Schuhwahl bei der Angelobung: Die Insignien der Macht
Man kann nicht nicht kommunizieren. Der Merksatz des Analytikers Paul Watzlawick passt zur jüngsten Schuhwerk-Debatte. Dass Wolfgang Mückstein zu seiner Angelobung beim Bundespräsidenten in Turnschuhen antrat, hielten nicht wenige für eine Botschaft – ungeachtet der Tatsache, dass die Schuhe wohl das geringste Problem eines frischgebackenen österreichischen Gesundheitsministers in der Pandemie sind.
„Auch wenn die Wahl der Kleidung einer persönlichen Vorliebe folgt, so ist sie immer auch ein Statement – man kommuniziert immer“, sagt Christine Bauer-Jelinek, Wirtschaftscoach und Machtexpertin. „Die ,Insignien der Macht‘ wirken immer – auch wenn man sie weglässt oder eigene erfindet.“
Ähnlich argumentiert die deutsche Modehistorikerin Barbara Vinken. „Der Gesundheitsminister signalisiert, dass er Wichtigeres zu tun hat, als auch nur einen Gedanken an die Kleider zu verschwenden, die er trägt. Er ist hier en passant, hat die Ärmel jedenfalls metaphorisch aufgekrempelt, joggt gleich weiter, tatsächlich auf dem Sprung.“ Vinken hat sich in mehren Büchern („Angezogen“) mit dem Thema Macht und Mode auseinandergesetzt. Mode habe immer mit Codes zu tun, jedoch seien viele dieser Codes im 20. Jahrhundert gesprengt worden, etwa Klassen- oder Geschlechtercodes. Klar sei aber, „dass wir mit unserer Kleidung, ob wir wollen oder nicht, unserem Gegenüber Information über uns geben.“
Die Königin als Dienstmädchen
Mode war immer schon Politikum. Als die französische Königin Marie Antoinette statt Pariser Seide englische Baumwolle trug, löste sie eine Staatskrise aus. Das Porträt, das die Malerin Elisabeth Vigée Lebrun 1783 von der Königin anfertigte, musste aus dem Pariser Kunstsalon entfernt werden, weil es die Monarchin zu leger zeigte: einfache Mousseline statt staatstragender Zeichen der Würde. Hermelinumhang, Zepter und Krone fehlten. Es hieß, die Königin habe sich als Dienstmädchen verkleidet.
Androschs Oma
Den umgekehrten Vorwurf mussten sich 300 Jahre später sozialdemokratische Politiker in Österreich und Deutschland machen lassen. Die Vorlieben des ehemaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder für die Nobelmarke Brioni wurden ebenso thematisiert wie die Nadelstreifanzüge des SPÖ-Bundeskanzlers Franz Vranitzky. Apropos „Nadelstreif-Sozialist“: Das bekam schon Hannes Androsch, Finanzminister unter Bruno Kreisky, zu hören. Anständige Kleidung sei immer Grundsatz der Arbeiterbewegung gewesen, sagte Androsch dazu. Und: „Meine Oma hat mir eingefleischt, dass man immer ordentlich angezogen sein soll.“ Oma Androsch schwärmte auch vom sozialdemokratischen Politiker Karl Seitz, von 1923 bis 1934 Bürgermeister, der als einer der bestangezogenen Wiener galt.
Gemäß dieser Tradition trug auch Bruno Kreisky Maßanzüge, doch niemand wagte es, ihm dies zum Vorwurf zu machen. Spätere SPÖ-Bundeskanzler fielen mit legererem Umgang mit Dresscodes auf. Die weißen Radlerhosen von Alfred Gusenbauer gehören längst zum Kanon der schlimmsten Politiker-Outfits. Immerhin war der Anlass der Radlerhose ein Ausflug. Gusenbauer hätte aber wissen müssen, dass Politikerbeine in der Öffentlichkeit besser bedeckt bleiben. Dass sich ÖVP-Außenminister Alois Mock 1987 beim Staatsbesuch in Jordanien bei König Hussein kniefrei zeigte, hatte ein parlamentarisches Nachspiel. Ausgerechnet grüne Abgeordnete sorgten sich in einer parlamentarischen Anfrage um „Österreichs Ansehen“.
Manchem Politiker gelang es, Kleidungselemente zu Markenzeichen zu machen. FDP-Politiker Hans-Dietrich Genscher schien mit seinem gelben Pullunder verwachsen, ebenso wie ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel mit seinem Mascherl. Und selbst die Abwesenheit eines Kleidungsstückes wurde Teil mancher Legende. SPÖ-Querdenker Bruno Aigner gelang es auch als Mitarbeiter des Bundespräsidenten, seinem Schwur, niemals Krawatte zu tragen, treu zu bleiben.
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