Zumindest der zweite Punkt treffe nicht, erklärt Ökonom Dénes Kucsera vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria. Ein Blick auf die Statistik zeigt: 83,5 Prozent der offenen Stellen, die im Vorjahr angeboten wurden, waren Vollzeitstellen. Betroffenen seien mittlerweile sämtliche Berufsgruppen, auch Büroarbeitskräfte und Hilfsarbeitskräfte, sagte Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas am Dienstag. "Insofern kann man mittlerweile mit guter Begründung von einem durchgehenden Arbeitskräftemangel sprechen und nicht mehr von einem Fachkräftemangel", so Thomas.
Kucsera warnt: "Der Fach- und Arbeitskräftemangel wird sich weiter verstärken, weil die Babyboomer-Generation in den kommenden Jahren in Pension geht." Das Problem: Der Großteil der neuen Erwerbstätigen arbeitet in Teilzeitjob. Zudem sind Personen, die bereits in Teilzeit arbeiten, seien damit "mehrheitlich zufrieden", sagt Kucsera.
Nur 16,5 Prozent der Männer und lediglich 12,9 Prozent der Frauen in Teilzeitjobs würden gerne länger arbeiten. Gleichzeitig würden gerne 25 Prozent der Frauen und 20 Prozent der Männer, die aktuell Vollzeitjobs nachgehen, lieber weniger arbeiten.
Gegenmaßnahmen
Mit Blick auf den Arbeitskräftemangel ein besorgniserregender Trend, befindet auch Kucsera. "Es braucht nicht nur Anreize, damit mehr Teilzeitkräfte in Vollzeitjobs wechseln, sondern auch dafür, damit Vollzeit-Beschäftigte in ihren Jobs bleiben." Grundvoraussetzung dafür seien flächendeckende Angebote bei der Kinderbetreuung, sagt der Ökonom. Um Vollzeittätigkeit zusätzlich attraktiver zu machen, brauche es auch steuerliche Anreize, etwa Tarifsenkungen im mittleren und oberen Einkommenssegment. Die Agenda Austria schlägt auch einen Sonderabsetzbetrag für jene vor, die mehr als 35 Wochenstunden arbeiten. Gleichzeitig brauche es Lösungen, um Menschen länger im Erwerbsleben zu halten.
Ein Problem: Wie viel man arbeitet, wird künftig wohl vor allem davon abhängen, in welcher Branche man tätig ist. Während Arbeitszeitreduktionen im Dienstleistungs- oder Pflegebereich aktuell eher schwierig sind, könnte die künstliche Intelligenz bürokratische Prozesse und Kreativbranchen grundsätzlich verändern. "Wir sehen, dass in einigen Jobs bei steigender Produktivität künftig eine Arbeitszeitreduktion möglich sein dürfte", sagt Kucsera.
Eine aktuelle Beschäftigungsprognose des WIFO im Auftrag des AMS zeigt: Vor allem in weiblich dominierten Berufen wie dem Sozialwesen oder dem Dienstleistungssektor wird der Bedarf an Arbeitskräften bis 2028 stark steigen. Rund 63 Prozent aller zusätzlichen Beschäftigungsverhältnisse bis 2028 entfallen auf Frauen. Da Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten, erwarten Wirtschaftsforscher einen zusätzlichen Anstieg von Teilzeitjobs.
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