Elefantenrunde: Mehr als eine Million TV-Zuseher

Runde der "Elefanten" im ORF
Politiker als Publikumsrenner: Dieser Wahlkampf hatte auf allen Medienkanälen auffallend gute Quoten.

Politik-Verdrossenheit? Demokratie-Fadesse? Zumindest, was den Hofburg-Wahlkampf angeht, kann von alledem nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Die abschließende sogenannte "Elefantenrunde" im ORF konnte die Millionen-Grenze durchbrechen. Laut Angaben des öffentlich-rechtlichen Senders waren am Donnerstagabend im Schnitt 1,036 Millionen Zuseher vor den Fernsehgeräten, bei einem fulminanten Marktanteil von 39 Prozent. Auch die Quoten für die nachfolgende "ZiB 2" ließen keinen nennenswerten Zuschauerschwund erkennen. Im Schnitt wollten 1,033 Millionen auch die Analysen und Nachberichte sehen (Marktanteil: 45 Prozent).

Der Trend ließ sich bereits davor im Wahlkampf beobachten: Sowohl der staatliche ORF als auch die privaten Fernsehsender puls4 und ATV konnten bei den speziell für die Wahl zum Bundespräsidenten produzierten Sendungen zum Teil bemerkenswerte Quoten verzeichnen – obwohl oder vielleicht gerade weil sie gänzlich neue Sendungsformate probierten.

Speed Dating

Ein plastisches Beispiel war "Die 2 im Gespräch", eine Art "politisches Speed Dating" . Zehn Duelle zu je 15 Minuten, dazwischen kurze Analyse-Runden: Österreichs Wählern gefiel das neue Format offenbar sehr gut. Zu Spitzenzeiten sahen bis zu 980.000 Seher zu, im Schnitt waren es 870.000. Mit der ersten Elefantenrunde überhaupt konnte der vergleichsweise kleine Privatsender puls4 im Wahlkampf nicht nur einen organisatorischen Achtungserfolg landen. Mit 381.000 Sehern waren auch auffallend viele Wähler mit von der Partie.Bei der "ORF-Wahlfahrt", scheint das Publikumsinteresse die derzeit wahrscheinlichste Stichwahl bereits zum Teil vorwegzunehmen. Denn mit mehr als einer halben Million Zuschauern ist die Paarung Van der Bellen / Hofer jene, die mit Abstand das größte Interesse bei den Wählern hervorgerufen hat. Ein Phänomen, das auch bei den ATV-Einzelinterviews "Im Klartext" zu beobachten war: Auch hier haben die Sendungen mit Van der Bellen und Hofer die Top-Quoten. Ein weiteres Indiz, dass die Österreicher Lust auf politische Nachrichten im Fernsehen haben ist dieses: Nach dem Nachrichtensender N24, der im Mai auf Sendung geht, soll demnächst mit "4 News" ein auf Nachrichten spezialisierter Schwester-Sender von puls4 on air gehen.

Professionelle Polit-Beobachter waren sich schon nach dem Duell-Marathon einig: "Siegerin" auf den Bildschirmen der Nation ist diesmal jene Kandidatin, für die Politik und Wahlkampf totales Neuland waren. Mit klaren Botschaften suchte Irmgard Griss auch bei der finalen "Elefanten"-Runde zu punkten: Als Antwort auf zunehmende "Polarisierung" und drohenden "Lagerwahlkampf zwischen Blau und Grün. Das ist das letzte, was Österreich jetzt brauchen kann". Das war Agenda-Setting fürs Politiker-Lehrbuch. Für die KURIER-Jury positionierte sich Griss so einmal mehr als Nummer eins: "Wach und frisch". Die frühere Richterin hat die TV-Arena – ob auf Puls4, ATV oder im ORF – alles in allem am meisten zu ihren Gunsten genutzt. Und damit ihr Hauptmanko wettgemacht, weniger Geld als alle anderen für einen klassischen Wahlkampf mit Plakaten und Inseraten zu haben.

Selbstverleugner & Elefant im Porzellanladen

Wer abseits von Griss am TV-Schirm zudem am meisten brillierte? Da bleibt einmal als offene Frage: Hofer vor Van der Bellen oder doch vice versa? Bemüht staatstragend der Ex-Grünen-Chef - aber bis an die Grenze der Selbstverleugnung. ORF-Frage: Was würde er als Präsident zum Asylgesetz sagen? "Ich glaube nicht, dass man zu allem etwa sagen muss." Freundlich im Ton, aber hartherzig in der Sache Norbert Hofer. ORF-Frage: Was würde er als Präsident angesichts 500 Flüchtlingen, die neuerlich im Mittelmeer ertrunken sind, sagen? "Merkel hat das mit verursacht." Einig waren sich zu Recht bislang alle Polit-Analysten: Andreas Khol lief, wann immer er einer Kamera oder eines Mikrofons ansichtig wurde, zunehmend zu alter Form auf: Intellektuell und rhetorisch hochspannend, bei Sympathie aber mit reichlich Luft nach oben. Die "Elefanten"-Runde nahm er zu wörtlich und benahm sich zeitweilig wie ein Dickhäuter im Porzellanladen: Aggressiv ausgerechnet gegenüber den beiden einzigen Frauen am Tisch, Moderatorin Ingrid Thurnher ("Lernen Sie Verfassung") und seiner größten Konkurrentin, Irmgard Griss.

Kein Highlight im Finale der Superlative

Rudolf Hundstorfer brachte einmal mehr seine Atouts, Leutseligkeit und Kraft aus der Ruhe, nicht von der Straße auf den Bildschirm. Und landete den unfreiwilligen Lacher des Abends bei Mitdiskutanten und Publikum: Er habe als Minister viele Jobs neu besetzen gehabt, aber "ich habe von niemanden das Parteibuch gewusst". Die "Elefanten"-Runde stand zwar am Ende, war aber nicht das Highlight eines intensiven TV-Wahlkampfs. Wer immer am Sonntag zur Nr. 1 und 2 für die Stichwahl ausgerufen wird, eines steht bereits fest: Noch nie blieben die Hauptplätze und großen Säle des Landes in einem Wahlkampf so menschenleer. Noch nie spielten Medien – von TV über Print bis Internet – bei einer politischen Entscheidung eine so große Rolle: Die Hofburgwahl 2016 wurde im Wohnzimmer entschieden.

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