Bischof Zsifkovics: "Die Kirche soll nicht laut, aber mutig sein"
KURIER: Herr Bischof, Sie kommen gerade vom Ad-limina-Besuch der österreichischen Bischöfe im Vatikan zurück. Was haben Sie von den Gesprächen und Begegnungen mitgenommen?
Ägidius Zsifkovics: Es waren Begegnungen auf Augenhöhe, man konnte alle Themen ansprechen. Man hat gemerkt, dass die Gesprächspartner in den einzelnen Dikasterien vorbereitet sind, unsere Berichte studiert haben. Es war ein wertschätzender Austausch über die derzeitigen Herausforderungen der Kirche, aber auch der Zivilgesellschaft generell.
Hat sich atmosphärisch etwas gegenüber dem letzten Besuch 2014, auch damals schon im Pontifikat von Papst Franziskus, etwas verändert?
Nicht, was den Papst selbst betrifft – aber in den Dikasterien war ein Wandel zu spüren: Da kommt man nicht als Bittsteller oder als Prüfling, sondern als jemand, der für eine Teilkirche Verantwortung trägt. Und beide Seiten verbindet das gemeinsame Interesse: wie man die Kirche heute zu den Menschen und die Menschen zu Jesus bringen kann.
Es gibt bei solchen Besuchen ja immer die Erwartung, dass die Bischöfe in Rom vorbringen, was das Kirchenvolk bewegt. Nun haben aber Sie und andere Bischöfe im Anschluss an die Visite vor überzogenen Erwartungen gewarnt …
Bei den großen, heißen Eisen, von denen immer die Rede ist, gibt es nicht die schnelle Lösung. Da wird weitergehend studiert, vor allem bei der Frauenfrage.
Diese „heißen Eisen“ sind im Wesentlichen die Zulassungsbedingungen zum Priesteramt und der Komplex „Sexualmoral“, wo es auch um den Umgang mit der LGBTQ-Community geht. Das sind Themen, die seit Jahrzehnten auf der Agenda stehen. Was gibt es da noch weiter zu „studieren“? Müsste man nicht ehrlicherweise sagen, dass auch dieser Papst in diesen Fragen nichts ändern wird, weil er es mit der katholischen Lehre für nicht vereinbar hält?
In den moraltheologischen Fragen gibt es sicherlich Bewegung, da wird weiter daran gearbeitet, wenn wir etwa an die Segnungen von Partnerschaften denken. Da gibt es pastorale Lösungen. Aber in den großen Fragen, wie etwa der Frauenordination, hat der Papst klar zum Ausdruck gebracht, dass er diese nicht im Sinne einer Öffnung beantworten wird. Hier sehe ich keine bahnbrechenden Neuerungen. Der Papst hat aber auch klar gesagt, dass es hier nicht um eine Macht-, sondern um eine Dienstfrage geht. Und es gibt inzwischen ja schon etliche Stellen in der Kurie, die der Papst mit Laien – und auch mit Frauen – besetzt hat.
Kurz vor der österreichischen war die deutsche Bischofskonferenz im Vatikan zu Gast. Dort soll es vor dem Hintergrund des deutschen „Synodalen Weges“ deutlich konfrontativer zugegangen sein. Sehen Sie die Gefahr, dass dieses Projekt scheitert und am Ende mehr Schaden angerichtet als Nutzen gestiftet hat?
Ich hoffe es nicht. Ich hoffe, dass dieser Weg ein Weg des Hinhörens ist, des Aufnehmens verschiedenster Positionen und schließlich einmündet in die gesamtkirchliche Linie. Die Fragen sind dieselben, die auch uns bewegen.
Sind Sie froh, dass es bei uns nichts Vergleichbares gibt – oder wäre es offener und ehrlicher, diese Themen auch bei uns so kontrovers zu diskutieren?
Ich bin einerseits froh, dass es bei uns diese verhärteten Positionen nicht gibt. Das liegt, glaube ich, auch nicht in unserer Mentalität. Aber die dahinterstehenden Fragen machen nicht an einer Grenze Halt, und die müssen wir genauso bedenken. Aber es soll nicht zu einem Gegeneinander eskalieren – es geht darum, das, was wertvoll ist, zu konservieren, und das, was sich überlebt hat, wegzulegen.
Wie würden Sie „Weihnachten“ erklären?
Dass Jesus als Kind nicht in einem Penthouse, im Wohlstand geboren ist, sondern in einem kalten, stinkenden Stall, an einem Ort, wo die Härte des Lebens zu spüren ist. Und diese Kälte und Härte spüren wir auch wieder in unserer Zeit: die Folgen der Pandemie, der Krieg, die Klima- und die Energiekrise. Da braucht es die Botschaft von Weihnachten: Friede, Versöhnung, Liebe, Geborgenheit.
Müssen sich also Katholiken, deren Kinder im Penthouse oder Privatsanatorium auf die Welt gekommen sind, schlecht vorkommen?
Nein, aber es geht darum, dass wir uns in all unserem Wohlstand auch eine gewisse Einfachheit und Schlichtheit bewahren und dass wir die Kleinen und Armen nicht vergessen.
Der tschechische katholische Intellektuelle und Priester Tomáš Halík hat ein Buch mit dem Titel „Der Nachmittag des Christentums: Eine Zeitansage“ geschrieben. Teilen Sie den Befund?
Ich schätze Halík sehr und teile seine Sichtweise weitgehend. Er ist für mich ein kritischer Mahner und eine prophetische Stimme. Ich würde „Nachmittag des Christentums“ vielleicht übersetzen mit „Es ist spät, aber es ist nicht zu spät“. Halík fordert, dass wir als Kirche nicht nur unsere klassischen Aufgaben erfüllen, sondern Orte der Begegnung schaffen, von denen neue Initiativen für die Zivilgesellschaft ausgehen.
Ist die Kirche zu zurückhaltend, zu leise im Verhältnis zur Zivilgesellschaft, zur „Welt“?
Es ist eine sehr große Gefahr, nur unter sich zu bleiben und sich um die treuen Kirchgänger zu kümmern. Um die sollen wir uns auch kümmern – sie tragen die Kirche; aber wir müssen auch Ressourcen freihalten für Neues, Innovatives. Ich glaube nicht, dass wir lauter werden müssen. Wenn die Kirche laut war in der Geschichte, ist das nie gut ausgegangen. Wichtig ist, dass sie mutig ist. Es geht darum, die christlichen Positionen in einer einfachen, verständlichen Sprache in die heutige Zeit zu übersetzen – nicht als Vorgabe, sondern als Angebot und Begleitung. Wenn die Kirche das tut, wird sie auch Gehör finden.
Sie haben hier im Burgenland auf der politischen Ebene in Landeshauptmann Hans Peter Doskozil ein Gegenüber, das in der innenpolitischen Diskussion sehr präsent ist. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit ihm aus Ihrer Sicht?
Ich kann über die Zusammenarbeit nur das Beste sagen. Wir können über alles laut nachdenken und uns austauschen, ohne dass einer den anderen vereinnahmt.
Wie sieht das beim Thema Asyl aus, wo ja Doskozil Positionen vertritt, die im Gegensatz zu jenen stehen, die auch von vielen Kirchenvertretern propagiert werden? Gibt es da einen Dissens?
Ich würde nicht von Dissens sprechen. Der Landeshauptmann sieht die Realität, wie sie nun einmal an der burgenländischen Grenze gegeben ist und was sie uns bringt. Und er sieht auch die Unfähigkeit der EU, hier einen solidarischen gemeinsamen Weg zu gehen. Ich habe diese Frage auch dem Papst gestellt. Und auch Franziskus hat gesagt, wir brauchen und dürfen nicht naiv sein. Aber es muss eine Solidarität in Europa geben. Sonst werden sich die Länder immer gegeneinander ausspielen. Und der Papst hat auch gesagt, dass es ganz entscheidend ist, ob wir die Menschen, die zu uns kommen, auch integrieren können.
Kann man aus biblischen Texten wie der Herbergssuche politische unmittelbare Schlüsse ziehen?
Es gibt eine Grundregel, schon vom Alten Testament her: Fremde, Witwen und Waisen sollen wir gut behandeln. Wenn Christen dafür kein Verständnis aufbringen, dann stimmt, so würde ich sagen, etwas mit ihrem Glauben nicht.
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