Elefantenrunde: Welche Kandidaten überzeugten

Elefantenrunde: Welche Kandidaten überzeugten
Polit-Experten Sengl und Bachmayer analysieren die Elefantenrunde.

Es war der abschließende Höhepunkt des wohl aufwändigsten Medien-Wahlkampfs um die Bundespräsidentschaft, das letzte Aufeinandertreffen aller Kandidaten: Donnerstagabend traten die sechs zur Wahl stehenden Bewerber für das Amt in der Hofburg noch ein letztes Mal gegeneinander an – der ORF lud zur sogenannten Elefantenrunde.

TV-Duell kann ausschlaggebend sein

Die ORF-Diskussion am Donnerstag war nicht für alle Kandidaten gleich wichtig. Sämtliche Meinungsforscher des Landes sind sich einig, dass Richard Lugner, Andreas Khol und Rudolf Hundstorfer keine Chance mehr haben, in die Stichwahl zu gelangen. Hingegen könnte die Elefantenrunde entscheidend für das in den Umfragen führende Trio sein: Welche zwei von den drei Kandidaten – Irmgard Griss, Norbert Hofer, Alexander Van der Bellen – bekommen einen der begehrten Startplätze für die Stichwahl am 22. Mai? Das Rennen insbesondere zwischen Griss und Van der Bellen ist sehr knapp, es gibt auch noch eine Gruppe von Wählern, die zwischen diesen beiden Personen unentschlossen ist – da kann ein TV-Duell ausschlaggebend sein.

Polit-Experten bewerten die Kandidaten

Für den KURIER haben die Politik-Experten Wolfgang Bachmayer und Stefan Sengl die sechs Kandidaten beobachtet und bewertet: deren Rhetorik, Auftreten, Überzeugungskraft, Sympathie. OGM-Chef Bachmayer erforscht für den KURIER seit Jahren die Stimmungslage im Land. Sengl ist Partner der PR-Agentur „The Skills Group“ und hat die Wahlkampagne des amtierenden Bundespräsidenten Heinz Fischer konzipiert und koordiniert.

Irmgard Griss: "Sie hob sich wohltuend ab"

Auftreten: "Das helle Kleid hat sich wohltuend von dem Grau in Grau der anderen Kandidaten abgehoben", sagt OGM-Chef Wolfgang Bachmayer. PR-Experte Stefan Sengl lobt Griss’ Mimik: "Sie blieb immer freundlich, auch wenn sie gerade nicht sprach, wirkte frisch und wach." Ein wichtiger Kunstgriff: Griss hat wieder versucht, das im Bewusstsein der Wähler verankerte Bild eines männlichen Amtsinhabers aufzubrechen, indem sie konsequent den Terminus "Bundespräsident und Bundespräsidentin" verwendet hat.

Entscheidender Moment: Beide Beobachter sehen bei Griss gleich zu Beginn den wichtigsten Moment: "Sie hat sofort versucht, sich als verbindende Bundespräsidentin zu zeigen, indem sie gegen die Polarisierung in der Gesellschaft argumentiert hat", sagt Sengl. Die Botschaft, dass Österreich keinen Lagerwahlkampf brauche, sei klar gesetzt.

Gesamteindruck: "Sie hat die Richterrobe abgelegt und sich als wählbare Alternative angeboten", sagt Bachmayer.

Manchmal blitzt der "andere Hofer" durch

Auftreten: "Er hat durchgezogen, was er wollte – und das in knappen Worten, mit klaren Botschaften", urteilt Bachmayer. "Hofer startete wenige Angriffe – wenn überhaupt, dann auf Van der Bellen." Auch Sengl attestiert dem FPÖ-Kandidaten, er habe "strategisch klug" gehandelt, indem er sich nicht an komplexen Debatten beteiligt, sondern "das FP-Potenzial unaggressiv ausgeschöpft" hat.

Entscheidender Moment: ",Österreicher zuerst’, das war sein bester Satz", sagt Bachmayer.

Gesamteindruck: Der vergleichsweise spät im Wahlkampf präsentierte Kandidat der Freiheitlichen konnte aus einer vermeintlichen Schwäche, nämlich mangelnder TV-Routine und Präsenz, eine Stärke machen. Er präsentierte sich auch Donnerstagabend weitgehend ruhig und konziliant – allerdings blitzte manchmal der "andere" Hofer durch: "Sie werden sich noch wundern, was einem Bundespräsidenten alles möglich ist", lautete seine verdeckte Andeutung, dass Hofer das Amt nicht zurückhaltend ausüben würde.

Hundstrofer: Wenn trommelnde Finger alles sagen

Auftreten: Rudolf Hundstorfer ließ sich wieder anmerken, dass er das Ende des Wahlkampfs herbeisehnt. "War er nicht am Wort, hat er signalisiert, dass er sich nicht wohl fühlt", sagt Stefan Sengl. Der Ex-Minister trommelte mit den Fingern ungeduldig auf das Stehpult, drehte an seinem Ehe-Ring.

Entscheidender Moment: Als der frühere Sozialminister zum vorher angesprochenen Thema Parteibuchwirtschaft sprechen will und beteuert, er wisse nicht, welcher Partei die Sektionschefs in seinem früheren Ministerium angehört hätten, beginnen Zuschauer im Saal zu lachen – er ist spürbar in der Defensive. "Der Umstand, dass ihm das im Studio niemand geglaubt hat, hat den Moment entschieden", sagt Bachmayer.

Gesamteindruck: Hundstorfer hat zwar wichtige Themen angesprochen und Stichworte wie "soziale Sicherheit" oder "Bildung“"platziert. Sengl: "Das strategische Problem war, dass es bei den Überschriften blieb, und er nicht genau gesagt hat, was er ändern will."

Khol: "Angriffe auf Frauen kommen nicht gut"

Auftreten: "Im Unterschied zu Hundstorfer hat er nicht aufgegeben, er wirkte nicht resignativ", lobt Bachmayer. Auch Sengl sagt: "Khol hat gewirkt wie ein Fighter bis zum Schluss." Das angriffige Auftreten in der Elefantenrunde mag der Versuch einer letzten Attacke gewesen sein, liegt Khol doch seit Wochen in den Umfragen weit zurück. Doch die Offensive ging manchmal zu weit.

Entscheidender Moment: "Lernen Sie Verfassung!", warf Khol der Moderatorin an den Kopf. "Da wollte er offenbar witzig sein und Kreisky erwähnen", sagt Sengl. "„Das versteht aber niemand." Das Original-Zitat des SPÖ-Kanzlers "Lernen Sie Geschichte, Herr Redakteur!" sei nicht jedem geläufig. Dazu kommt: "Frauen angreifen ist in so einer Debatte zweischneidig", sagt Sengl. "Gerade das Staatsoberhaupt sollte ein Gentleman sein." Bachmayers Urteil: "Khol wirkte wie ein Oberlehrer, der Verfassungsseminare abhält."

Gesamteindruck: Die Schlussoffensive schoss mitunter über das Ziel hinaus.

Van der Bellen: Solide Performance mit einem Fehler

Auftreten: Routiniert, professionell – aber ohne Überraschungen: Alexander Van der Bellen hat die TV-Debatten und -Sendungen bislang für seine Zwecke nutzen können, und das blieb auch am Donnerstagabend so. "Allein seine Mimik ist bisweilen etwa zu grimmig", sagt Kampagnen-Experte Stefan Sengl.

Entscheidender Moment: Als Van der Bellen gefragt wird, ob er bei der Angelobung des neuen Innenministers etwas zur Asylpolitik gesagt hätte, antwortet der Ex-Chef der Grünen mit Nein – das sei Tagespolitik. Sowohl Sengl als auch Bachmayer bewerten das eher als Fehler. Warum? Griss konnte sofort einhaken und festhalten, dass "Asyl ein grundsätzliches Thema ist". Bachmayer: "Das hätte eigentlich Van der Bellen selbst sagen müssen."

Gesamteindruck: "Van der Bellen versucht, den Heinz Fischer zu machen, indem er sich als zurückhaltender Bundespräsident präsentiert", sagt Sengl. "Er wirkte vermittelnd, abwägend und überlegt – wie man eben in der Pole Position agiert", sagt OGM-Chef Bachmayer.

Lugner: Außenseiter mit Unterhaltungswert

Auftreten: Stefan Sengl ist erstaunt: "Hat Lugner etwas mit seinen Haaren gemacht? Es sieht so aus, als ob es mehr geworden wären." Der Auftritt des Baumeisters gelang nicht schlecht: "Er hat überrascht", sagt Bachmayer, "es gab eine niedrige Erwartungshaltung, und er hat gepunktet." Sengl sagt: "Er war nicht peinlich, damit hat er gewonnen."

Entscheidender Moment: Als Oberbefehlshaber wäre er gegen die Ausweitung der Wehrpflicht, sagte Lugner: "Frauen sollen nicht zum Bundesheer, die haben Kinder zu kriegen." Damit, sagt Bachmayer, "hat er eine Botschaft angebracht, mit der er sicher Stimmen gewonnen hat – nicht verloren".

Gesamteindruck: Lugner, der sich im Wahlkampf selbst als "Kasperl" titulierte, lieferte einzelne Sager und legte in der Elefantenrunde nicht den schlechtesten Auftritt hin. Sengl: "er hat Fangfragen geschickt pariert, und mit seiner Rolle als Kaufmann kokettiert, indem er die Botschaft brachte: Ich würd’ euch als Präsident 500.000 Euro sparen."

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