Die Geschichte von Aufstieg und Fall der FPÖ: Was Kickl von Haider unterscheidet
Am Mittwoch jährt sich der Unfalltod Jörg Haiders zum 15. Mal. Eine (innen)politische Ewigkeit ist seither vergangen. Und doch hat man, gerade mit Blick auf die FPÖ, den Eindruck, die Geschichte wiederhole sich – und zwar im Sinne des berühmten Zitats aus Karl Marx „Achtzehntem Brumaire“ als Farce.
Aufstieg, Regierungsbeteiligung – und tiefer Fall: Nach Jörg Haider haben wir dasselbe Muster bei Heinz-Christian Strache erlebt. Und nun schickt sich der aktuelle FPÖ-Chef Herbert Kickl als Dritter in der Reihe an, seine Partei in lichte Höhen zu führen. Den Umfragen zufolge ist ihm das bereits gelungen – die Bestätigung bei den Nationalratswahlen im kommenden Jahr steht freilich noch aus.
Erstmals Platz eins?
Im Unterschied zu seinen beiden Vorgängern könnte er Platz eins erobern. Wie es dann weitergeht, steht allerdings in den Sternen.
Eine Regierung mit dem gegen jeden und alles und in alle Richtungen wild ausschlagenden Kickl kann man sich nur schwer vorstellen. Eine Koalition, deren einziger Kitt die Verhinderung einer blauen Kanzlerschaft oder zumindest neuerlichen Regierungsbeteiligung der FPÖ wäre, mindestens ebenso wenig. „Alle gegen Kickl“ wird nicht als Basis für eine sinnvolle Regierungsarbeit taugen – und zudem wäre eine solche Regierung mit Sicherheit eine der Verlierer: Nichts Besseres könnte der FPÖ passieren – eine Garantie für weiteren Aufwind.
Und völlig offen muss naturgemäß bleiben, ob Kickl im Fall von Regierungsehren Phase drei, der Absturz, erspart bliebe.
Weder Strache noch Kickl haben das Charisma, das Jörg Haider auszeichnete. Dieser war, was ihm auch seine erbittertsten Gegner nicht absprachen, ein politisches Ausnahmetalent. Als Erster und lange auch als Einziger hatte er etwa die strukturellen Schwächen der sozialpartnerschaftlich verfassten Zweiten Republik erkannt und unnachgiebig den Finger auf deren Wunden gelegt. Das legendäre „Taferl“ mit den exorbitanten Bezügen des steirischen AK-Präsidenten Rechberger steht exemplarisch dafür.
Auch sicherheitspolitisch brach Haider mit lieb gewonnenen österreichischen Eigenheiten: Im Unterschied zu seinen Nachfolgern war er durchaus neutralitätskritisch eingestellt und trat sogar für einen NATO-Beitritt ein. Und er war wohl – bei allem Hang zum Sozialpopulismus (z. B. öffentliche Geldverteilungsaktionen) – mit einem Wissen um ökonomische Notwendigkeiten ausgestattet.
Links von Haider
Herbert Kickl steht sozial- und wirtschaftspolitisch deutlich links von Haider (und wohl auch von Strache), die Neutralität hängt er – zumal vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges – eher noch höher als Strache.
Geblieben sind die prononciert konservative Positionierung in gesellschafts-, kultur- und identitätspolitischen Fragen (Stichworte: Political Correctness, Cancel Culture etc.), das Eintreten für einen restriktiven Migrationskurs sowie eine skeptische bis ablehnende Haltung gegenüber vertiefenden EU-Integrationsschritten, die „mehr Europa“ bedeuten würden.
Geblieben ist auch die Selbststilisierung als „Antisystempartei“. Sie hat sich als das wirksamste Mittel zur Stimmenmaximierung erwiesen.
Dass eine Koalition zwischen ÖVP und FPÖ heute schwieriger vorstellbar ist als zu Zeiten von Haider und Strache, hat zum einen wohl mit Kickls persönlicher antibürgerlicher Einstellung zu tun – ideologisch steht er in vielem der Sozialdemokratie näher; zum anderen aber liegt es natürlich an der Aufkündigung der VP-FP-Koalition durch Sebastian Kurz im Gefolge von „Ibiza“ 2019, insbesondere an der auf Vorschlag von Kurz erfolgten Entlassung Kickls als Innenminister. Diese persönliche Kränkung ist es wohl, die Kickl in seiner Anti-ÖVP-Obsession am meisten umtreibt.
Auf der persönlichen Ebene gibt es unterschiedliche Gemeinsamkeiten zwischen Haider, Strache und Kickl: Haider und Kickl sind Strache gewiss intellektuell überlegen, Haider und Strache glamouröser als der asketische Kickl, Strache und Kickl geradliniger, berechenbarer, schlichter gestrickt als der schillernd-facettenreiche Haider.
„A zittrige Freud’“
Kickl und auch Strache (ungeachtet „Ibiza“) fehlt jenes selbstzerstörerische Potenzial, welches Haider letztlich zum Verhängnis wurde und die Zusammenarbeit mit ihm zum Hasard machte.
Das Wort von Andreas Khol, wonach eine Allianz mit der FPÖ immer „a zittrige Freud’“ sei, galt daher bei Haider in besonderer Weise. Ob ein allfälliges Regieren mit Herbert Kickl nur „zittrig“ oder auch in irgendeiner Form „a Freud’“ werden kann, bleibt abzuwarten.
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