Wer verstehen will, welches Wertegerüst die Demonstranten zusammenhält, macht damit wohl den ersten Fehler. Denn die „Querdenker“ brauchen keine einende Ideologie. Für sie ist der Widerstand gegen den Lockdown keine politische Frage, sondern eine des Charakters, wie sie sagen. In ihrer Eigenwahrnehmung sind sie diejenigen, die den Mumm haben, aufzubegehren – und zwar jeder gegen etwas anderes: gegen Zwangsmaßnahmen, Impfungen, Masken, geschlossene Wirtshäuser – oder eben die Weltherrschaft von CIA und Illuminaten.
Das Modell ist flexibel wie die Protagonisten selbst: Einer der Demo-Organisatoren, Martin Rutter, begann bei den Grünen, wechselte ins Team Stronach und schaffte es bis in den Kärntner Landtag, ehe er wegen rechtsextremer Ansichten aus der Partei flog.
Die Aktivisten fordern „Entscheidungsfreiheit“ beim Impfen und Maskentragen. Und weil sie „Freiheit“ rufen, halten sie sich für tolerant.
Gerade das sehen Beobachter völlig anders. „Ich halte die Aktivitäten durchaus für demokratiegefährdend“, sagt Experte Andre Wolf über die Aktivitäten.
Und nicht nur er. Schon am Wochenende hat die Leiterin des Extremismusreferats im Verfassungsschutz via KURIER gewarnt, dass hier „staatsgefährdendes Potenzial“ vorhanden sei und man mit Gewalt gegen öffentliche Institutionen rechnen müsse – dies umso mehr, als rechtsradikale Kräfte zu den rührigsten Organisatoren des Widerstandes gehören.
Als Brandbeschleuniger fungieren vielfach Soziale Medien, die zu vergleichsweise geringen Kosten nie da gewesene Möglichkeiten bieten, Gleichgesinnte zu finden und zu organisieren.
Doch was ist es, was die „Querdenker“ und Verschwörungstheoretiker antreibt?
Der Erfurter Wissenschafter Philipp Schmid hat sich mit der Welt der Impfgegner auseinandergesetzt. Folgt man seinen Thesen, lassen sich Phänomene wie die Querdenker nicht politikwissenschaftlich, sondern psychologisch erklären.
Die Kurzfassung: Wer für sich beansprucht, eine Weltverschwörung durchschaut zu haben, stellt sich intellektuell auf eine höhere Stufe als „den Rest“ – er oder sie deckt ein narzisstisches Bedürfnis.
Und noch eine psychologische Funktion erfüllen Verschwörungstheorien: Sie schützen vor dem Gefühl des völligen Kontrollverlustes. Für Verschwörungstheoretiker ist die Pandemie keine Naturgewalt, die der Mensch erst versuchen muss zu beherrschen. Statt das Naturereignis als solches zu akzeptieren, glauben sie lieber an „geheime Mächte“ wie eine „Schattenregierung“ oder die Illuminaten. Das Motto: Besser die Bösen kontrollieren, als man hat es mit etwas Unkontrollierbarem zu tun.
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