainer, unterstelle, dass Hanger eine anonyme Anzeige eingebracht habe, um dem Kanzler und Parteifreund Entschlagungsgründe zu liefern. Die Anzeige komme nicht von ihm", sagt Hanger. "Ich empfehle dem Abgeordneten Krainer, einen Psychiater aufzusuchen."
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Neos: Slim Fit statt T-Shirt macht den Stil nicht besser
"Kurz hat nicht die Wahrheit gesagt, deshalb wird er wieder befragt", sagt Stephanie Krisper, Fraktionsführerin der Neos. Die Akten des Kanzleramts seien erst nach Aufforderung des Verfassungsgerichtshofs vorgelegt worden. "Den beruflichen Kalender des Kanzlers haben wir bis heute nicht", kritisiert sie. "Kurz war mittendrin statt nur dabei (bei der Entscheidung über den ÖBAG-Vorstand, Anm.)", sagt Krisper. "Wir würden heute gerne von ihm wissen, warum er das getan hat. Nur weil man Slim Fit Anzüge statt einem T-Shirt trägt, wird der Stil nicht besser. Ich bin gespannt, ob sich Kurz besinnt."
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Grüne Tomaselli: "Blümels Art ist nicht gut angekommen"
"Ich hoffe, dass es heute keine Entschlagungsorgie gibt", sagt die Fraktionsführerin der Grünen, Nina Tomaselli. Sie hofft, dass Sebastian Kurz sein Wort hält und zur Aufklärung beiträgt. "Denn die Art von Gernot Blümel (er hat sich bei seiner Befragung vielfach entschlagen, Anm.) ist nicht gut angekommen. Weder im Parlament noch draußen bei den Bürgern."
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"Wir haben einen Insider zu Gast", sagt SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer zur Befragung von Sebastian Kurz. Krainer wiederholt die These, dass der heute zur Befragung geladene ÖVP-Chef einen "Staat im Staat" aufgebaut hat. "Das hat den U-Ausschuss maßgeblich beeinflusst und verändert." Krainer berichtet von einem Gerücht: Er sagt, dass ein anonymer Anzeiger vor wenigen Tagen Kurz wegen "Nötigung der Kirche" angezeigt haben soll. Der Zweck laut Krainer: Kurz soll eine Entschlagungsmöglichkeit bei den Chats gegeben werden, in denen sich ÖBAG-Chef Thomas Schmid und Kurz abschätzig über ein Treffen mit Peter Schipka von der Bischofskonferenz geäußert haben.
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Der Kanzler im Finale
Der KURIER hat im Untersuchungsausschuss bereits Stellung bezogen, wir berichten Live. Es starten die Eingangsstatements, Kai Jan Krainer legt los.
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