Diskussion zur ÖH-Wahl: "Dann wird man die Lehre anpassen müssen"
Von 9. bis 11. Mai finden ÖH-Wahlen statt, Österreichs Studierende wählen ihre Vertretung. Der KURIER sprach mit den Spitzenkandidaten über Studiengebühren und Künstliche Intelligenz.
Heute starten die Wahlen zur Österreichische Hochschülerschaft (ÖH). An den Fachhochschulen hat am Freitag schon ein erster Wahltag stattgefunden. Insgesamt wurden 6.000 Wahlkarten beantragt. Das ist weniger als 2021, als die Wahlbeteiligung ein Rekordtief erreichte, aber auch weniger als vor der Pandemie. 2019 wurden immerhin 8.800 Wahlkarten beantragt.
Der KURIER hat die Spitzenkandidaten und -kandidatinnen zu zwei Diskussionsrunden eingeladen. Heute lesen sie schon die zweite, diesmal mit AG, Junos, KSV-Lili und FLÖ. Zum ersten Teil geht es hier.
KURIER: Wir sitzen hier mit drei Oppositionsfraktionen und einer aus der aktuellen Koalition (aus VSStÖ, GRAS, FLÖ). Wie beurteilt die Opposition die Arbeit der Bundes-ÖH?
Simon Neuhold: Nicht nur negativ. Aber wir hätten uns ein klareres Auftreten gegenüber der Regierung gewünscht. Es ist wohl nicht so gut, wenn Fraktionen in der Koalition sind, die auch die Studierendenfraktionen einer Regierungspartei sind. Man merkt, dass da Kritik nicht leichtfällt, weil man fürchtet, sich Karriereoptionen zu vertun.
Michael Pinter: Wir als FLÖ haben in der Koalition immer wieder probiert, die Regierung zu kritisieren. Generell dürfen aber nicht die Fraktionen im Vordergrund stehen, sondern das, was man für die Studierenden tun kann.
Wie stehen Sie denn zu Studiengebühren?
Lukas Schobesberger: Wir sind für nachgelagerte Studienbeiträge. Es reicht nicht, immer nur mehr Staat zu schreien. Man muss auch mal etwas machen. Studienbeiträge, die man zahlt, wenn man fertig mit dem Studium ist und genug verdient, verbessern auch die Qualität des Studiums.
Diskussionsrunde zur ÖH-Wahl mit Spitzenkandidaten von AG, JUNOS, FLÖ und KSV - LiLi
Wie hoch könnten diese Gebühren Ihrer Meinung nach sein?
Schobesberger: Maximal 500 Euro pro Semester.
Muhammed Durmaz: Es kann nicht sein, dass man die Hochschulen mit den Geldern der Studierenden finanziert, die ohnehin schon nicht wissen, wie sie über die Runden kommen sollen. Stattdessen sollte etwa auch die Drittmittelfinanzierung forciert werden.
Neuhold: Man merkt, dass die Studierenden der Regierung großteils völlig egal sind, außer man kann sie verwerten für den Arbeitsmarkt.
Schobesberger: Ihr schlagt aber keine Alternative vor. Drittmittel sind eine Möglichkeit. Nachgelagerte Studienbeiträge sind auch eine Möglichkeit.
Pinter: Von den bis zu 500 Euro, die du ansprichst, würde fast alles in der Verwaltung dieser Beiträge versinken. Das Geld würde nie wirklich bei der Hochschule ankommen. Jetzt befürchte ich, dass ich wie ein kommunistisches Schaf klinge. Aber es gibt zum Beispiel Mineralölkonzerne, die massive Gewinne erzielen mit der Energiekrise. Da muss man ansetzen. Am Ende geht es nämlich darum, dass man den Menschen aus den niederen Bildungsschichten den Zugang zu Bildung ermöglicht.
Wenn man die Drittmittelfinanzierung forciert, ist dann nicht die Unabhängigkeit der Hochschulen gefährdet?
Durmaz: Man sieht an den Fachhochschulen, dass das gut funktioniert. Es gibt sehr viele Unternehmer und Menschen aus der Privatwirtschaft, die bereit sind, da ihren Beitrag zu leisten. Die Unabhängigkeit der Hochschulen muss aber immer bewahrt werden.
Schobesberger: Die Studierenden bekommen nicht nur bessere Studienqualität, sondern auch Kontakte zu Unternehmen, zur realen Welt. Das fehlt ja so oft. Und die Unternehmen kriegen dann gut ausgebildete Leute.
Neuhold: Unis sind kein Ausbildungsort für Unternehmen, es geht nicht um Berufsausbildung, sondern um Bildung fürs Leben. Wir sehen die Verschulung, die ja durch Drittmittel gefördert wird, kritisch. Wir wollen keinen „Raiffeisen-Hörsaal“ oder keine Hörsäle, die nach irgendwelchen Förderern benannt sind.
Bei vielen von Ihnen findet sich das Thema KI im Wahlprogramm. Wie sollen Unis damit umgehen? Oder sollen wir sie verbieten?
Durmaz: Sie zu verbieten ist absolut realitätsfremd. Wenn man den Umgang damit nicht lernt, verlieren wir endgültig den Anschluss.
Neuhold: Wenn es die Lehrenden überfordert, dass Leute jetzt all ihre Aufgabenstellungen an einem Abend schnell runterschreiben können, wird man die Lehre anpassen müssen, weil sie einfach nicht mehr zeitgemäß ist.
Pinter: Ich glaube, dass man da in den nächsten zwei Jahren vieles machen kann als Bundes-ÖH. Andererseits sind die lokalen Hochschulvertretungen die besten Player, weil sie sehr viel besser wissen, was man machen können.
Schobesberger: Was verschlafen wurde, ist, zum Minister zu gehen und zu sagen, wir brauchen jetzt eine KI-Strategie. Das reine Verfassen von Arbeiten gehört in die Geschichtsbücher. Viel mehr wird es darum gehen, wie gehe ich mit Quellen um, wie komme ich zu meinen Ergebnissen, wie werden sie interpretiert?
Simon Neuhold (22)
ist Listenzweiter des Kommunistischen Studierendenverbands – Linke Liste (KSV-Lili). Er vertrat spontan Spitzenkandidatin Lola Fürst
Michael Pinter (24)
studiert Bio-Technology und tritt für die unabhängigen Fachschaftslisten (FLÖ) an
Lukas Schobesberger (26)
ist Spitzenkandidat der Jungen Liberalen Studierenden (Junos). Er studiert Organisation Studies
Muhammed Durmaz (26)
studiert Jus in Innsbruck und geht für die Aktionsgemeinschaft (AG) ins Rennen
Kommentare