Dilemma für die SPÖ: "Derzeit kein Oppositionsbonus"
Mäßige Gewinne bei der niederösterreichischen und der Tiroler Landtagswahl, Tiefschläge bei der Salzburger Landtagswahl und der Innsbrucker Gemeinderatswahl: Die Bilanz der SPÖ fällt nach den letzten Urnengängen eher bescheiden aus. Nur Kärnten war die große Ausnahme, doch auch der Zugewinn von elf Prozentpunkten für Peter Kaiser bestätigt die Analyse von Meinungsforscher Peter Hajek: "Es gibt derzeit keinen Oppositionsbonus. Die Wähler sind mit der Bundesregierung und mit den Landesregierungen zufrieden." Ergo auch mit der SPÖ-geführten Kärntner Regierung. In Salzburg hätten sich mit der ÖVP-geführten Koalition sogar die SPÖ-Wähler als "zufrieden" deklariert.
SPÖ "nicht spürbar"
hat bei allen Landtagswahlen Umfragen mit großen Samples gemacht und Motivforschung betrieben. Er sagt, die Zufriedenheit der Wähler sei auch "ein Manko der Bundes-SPÖ, weil sie es verabsäumt, Oppositionsthemen aufzubauen". Ein Sager wie die "Moskauer Pyramide" (zwei Betrunkene stützen sich gegenseitig) sei keine effektvolle Oppositionsarbeit, denn solche Sager müssten untermauert werden und das Gefühl der Menschen treffen. "Das ist aber nicht der Fall, die Arbeit der Bundesregierung hat gute Zustimmungswerte", sagt Hajek.
Oppositionsthemen könnten die BVT-Affäre sein, oder dass die Regierung Geld für den Ausbau von Kinderbetreuung streicht. Derzeit sei die SPÖ als Oppositionspartei jedoch "nicht spürbar". In einer seiner Studien hat Hajek gefragt: Wer macht die beste Oppositionsarbeit? Da haben Neos fast gleich gut abgeschnitten wie die SPÖ, obwohl die Sozialdemokraten vier Mal so groß sind. Hajek: "Matthias Strolz ist als Oppositionspolitiker spürbar."
Generell habe die Sozialdemokratie das Problem, "das Ohr nicht bei den Menschen zu haben". Beim Thema Migration und Asyl habe sie nicht mehr den größeren Teil der Menschen hinter sich. Hajek: "Jetzt kann man wie die römisch-katholische Kirche sagen: Ich habe doch recht." Oder vielleicht auch nicht.
"Leistung" aufgegeben
Das noch größere Problem der Sozialdemokratie sei aber, dass sie sich den Leistungsbegriff habe wegnehmen lassen. "Die Sozialdemokratie wird oft nur mehr mit Sozialleistungen verbunden. Aber die Leute wollen nicht noch mehr Sozialleistungen. Sie wollen, dass es ein solidarisches System gibt mit klaren Regeln. Die Sozialdemokratie ist immer auch dafür gestanden, Leistung zu erbringen, ,Aufstieg durch Leistung' war ein Wahlslogan von Bruno Kreisky. Diesen Wechsel wird die SPÖ wieder vollziehen müssen", sagt Hajek.
Selbstverständlich sei Walter Steidl auch als Spitzenkandidat ungeeignet gewesen, aber Hajek will das schlechte Abschneiden der SPÖ nicht an einer Person festmachen. Zugkräftige Personen würden oft strukturelle Schwächen zudecken, in Salzburg sei das eben nicht der Fall gewesen.
SPÖ-Chef Christian Kern liegt in der Kanzlerfrage besser als seine Partei in der Sonntagsfrage. Hajek wendet aber ein: „Dieser Wert relativiert sich, denn Kern ist mangels Grüne derzeit die einzige Person für linke Wähler.“ Würde man die etwa vier Prozent, die Eva Glawischnig in der Kanzlerfrage in der Regel hatte, abziehen, liege Kern auf dem Niveau seiner Partei.
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