Eine Unbequeme geht, Häupl baut Team um

Michael Häupl, Sonja Wehsely
Nach monatelangem Streit gibt es erste personelle Konsequenzen. Der Rücktritt von Sonja Wehsely überrascht kaum. Bei der Suche nach dem Nachfolger bleibt Häupl nicht viel Zeit.

Das Szenario war einigermaßen skurril. Gute 20 Minuten referierte Sonja Wehsely Freitag vor Journalisten über Projekte ihrer zehnjährigen Amtszeit als Gesundheits- und Sozialstadträtin.

Erst dann verkündete sie offiziell, was ohnehin schon bekannt war: ihren Rücktritt. Ab 1. April übernimmt sie einen Führungsposten bei Siemens Healthcare in Erlangen, Deutschland.

Dem ersten Rücktritt einer Stadträtin seit Grete Laska 2009 waren monatelange Kämpfe in der SPÖ vorangegangen. Auf der einen Seite Sonja Wehsely, die als Vertreterin der Innenstadtbezirke für ihre offene Haltung in der Flüchtlingsfrage bekannt ist.

Auf der anderen Seite Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, Vertreter der Außenbezirke, die aus Sorge vor weiteren FPÖ-Zuwächsen auf eine Änderung der Parteilinie pochten. Kaum eine Woche, in der sich die zwei Lager nicht öffentlich stritten. Höhepunkt war die Rücktrittsaufforderung des Simmeringer Bezirksparteichefs Harald Troch an Wehsely, Renate Brauner und Sandra Frauenberger.

Negativ-Schlagzeilen

Angriffsflächen bot Wehsely einige: Die Baustelle Krankenhaus Nord, der Streit mit den Ärzten und die von Wehsely angestoßene Debatte über eine Ausgliederung der Wiener Spitäler. "Es gab Dinge zu tun, für die einem nicht unbedingt die Herzen zufliegen", sagt sie rückblickend.

Die wohl schwerste Niederlage Wehselys war eine politische. 2016 verlor sie als Bezirksparteiobfrau der Leopoldstadt die Wahlwiederholung und damit den Bezirksvorsteher an die Grünen.

Spätestens ab dem Zeitpunkt war sie parteiintern schwer unter Druck. Nun zog sie die Reißleine.

Sie selbst habe schon vor Monaten die Entscheidung zum Rückzug aus der Politik getroffen, betont Wehsely: "Nach zehn Jahren als Stadträtin kam der Zeitpunkt, nachzudenken, was der nächste Schritt ist."

Porträt: Eine resolute Kämpferin gibt sich geschlagen

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VERHANDLUNGEN ÜBER MINDESTSICHERUNG IM SOZIALMINIS

Bürgermeister Michael Häupl habe sie erst Freitagvormittag von ihrem Schritt informiert. Er habe ihr versichert, nicht geplant zu haben, sie abzulösen.

"Ich habe vollstes Verständnis für die Entscheidung, nach 13 Jahren in der Wiener Stadtpolitik neue Herausforderungen anzunehmen", sagt Häupl.

Dass Wehsely gern Bürgermeisterin geworden wäre, verhehlt sie nicht. "Das ist der tollste Job, den es in Österreich gibt." Sie habe sich aber entschieden, nicht in diese Auseinandersetzung einzusteigen. Ihr Kritiker Troch gab sich am Freitag versöhnlich: Ihr Rücktritt sei "ein vernünftiger Schritt, der in der Spitalspolitik den Weg für konsensorientierte Lösungen frei macht".

Dass ihr Wechsel zu einem Gesundheitskonzern, der unter anderem im Krankenhauses Nord tätig ist, mit ihrer bisherigen Funktion unvereinbar ist, bestreitet Wehsely: "Dieser Vorwurf ist eine Chuzpe. Immer wieder wird ein Austausch zwischen Politik und Wirtschaft gefordert. Wenn er dann gemacht wird, passt es auch nicht."

Stadtrat gesucht

Über Wehselys Nachfolge wird laut Häupl bei der Vorstandstagung der Wiener SPÖ kommende Woche entschieden. Auf den neuen Stadtrat wartet eine Mammut-Aufgabe: Das Krankenhaus Nord, das Gangbetten-Chaos und frustrierte Ärzte.

Dazu soll demnächst die Entscheidung über eine Ausgliederung der Gemeindespitäler fallen. Ein Vorhaben, gegen das die mächtige Gewerkschaft bereits Widerstand geäußert hatte. Auch die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou hatte zuletzt im KURIER-Interview ihre Skepsis angemeldet.

Hinzu gerät Wien in Sachen Mindestsicherung heftig unter Druck. Nachdem andere Bundesländer ihre Regelungen verschärft haben, drohen immer mehr Anspruchsberechtigte nach Wien zu kommen. Die Ausgaben sind bereits enorm gestiegen.

Immer wieder fiel in Parteikreisen der Name Peter Hacker. Wenig überraschend, machte sich doch Hacker einen Namen als Flüchtlingskoordinator und Chef des Fonds Soziales Wien. Allerdings muss Häupl auf die Frauenquote achten. Der rote Parteichef wird am Wochenende noch viele Gespräche führen müssen.

Dass sie Konflikten gerne aus dem Weg geht, kann man Sonja Wehsely nicht gerade nachsagen. Ihre zehnjährige Amtszeit als Wiener Gesundheits- und Sozialstadträtin war geprägt von tief greifenden Reformen (zum Beispiel das Wiener Spitalskonzept 2030), aber auch von heftigsten Kontroversen. Etwa zuletzt der Dauerstreit mit der Ärztekammer um die Arbeitszeiten in den Spitälern, der im Herbst in einem Ärztestreik gipfelte.

Wehsely selbst spricht rückblickend von "notwendigen Entscheidungen – auch wenn dabei nicht alle die Welle machten. Denn Stillstand bedeutet Rückschritt". Eine Politik des Drüberfahrens nennen das hingegen ihre zahlreichen Kritiker.

Lange als Kandidatin für höhere politische Weihen gehandelt, konnte sich die dem linken Parteiflügel zugeordnete Wehsely letztlich im Richtungsstreit innerhalb der Wiener SPÖ nicht durchsetzen. Dieser war im vergangenen Herbst in ungewohnter Heftigkeit ausgebrochen.

Rascher Aufstieg

Dabei hatte sich die am 19. März 1970 geborene Juristin parteiintern eine durchaus solide Machtbasis aufgebaut, die auch auf familiären Beziehungen beruht. Ihr Lebensgefährte ist Andreas Schieder, SPÖ-Klubobmann im Nationalrat. Mit ihm hat sie einen gemeinsamen Sohn. Ihre jüngere Schwester, Tanja, ist Abgeordnete im Wiener Landtag.

Wehselys eigene Politkarriere begann bereits mit 14 Jahren in der Sozialistischen Jugend (SJ). Ihr Aufstieg in der Partei verlief rasch: Nach ihrem Vorsitz der Wiener SJ (1992 und 1993) war sie von 1993 bis 1996 Bezirksrätin, danach wechselte sie mit nur 26 Jahren in den Wiener Landtag.

2004 wurde die Leopoldstädterin Frauen-Stadträtin, 2007 Sozial- und Gesundheitsstadträtin. In dieser Funktion folgte sie Renate Brauner (heute Chefin des Finanzressorts), als deren enge Vertraute sie bis zuletzt galt.

Bevor sie als Stadträtin komplett in die Politik wechselte, arbeitete die passionierte Läuferin als Prokuristin in der Wiener Städtischen Versicherung.

Seit 2013 ist Wehsely auch Vorsitzende der SPÖ-Leopoldstadt, die bei der Wahlwiederholung im September überraschend den Bezirksvorsteher an die Grünen verlor.

Mentorin Ederer

Eine ihrer wichtigsten Mentorinnen von frühester Jugend an war Brigitte Ederer, später selbst SPÖ-Spitzenpolitikerin und Managerin bei Siemens. Also just in jenem Konzern, in den Wehsely jetzt wechselt.

Die Stadt Wien ist ein enorm wichtiger Kunde für Siemens, keine Frage. Der deutsche Elektro- und Elektronik-Riese verkauft den Wiener Linien Straßen- und U-Bahnen, den Spitälern medizintechnische Ausrüstung sowie der Stadt Verkehrsampeln. In der Healthcare-Sparte bietet Siemens etwa Diagnosegeräte, wie Ultraschall oder Magnetresonanz an. Dazu kommen Laborgeräte z. B. für Blutuntersuchungen.

Wie groß das Medizintechnik-Geschäft mit der Stadt Wien ist, will Siemens aus Konkurrenzgründen nicht verraten. Dass der Top-Job für die SPÖ-Politikerin – Wehsely übernimmt einen Führungsjob unterhalb der Geschäftsleitung in der Healthcare-Konzerntochter – das Geschäft mit den Wiener Gemeindespitälern absichern oder ausbauen soll, wird bei Siemens heftig dementiert.

So sieht Siemens-Österreich-Chef Wolfgang Hesoun (SPÖ) keine Unvereinbarkeiten: "Frau Wehsely ist weder im Produktgeschäft von Healthcare tätig, noch ist sie in irgendeiner Form für das Österreich-Geschäft zuständig. Daher sehe ich keinen Zusammenhang mit dem künftigen Geschäft in Wien."

Siemens Österreich habe mit der Ausgliederung der Medizintechnik-Sparte in eine eigene Konzerntochter 2015 auch die Verantwortung für das Österreich-Geschäft an den Konzern abgegeben.

Sonja Wehsely soll – so formuliert es Siemens selbst in einer Aussendung – in Zukunft "mit ihren Kompetenzen aus der Gesundheitspolitik (...) das Geschäft innerhalb unseres strategischen Wachstumsfeldes Services systematisch für unsere Kunden in den globalen Gesundheitsmärkten weiterentwickeln". Außerdem soll zusätzlich zum Verkauf von medizinischen Geräten das Projektgeschäft ausgebaut werden.

Die Zahlen sind jedenfalls beeindruckend: Siemens Healthcare setzte 2016 mit 46.000 Beschäftigten rund 13,5 Milliarden Euro um und fuhr einen Gewinn von 2,3 Milliarden Euro ein.

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