Kurz will mit eigener, von ÖVP getragener Liste antreten

Sebastian Kurz.
Heißer Stoff für den ÖVP-Vorstand am Sonntag: Sebastian Kurz fordert die Macht in der Bundespolitik. Bei der Wahl will er mit eigenständiger Liste, darauf 50 Prozent Frauen, antreten. Sie wird von der ÖVP und Unabhängigen unterstützt.

Es ist ein revolutionäres Konzept. Der ÖVP-Jungstar Sebastian Kurz will seine Partei so umgestalten, dass künftig die Macht beim Bundesparteiobmann konzentriert ist.

Damit will Kurz die Basis für eine Reformpolitik in Österreich legen und derzeitige Blockaden zwischen Bund und Ländern lösen.

Das Konzept ist dargestellt in Form von sieben Bedingungen. Gestellt werden die Bedingungen von Sebastian Kurz, erfüllen soll sie die ÖVP, damit Kurz den Parteivorsitz übernimmt.

Heute, Sonntagabend, kommen die ÖVP-Granden zu der entscheidenden Vorstandssitzung zusammen. Die Granden sind über das Kurz-Konzept vorinformiert. Die Forderungen von Sebastian Kurz im Detail:

Bedingung 1
Erstmals soll die ÖVP bei einer Nationalratswahl nicht mehr als eigenständige Partei auf dem Stimmzettel stehen. Kurz will mit einer eigenständigen Liste kandidieren, die zwar von der ÖVP getragen wird, aber auch von anderen Organisationen und Personen ohne Parteibuch unterstützt werden kann. Diese unabhängigen Personen können ebenfalls auf der Liste kandidieren. Ein möglicher Name für diese Wahlplattform: "Liste Sebastian KurzÖVP und Unabhängige".

Bedingung 2
Die Kandidaten für den Nationalrat werden nach dem Reißverschlusssystem auf der Liste gereiht. Auf allen Ebenen (in den Wahlkreisen, auf den Landeslisten und auf der Bundesliste) kandidieren abwechselnd 50 Prozent Frauen und Männer. Ziel: Frauen in der Politik stärken.

Bedingung 3
Die Bundesliste soll künftig allein der ÖVP-Obmann bestimmen. Ziel dahinter ist: Um Österreich zu verändern, braucht Kurz ein Team der besten Köpfe und Experten von außen.

Bei den Landes- und Wahlkreislisten soll ein Vorzugsstimmen förderndes System entscheiden, wer von den Kandidaten es letztlich ins Parlament schafft. Damit soll die Bevölkerung mehr als bisher mitreden, wer sie im Parlament vertritt.

Bei der Vor-Auswahl jener Kandidaten, die sich auf den Landeslisten der Volkswahl stellen, will Kurz als Bundesparteichef ein Veto-Recht haben. Ohne seine Zustimmung käme künftig keine(r) auf eine Landesliste.

Mit diesen Durchgriffsrechten auf die Listen wären die Abgeordneten anders als derzeit nicht mehr primär vom Landeshauptmann abhängig, sondern vom Bundesparteiobmann der ÖVP.

Ein solcher Durchgriff bei der Auswahl der Abgeordneten würde für Österreich tatsächlich eine Revolution im Bund-Länder-Verhältnis bedeuten. Der Grund: Es ist nicht so sehr die Verfassung, die die Bundesländer in Österreich derart mächtig macht, dass sie viele Reformen blockieren können; es ist vielmehr die Macht einzelner Landeshauptleute in ihren Parteien, die die Bundespolitik hemmt.

Beispiel: Wenn der Bund Transparenz bei den Geldflüssen beschließen will, damit er überprüfen kann, ob das von ihm eingehobene Steuergeld effizient eingesetzt wird, ist dies von den Buchstaben der Verfassung her ein Bundesgesetz. Aber weil die Nationalrats-abgeordneten ihr Mandat derzeit den Landeshauptleuten verdanken, orientieren sie sich bei den Beschlüssen stärker an den Wünschen der Länder als an denen des Bundes. Daher ist der innerparteiliche Kunstgriff, die Abhängigkeit der Abgeordneten von den Landeshauptleuten auf den Bundesobmann umzuleiten, in seiner Wirkung ein Lösen der Reformblockaden zwischen Bund und Ländern.

Bedingung 4
Der ÖVP-Obmann bestellt alleinverantwortlich den Generalsekretär der Bundespartei und das Regierungsteam. Derzeit muss der ÖVP-Chef das Bundes-Personal dem ÖVP-Vorstand (wo alle Länder und Bünde vertreten sind) zum Beschluss vorlegen. Dadurch muss der Vorschlag von vornherein so austariert sein, dass sich alle Gruppen vertreten fühlen. Dieser Punkt dürfte bei den Landeshauptleuten auf Verständnis stoßen, denn sie sind selbst Chefs und wissen, dass ein Chef sein Team aussuchen können muss.

Bedingung 5
Der ÖVP-Chef hat freie Hand für allfällige Koalitionsverhandlungen nach der Nationalratswahl.

Bedingung 6
Dem ÖVP-Bundesobmann obliegt die inhaltliche Führung der Partei.

Die Zielrichtung dieser Forderung: Die letzten Richtungskämpfe in der ÖVP haben gezeigt, dass es so nicht weiter gehen könne, und dass es jemanden an der Spitze brauche, der die Richtung vorgeben kann.

Bedingung 7
Der Bundesparteivorstand muss heute "schriftlich" beschließen, dass diese Bedingungen im Statut der ÖVP verankert werden. Somit müssen diese Änderungen in der ÖVP gemeinsam mit einer allfälligen Wahl von Sebastian Kurz zum Obmann auf dem ÖVP-Bundesparteitag beschlossen werden. Die Absicht dahinter ist klar: Die Zusagen an Kurz sollen nicht mit der Zeit in "Vergessenheit" geraten, sondern statutarisch festgeschrieben werden.

Sebastian Kurz stellt seine sieben Bedingungen an die ÖVP im Paket. Für Kurz heißt es daher heute: Alles oder nichts.

Wie stehen seine Chancen, dass die Föderalismus-Partei ÖVP eine Machtkonzentration beim Bundesobmann akzeptiert?

Interessanterweise gut.

Die Not der ÖVP ist groß. In den letzten Jahrzehnten hat fast jeder scheidende Obmann – und es waren derer viele – festgestellt, dass man bei den herrschenden Strukturen kaum erfolgreiche Bundespolitik machen könne. Vorfälle wie jenen, als Landeshauptmann Erwin Pröll unter den Augen der gesamten Öffentlichkeit den Bundesparteichef vorführte und kurzerhand die Bundesregierung umbildete, soll es künftig nicht mehr geben. Es soll klar gestellt werden, dass die Führung der ÖVP beim Bundesparteichef liegt, und nicht eine Geheimführung daneben besteht.

Die Landeshauptleute der kleineren Bundesländer könnten einen Vorteil darin erblicken, als die Dominanz einzelner Stakeholder in der ÖVP beseitigt wird. Man erinnere sich an die "Westachse": Die Landeshauptleute der westlichen Bundesländern taten sich zusammen, um gemeinsam ein Gegengewicht gegen Niederösterreich zu bilden.

Jedenfalls scheinen die Landeshauptleute gewillt, die Kurz’ Bedingungen zu akzeptieren. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner sagt, es habe Vorgespräche vor der heutigen Vorstandssitzung gegeben, Kurz habe die Bedingungen "nicht diktiert".

Tirols Landeshauptmann Günther Platter bekundet "volle Unterstützung" für Kurz.

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer kündigt ebenfalls seine Zustimmung an. Er gehe davon aus, dass der ÖVP-Vorstand Kurz und dessen Plan "breit unterstützen" werde. Manche würden zwar "Bauchweh" haben, räumt Schützenhöfer ein. "Aber es ist ein Aufbruch für Österreich in eine neue Zeit."

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