Die Stunde der Diplomaten
Ob in Saudi-Arabien oder in Jerusalem, in Kiew oder in Brüssel: Wann immer Sebastian Kurz Mitte des vergangenen Jahrzehnts auf Dienstreise ging, hatte er stets eine eingeschworene, erfahrene Diplomatentruppe um sich, die den blutjungen Außenminister quasi durch die Weltgeschichte trug.
Alexander Schallenberg gehörte dazu, Ex-Pressesprecher früherer Außenminister und unter Sebastian Kurz Leiter der Stabsstelle für außenpolitische Planung; Nikolaus Lutterotti, außenpolitischer Berater des Außenministers; Jan Kickert, politischer Direktor im Außenamt; Alexander Marschik, Leiter der Sektion II; und Michael Linhart, Generalsekretär im Außenamt und damit offizielle Nummer zwei hinter dem Minister.
Sie sorgten mit großer Erfahrung und viel G’spür dafür, dass ihr neuer Chef auf dem diplomatischen Parkett nicht ins Rutschen kam. Und eine gewisse Hetz hatte die Truppe auf Reisen auch.
Alter Adel
Seit gestern ist einer von ihnen Bundeskanzler der Republik, ein anderer Außenminister. Alexander Schallenberg und Michael Linhart sind das neue Spitzenduo der Regierung – und böse Zungen sagen schon, nach der Kurz-Bubenpartie der Steiners, Frisch- und Fleischmanns übernimmt jetzt die Diplomaten-Partie die Republik. Wohlmeinende Zungen sagen, mit Diplomaten könne es nur besser werden als mit selbst ernannten Karrieristen ohne jedes Maß.
Die genannten Diplomaten stammen meist aus alten österreichischen Adels- (Schallenberg) und/oder Diplomatenfamilien. Der Vater Michael Linharts war schon Botschafter, der neue Außenminister kam während dessen Tätigkeit in Ankara zur Welt; der Vater Alexander Schallenbergs, Wolfgang Schallenberg, war Botschafter und langjähriger Generalsekretär im Außenamt.
Michael Linhart ist ein Karrierediplomat der alten Schule, der schon im Kabinett des damaligen Außenministers und späteren Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel als Berater werkte. Der sportliche, stets adrett gescheitelte 63-Jährige hatte eine Reihe von Botschafterposten inne (u. a. Damaskus, Athen), ehe er 2013 Generalsekretär im Außenministerium wurde. Sein Avancement zum Minister muss auch eine späte Genugtuung für den Vater dreier Kinder sein: Seine Vorvorgängerin, die in ihrer Funktion eher überforderte, für die FPÖ amtierende Karin Kneissl, verlängerte Linhart nicht (die Rede ist von einem alten Konflikt aus der Zeit Linharts an der Botschaft in Damaskus als Hintergrund). Sie installierte ihren Vertrauten Johannes Peterlik als Generalsekretär (auch er Sohn einer alten Diplomatenfamilie) – Linhart musste weichen, fiel aber weich auf den Botschafterposten in Paris.
Große Loyalität
Große Erfahrung, diplomatisches Auftreten und höchste Loyalität sind die Eigenschaften, die bei Linhart wie bei Schallenberg mit ausschlaggebend für den Karrieresprung gewesen sein dürften.
Alexander Schallenberg (52), als Botschafterkind in Indien, Spanien und Frankreich aufgewachsen, wurde dem Zugriff der Kurzzeit-Außenministerin Kneissl übrigens geschickt entzogen, indem er 2018 als Leiter der EU-Koordinationssektion ins Bundeskanzleramt wechselte – die Achtung der erfahrenen Diplomaten-Truppe vor der quereingestiegenen „Politikexpertin“ war enden wollend, wenn auch aus Loyalität nie so ausgesprochen.
Nach dem FPÖ-Regierungsintermezzo war Schallenberg im Beamtenkabinett der Brigitte Bierlein schon Außenminister und so eine Art Verbindungsmann zum zuvor abgewählten, damals Alt-Bundeskanzler Sebastian Kurz.
Wie sehr sich die beiden Diplomaten an der Spitze der Regierung „freischwimmen“ von ihrem langjährigen Leitwolf Kurz bleibt abzuwarten – zunächst einmal betonte Schallenberg seine Loyalität zu Kurz. Bundespräsident Alexander Van der Bellen erinnerte sie bei der Angelobung an ihre Verantwortung, die Projekte der türkis-grünen Regierung weiterzuführen und das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wiederherzustellen. Für Ersteres braucht es viel diplomatisches Geschick, für Letzteres auch viel guten Ton. Darin sind sie gut geschult.
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