Der härteste Polit-Job in der Pandemie

Die harten Tage beginnen mit Zahlen. Wenn die Experten der verschiedenen Gremien um 8 Uhr zum Pandemie-Update antreten, muss sich der Gesundheitsminister schon einen Überblick verschafft haben. Es folgen Gespräche mit den Gesundheitsreferenten der Länder – oft mit allen neun. Und dann gibt es freilich noch Redebedarf beim Koalitionspartner.
Der Arbeitstag eines Gesundheitsministers ist geprägt von wichtigen und vor allem langen Debatten – die in der Pandemie eigentlich nie ganz erledigt sind. So schildert es ein Vertrauter von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein, der sein Amt am Donnerstag zurückgelegt hat.
Er habe gemerkt, dass er nicht mehr jene 100 Prozent geben könne, die das Amt erfordert, sagte Mückstein. Zu schaffen machte dem Pandemie-Manager auch, dass er Tag und Nacht von Personenbeschützern begleitet werden musste, wegen Drohungen aus einschlägigen Kreisen.
Mit ähnlicher Begründung trat sein Vorgänger Rudolf Anschober im April 2021 ab, und Ähnliches zermürbte auch internationale Amtskollegen.
Österreich hat den mittlerweile dritten Gesundheitsminister in der Pandemie – und auch international ist der Job ein Schleudersitz. So mancher scheiterte am Regierungschef, wie etwa das Beispiel Brasilien zeigt: Luiz Henrique Mandetta war schon im April 2020 den Job los, weil er einen Lockdown forderte. Sein Nachfolger trat nach einem Monat ab. Aktuell versucht Marcelo Queiroga (Nummer vier) sein Glück.
Tschechien hatte 2021 schon drei Gesundheitsminister verschlissen, da musste einer davon – Adam Vojtěch – zurückkehren. Auch er war wegen Unstimmigkeiten mit dem Regierungschef zurückgetreten. Sein Nachfolger, Vlastimil Válek, ist seit Dezember im Amt.
Ilze Vinkele, Lettland, wurde das Misstrauen ausgesprochen. Sie sah sich als „Sündenbock“ für Fehler im Pandemiemanagement. In der Slowakei musste Marek Krajčí wegen einer Lieferung nicht zugelassenen Impfstoffes gehen, in Polen Lukasz Szumowski wegen überteuerter Schutzmasken.
In Rumänien gab es einen Brand mit mehreren Toten auf einer Intensivstation, der Nelu Tataru das Amt kostete. Alexandru Rafila ist mittlerweile der vierte Minister.
Anschober ist Polit-Profi – und scheiterte. Mückstein ist medizinischer Fachmann – und scheiterte. Jetzt folgt mit dem Vorarlberger Johannes Rauch (Grüne) wieder ein Polit-Profi. Wie er sein Amt anlegt, wird sich zeigen. Angekündigt hat er jedenfalls "faktenbasierte Entscheidungen“.

Designierter Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch
Das versprach auch Mückstein und wurde anfangs von den Ländern über den grünen Klee gelobt. Mit ihm gab es endlich einen direkten Draht, mit ihm konnte man auf kurzem Wege Probleme lösen, hieß es da. Mit manchen Landesräten telefonierte der Wiener sogar täglich, nicht selten riefen dann auch noch die Landeshauptleute bei ihm an.
Mückstein war da anders als Anschober. Die Termine mit dem Vorgänger wurden spöttisch als "Reden mit Rudi“ betitelt. "Eh nett – aber sinnlos.“ Mückstein verstand, dass seine Performance im Bund auch daran bemessen wird, wie gut er sich mit den Ländern – die das Testen, das Impfen und die Spitäler verantworten – koordiniert.

Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober
Ein wichtiges Instrument, das zum Job eines Pandemiemanagers gehört, habe er aber nie beherrscht, wie ein Insider aus einem roten Bundesland schildert: "Die Länder hätten über Parteigrenzen hinweg seine Verbündeten sein können. Stattdessen waren wir für ihn nur eine weitere Front, gegen die er angekämpft hat.“ Wenn die Bundes-ÖVP und Interessensvertreter etwa Lockerungen wollten, aber einzelne Landesräte (auch schwarze) skeptisch waren, sei der grüne Mückstein aus Koalitionsräson eher der Kanzlerpartei hinterhergetrippelt.
Gestaltungswille
Im Dreieck aus Experten, Ländern und Koalitionspartner galt für den Gesundheitsminister häufig: Der Kompromiss ist ein Sieg des Machbaren über das Gewünschte. Ein Beispiel dafür ist wohl die Impfpflicht. Die Länder forderten sie, Experten empfahlen sie, der Bund schaffte binnen kürzester Zeit ein Gesetz – und zögert jetzt, es scharf zu stellen.
Mückstein sei trotz aller Strapazen "jeden Tag aufgestanden mit dem Gedanken, das Beste herauszuholen. Sein Antrieb war immer sein Gestaltungswille“, heißt es aus seinem Umfeld. Allerdings tat er sich schwer, das klar und verständlich zu kommunizieren. Auch das wäre eine Kernaufgabe eines Pandemiemanagers. Bei Pressekonferenzen und Interviews blieb der 47-Jährige auch im zehnten Monat seiner Amtszeit hölzern.
Zuletzt trat die hohe Beamtin Katharina Reich vermehrt nach innen und nach außen auf. Sie ist Generaldirektorin für öffentliche Sicherheit im Ministerium und Leiterin des Krisengremiums Gecko. Wenn man wollte, dass etwas auf den Boden gebracht wird, rief man sie an – nicht mehr Mückstein, heißt es aus einem Bundesland.

Katharina Reich, Wolfgang Mückstein, Karl Nehammer
Nachfolger Rauch hat keine Schonfrist: Am Samstag fielen fast alle Schutzmaßnahmen – und das trotz hoher Infektionszahlen. Am Dienstag wird entschieden, wie es mit der Impfpflicht weitergeht. Die Impfzahlen stagnieren, im Herbst wird eine neue Coronawelle erwartet. Und bis Ende März muss eine neue Teststrategie stehen.
Die wirklich harten Tage, sie stehen dem Vorarlberger Rauch erst bevor.
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