Ex-Wissenschaftsminister für "Obergrenze" bei Studienplätzen

Aus für volle Hörsäle
Aus für freien Zugang bei Jus & Co.: WIFO-Chef Badelt lobt "realistische Sichtweise" des Kanzlers. Die ÖH und Grüne orten dagegegen "bildungspolitische Katastrophe".

Überlaufene Fächer, schlechtes Betreuungsverhältnis, zu wenige Absolventen, zu viele Abbrecher. So sieht der Status Quo an Österreichs Universitäten aus. Um das zu ändern, hat sich die Regierung auf die Studienplatzfinanzierung ab 2019 geeinigt – und damit auf weitere Zugangsbeschränkungen (mehr dazu hier). Wie bei den Fachhochschulen soll nur mehr eine festgelegte Zahl an Studienplätzen ausfinanziert werden. Welche Fächer beschränkt werden sollen und wie, ist noch offen.

Massive Reduktion der Plätze möglich

WiFo-Chef Christoph Badelt (Bild), Ex-WU-Rektor und ehemahliger Chef der Universitätenkonferenz (uniko), reagierte jedenfalls schon mit "heller Begeisterung" auf die geplante Studienplatzfinanzierung. "Es ist dem Bundeskanzler hoch anzurechnen, dass er da eine realistische Sichtweise einschlägt", sagt Badelt. Die Politik müsse nun definieren, wie viele Studienplätze sie finanzieren wolle: "Das ist eine Debatte, der man bisher ausgewichen ist."

https://images.kurier.at/46-58678630.jpg/80.684.424 KURIER/Jürg Christandl Christoph Badelt, WU Wien Rektor Univ.Prof. Dr. Christoph Badelt im Interview am 21.11.2013 in der WU Wien am Welthandelsplatz.

Ein Modell zur Studienplatzbeschränkung stammt von Oliver Vitouch, Präsidenten der uniko. Der Rektor könnte sich vorstellen, die Studienplätze anhand der Absolventenzahl plus "20 bis 40 Prozent" zu bemessen. Die hohe Dropout-Quote, erklärte Vitouch, könnte unter anderem mit einem besseren Betreuungsverhältnis miniminiert werden. Wie der KURIER berichtete, würde der Vorschlag allerdings eine massive Reduktion der Anfängerplätze in einigen Studienrichtungen bedeuten. In den Studienrichtungen wie Jus, Anglistik oder Germanistik würden mehr als die Hälfte der aktuellen Anfängerplätze wegfallen (siehe Grafik unten).

Die uniko betonte, dass es keine konkreten Berechnungen gebe, aber Vitouch ist sich sehr wohl bewusst, dass sein Vorschlag eine "drastische Reduktion" an Studienplätzen bedeuten würde. Es sei allerdings nur ein Gedankenmodell. Trotzdem gibt es gegen solche Pläne Widerstand vonseiten der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH), eine größere Aktion ist bereits in Planung.

Aufregung "nicht berechtigt"

Für den ehemaligen VP-Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle ( Bild) ist die Aufregung um das Modell "nicht berechtigt". Es gab schon viele Vorschläge, und der von Vitouch sei einer davon gewesen. Tatsache sei aber, dass man den aktuellen Zustand an den Unis überdenken müsse und es ohnehin ein "lang gehegter Wunsch" der Universitäten ist, überlaufene Fächer beschränken zu dürfen. "Wenn man es richtig macht, profitieren alle Beteiligten", sagt Töchterle. Wichtig sei, dass die Universitäten selbst entscheiden, wo die Plätze beschränkt werden sollen. Er rät, eine "Obergrenze" dort einzuziehen, wo das Betreuungsverhältnis schlecht ist.

https://images.kurier.at/Toechterle-000_Deutsch%2BGerhard.jpg/476.632 KURIER/Deutsch Karlheinz Töchterle, Bundesminister für Wissenschaft und Forschung, Minister

Ähnlich sieht es die Vize-Rektorin der Haupt-Uni Wien, Christa Schnabel. Sie erhofft sich angesichts der angekündigten Studienplatzfinanzierung mehr Absolventen durch "qualitätsvolle Studienplätze - in dem Sinn, dass die Betreuungsrelationen internationalen Vergleichen Stand halten kann". Nur so könne das Ziel erreicht werden, die Zahl der Absolventen zu steigern.

"Eine Reduktion der Plätze ist kontraproduktiv"

Die ÖH sieht das naturgemäß anders. Beschränkungen würden nicht zu mehr Absolventen führen, sagt die ÖH-Vorsitzende Lucia Grabetz. Der Grund für Studienabbrüche liege am mangelnden Stipendiensystem und an der Unvereinbarkeit von Studium mit Arbeit. Deshalb fordert die Hochschülerschaft, die Orientierungsphasen für Anfänger zu verbessern. Studierenden müsse "frühzeitig vor Augen geführt werden, ob ihre Entscheidung auch den persönlichen Fähigkeiten und Neigungen entspreche", sagt Grabetz zum KURIER und kündigt weiteren Widerstand gegen mögliche Begrenzungen an.

https://images.kurier.at/46-56976877.jpg/68.565.509 KURIER/Franz Gruber Sigrid Maurer Die ehemalige ÖH-Vorsitzende Sigrid Maurer kandidiert auf Platz sechs der Bundesliste der Grünen für die Nationalratswahl 2013. Wien, 12.08.2013.

Auch die Grünen stellen sich gegen weitere Zugangsbeschränkungen. Wissenschaftssprecherin Sigrid Maurer (Bild) ist sich bewusst, dass Österreich eine niedrige Akademiker-Quote habe, es sei aber der "völlig falsche Schritt", Studierende von ihrem Wunsch-Studium abzuhalten und zu glauben, dass man dadurch mehr Absolventen haben wird. "Eine Reduktion der Plätze ist kontraproduktiv", sagt Maurer. Und falls ein Modell wie jenes von uniko-Präsident Vitouch in Betracht gezogen werde, käme dies einer "bildungspolitischen Katastrophe" gleich. "Der Wissenschaftsminister (Reinhold Mitterlehner, Anm.) hat eine Verantwortung gegenüber Menschen, die studieren wollen. Anstatt sie auszugrenzen, muss das Ziel sein, sie auf das Studium vorzubereiten", sagt die Grüne. Mit einer besseren Orientierungsphase könnte eine "falsche" Studienwahl schon zu Beginn verhindert werden.

Ex-Wissenschaftsminister für "Obergrenze" bei Studienplätzen

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