Die Grünen zwischen Erdrutschsieg und Totalabsturz

Die grüne Landesrätin Astrid Rössler bot nach der Wahlniederlage in Salzburg ihren Rücktritt an
Während die Salzburger Grünen am Sonntag halbiert wurden, fuhr Georg Willi in Innsbruck einen tollen Zwischenerfolg ein.

Katzenjammer und Jubel lagen am Sonntag bei den Grünen nah beisammen. Während sie am Sonntag bei der Salzburger Landtagswahl mehr als halbiert wurden, hat die Partei in Innsbruck einen Triumph eingefahren. Nicht nur, dass die Grünen mit 24,16 Prozent (zehn Mandaten) auf dem ersten Platz landeten, schaffte es Georg Willi mit 30,88 Prozent als erster in die Stichwahl. Dort trifft er in zwei Wochen auf Amtsinhaberin Christine Oppitz-Plörer (bürgerliche Liste "Für Innsbruck").

Willi zeigte sich nach dem Urnengang "überwältigt". Für die Stichwahl sah sich der Grünen-Frontmann jedoch nicht als Favorit. Dabei dürfte er gute Chancen auf den Job des Bürgermeisters haben.

Schadensbegutachtung in Salzburg

Die Salzburger Grünen müssen heute hingegen Schadensbegutachtung betreiben. Nach dem Fiasko bei der gestrigen Landtagswahl beschäftigt sich der Landesvorstand der Salzburger Grünen heute ab 16.00 Uhr mit dem von Parteichefin und Landeshauptmannstellvertreterin Astrid angebotenen Rücktritt. Ob die Partei sie zum Weitermachen bewegen kann, war intern ungewiss.

"Die Kampagne und die Politik der letzten Jahre war ganz auf mich als Spitzenkandidatin zugeschnitten. Das wurde von den Salzburger Wählern nicht für gut befunden", sagte Rössler noch am Wahlabend. Die Grünen stürzten von 20,2 auf 9,3 Prozent ab. Rössler kündigte an, heute Montag der Partei ihren Rücktritt anzubieten. 

Nachdem die Bundesgrünen im Oktober 2017 aus dem Nationalrat flogen, sind sie nun auch auf Landesebene in Mitleidenschaft gezogen worden. Am Höhepunkt ihres Einflusses 2014/15 regierten sie in sechs Ländern mit. Falls sie nun auch in Salzburg nicht mehr Teil einer Koalition werden, sind die Grünen nur mehr in drei Landesregierungen vertreten: In Vorarlberg und Tirol mit der ÖVP und in Wien, wo 2019 oder 2020 gewählt wird, mit der SPÖ. In Kärnten flogen sie nach der Landtagswahl nicht nur aus der Regierung, sondern auch aus dem Landtag.

Der Absturz bei der Salzburger Landtagswahl hat für die Grünen auch auf Bundesebene Auswirkungen. Sie verlieren einen weiteren Sitz im Bundesrat und sind dort künftig nur noch mit zwei Abgeordneten vertreten. Nach dem Klubstatus, der bereits nach der Tiroler Wahl weg war, verlieren sie damit auch das Anfragerecht an die Bundesregierung.

Grünen-Chef sieht "ausbaufähiges" Potenzial

Der Grüne Bundessprecher Werner Kogler kann in dieser Situation jede Positivmeldung brauchen und zeigte sich noch am Sonntag sehr erfreut über den "herausragenden Zwischenerfolg" von Georg Willi in Innsbruck.

Stichwahl in Innsbruck

"Jetzt starten wir wieder von vorne", sagt Kogler im APA-Gespräch. Die Grünen würden alles tun, "dass sich der erste Grüne Bürgermeister in einer Landeshauptstadt ausgeht". Willi, der als Erster in die Stichwahl am 6. Mai geht, habe mit seinem Stil und seiner Ausdrucksweise bewiesen, dass die Grünen in ihrem Potenzial "weit ausbaufähig" seien, sagte Kogler.

Parteiinterner Zwist vor Innsbruck-Wahl

Willis Ausdrucksweise hatte zuletzt allerdings auch zum Parteiaustritt der Grünen-Vizebürgermeisterin Sonja Pitscheider geführt, die ihm "rechtspopulistische Mechanismen" vorwarf. Konkret ging es um die Aussage Willis: "So hart das klingen mag, aber die Frage, ob ich mir das Dach überm Kopf leisten kann, beschäftigt die Leute ganz einfach mehr als die Frage nach dem Binnen-I oder der Ehe für alle." Kogler verteidigte den Grünen Spitzenkandidaten: Willi habe "das völlig Richtige gesagt", nämlich was für eine größere Zahl an Menschen wichtig sei - nicht, dass irgendetwas unwichtig sei.

Die "vertiefte Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen einer größeren Anzahl an Menschen", und dies auch so zu formulieren, dass es verstanden werde, könne auch die Grüne Bundespartei für ihre Neuaufstellung mitnehmen, sagte Kogler.

Kogler will Rössler halten

"Es läuft einmal so, einmal so", sagte der Parteichef mit Blick auf das Desaster in Salzburg. In einer ersten Reaktion am Nachmittag hatte er bereits von einer "Enttäuschung" gesprochen. Man habe das Ziel der Zweistelligkeit verfehlt, räumte er ein, aber es handle sich immer noch um das zweitbeste Ergebnis der Salzburger Grünen.

Astrid Rössler habe einen guten Job gemacht, sagte Kogler. Die Lorbeeren für die Regierungsarbeit seien in diesem Fall bei der Landeshauptmann-Partei gelandet. Er wolle den Gremien nicht vorgreifen, aber "ich hoffe, sie überdenkt das noch einmal". Er habe "höchsten Respekt" vor Rössler.

Triumph für Grünen-Urgestein

Während Rössler in Salzburg immer wieder auch in der Verkehrspolitik aneckte, gilt Willi in Innsbruck seit Jahrzehnten als bürgerlicher Realo. Die Wirkung über die ureigensten grünen Wählerschichten hinaus bescherte dem 58-Jährigen seinen wohl bisher größten politischen Erfolg.

In der Stichwahl gegen wird es drauf ankommen, inwieweit es Willi gelingt, die offenbar vorhandene Wechselstimmung noch verstärkt zu kanalisieren und vor allem noch mehr im bürgerlichen Bereich der Mitte zu grasen. Denn Oppitz-Plörer wird wohl alles daran setzen, das bürgerliche Lager hinter sich zu vereinen und Willi in das linke Eck zu stellen.

Willi als grüner Realo

Ob das gerade beim langjährigen Landtagsklubobmann verfängt, ist aber fraglich. Der heimatverbundene Realo, der über den grünen Tellerrand hinausblickt - diese Rolle exerzierte der Innsbrucker auch in diesem Wahlkampf in Perfektion. Georg Willi, eine Art kommunaler Van der Bellen.

Die Grünen zwischen Erdrutschsieg und Totalabsturz

Dabei hatte der grüne Bürgermeisterkandidat im Wahlkampf keine leichte Übung zu vollziehen. Er musste sich der geschickten politischen Umarmung von Oppitz-Plörer entziehen, die ein vierfarbiges "C" - in den Farben der Stadtkoalition aus Für Innsbruck, Grünen, SPÖ und ÖVP - plakatieren ließ.

Für Verwunderung sorgte das grüne Urgestein zudem, als er - analog zu FPÖ-Spitzenkandidat Rudi Federspiel - einen "Kassasturz" nach der Wahl forderte. Eine urtypische Oppositions-Forderung, diesmal in koalitionärem Gewande.

Willi war - nicht zuletzt ob seiner vom politischen Freund wie Feind attestierten Sachkompetenz - zum bekanntesten Gesicht der Öko-Partei in Tirol avanciert. Jahrelang wurde er deshalb auch als eine Art Verbindungsmann im Hinblick auf eine Koalition mit der ÖVP gesehen. Letztlich erntete die neue Generation um Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe und Klubobmann Gebi Mair mit der schwarz-grünen Regierungsbildung im Jahr 2013 das, was Willi federführend gesät hatte.

Der Wahlabend im Rückblick

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