Seit Jörg Haider 1986 die FPÖ zur rechtspopulistischen Partei ummodelte, beschäftigt sich die heimische Innenpolitik mit der Frage: Wie soll man mit der FPÖ umgehen? Strikt abgrenzen? Nachahmen? In Regierungsfunktion „entzaubern“?
Nach dreieinhalb Jahrzehnten wurde kein Rezept gefunden. Aktuell führt die FPÖ sogar in den bundesweiten Umfragen. Die vielen Krisen verursachen Zukunftsängste, und das spielt der FPÖ in die Hände. „Angst war immer schon der Motor des Rechtspopulismus“, sagt der Kommunikationsexperte Maximilian Gottschlich.
„In der Demokratie verbietet es sich, solche Aussagen zu übergehen, nur um den demokratiefeindlichen Populisten ,keine Bühne zu geben‘. Im Gegenteil: Man muss sich offensiv mit ihnen auseinandersetzen, um zu verhindern, dass die Rechtspopulisten die Themenhoheit übernehmen“, sagt Gottschlich.
Die Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle sieht hingegen die Gefahr, dass man wenig bedeutende Politiker wie den erwähnten Waldhäusl damit aufwertet. Solche Provokationen zu ignorieren, sei aber auch nicht ideal. „Am besten ist, die anderen Parteien replizieren darauf kurz und bestimmt. Aber sie dürfen sich nicht von den Rechtspopulisten ständig die Themen vorgeben lassen. Es gibt Wichtigeres.“
Sebastian Kurz hat es mit der Methode der Nachahmung versucht. Ist das ein taugliches Mittel gegen den Rechtspopulismus?
„Eindeutig nein: Es darf keinen Überbietungswettbewerb im Negativen, in der Menschenverachtung, im Chauvinismus und in der Missachtung des Rechtsstaats geben“, sagt Gottschlich. Das heiße aber auch, reale Schwierigkeiten der Integration, der Brennpunktschulen etc. offen und transparent zu benennen und Wege der Krisenbewältigung aufzuzeigen. „Dazu bedarf es einer neuen Fehlerkultur: Dort, wo es zu politischem Versagen kommt, sind die Fehler zu benennen und nicht zu verschweigen und zu vertuschen. Vertrauen ist auch eine Funktion der Transparenz.“
ÖVP trägt an Kurz-Schäden
Stainer-Hämmerle sieht die Problematik bei Kurz insbesondere darin, „Stilmittel der Rechtspopulisten“ übernommen zu haben: die Angriffe auf die Justiz, das Parlament nicht ernst zu nehmen, Höchstgerichtserkenntnisse zu ignorieren. „Er hat Zweifel an den demokratischen Institutionen geschürt um des eigenen Erfolgs willen. Dieses Misstrauen gegenüber der Politik und den Institutionen bleibt nun in erster Linie an der ÖVP als Kanzlerpartei hängen.“
Den Profit der geschürten Demokratieskepsis können nun die Freiheitlichen abschöpfen.
Die Politikforscherin meint, ein probates Mittel, um den Zulauf zur FPÖ nicht noch mehr anzuheizen, sei, dass die anderen Parteien den Umgang miteinander verbessern, dass sie mehr Respekt an den Tag legen und sich gegenseitig Erfolge gönnen.
Franz Vranitzky - Die strikte Abgrenzung als Staatsräson
Als Jörg Haider 1986 zum FPÖ-Obmann gewählt wurde, kündigte Franz Vranitzky die damalige rot-blaue Koalition, machte Neuwahlen und eine Große Koalition. Diese Absage an die Haider-FPÖ sollte bestimmendes Thema seiner gesamten Amtszeit sein. Das hatte auch mit Kurt Waldheim und dessen umstrittener „Pflichterfüllung“ in der NS-Zeit zu tun. Vranitzky repräsentierte die neue Zeit und machte das „Nie mehr wieder“ zur Staatsräson. Die Abgrenzung von der FPÖ war auch Kitt für die SPÖ, deren 70er-Jahre-Ideologie in der Ära der schicken Anzugträger etwas verstaubt wirkte. Die Polarisierung zwischen SPÖ und FPÖ nutzte auch der FPÖ: Jörg Haider wurde so zum Gegenspieler des Kanzlers, und wer die Regierung bestrafen wollte, machte sein Kreuz bei der FPÖ. Das große gemeinsame Projekt des EU-Beitritts brachten SPÖ und ÖVP 1994 zusammen. Doch das FPÖ-Tabu wurde bald danach löchrig.
Wolfgang Schüssel - FP zerschellt an ÖVP-Kanzler und sich selbst
Im Februar 2000 brach ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel das Tabu, mit dem bis in die USA verschrienen Rechtspopulisten Jörg Haider, eine Regierung zu bilden. Schüssel war nicht blau angehaucht, er war ein gestandener Bürgerlicher. Er benutzte die FPÖ, um seine Vorstellungen von Reformpolitik in Österreich durchzuziehen. Außerdem wollte Schüssel der ÖVP das Kanzleramt zurückbringen. Dazu setzte er sich mit Haider in den Porsche und verbrauchte in den sechs Jahren gemeinsamen Regierens drei blau-orange Vizekanzler und noch mehr Parteiobleute seines Koalitionspartners. Die FPÖ zerschellte in der Regierung zwei Mal: 2002 in Knittelfeld, was Neuwahlen zur Folge hatte; 2005 spaltete sie sich in Blau und Orange. Doch trotz der Dauerkrisen schrumpfte das rechtspopulistische Stimmenreservoir nicht. Bei der Wahl 1999 hatte Haider 27 Prozent erzielt, 2008 bekamen BZÖ und FPÖ gemeinsam 28 Prozent.
Erwin Pröll - Wertkonservativ und geerdet gegen FPÖ
In Niederösterreich ist die FPÖ am Sonntag auf 24 Prozent angewachsen. Erwin Pröll hatte es zu seiner Amtszeit geschafft, sie auf 16 Prozent zu begrenzen. Selbst mit Jörg Haider konnten die Blauen in NÖ nie so Fuß fassen wie anderswo. Warum? Prölls Beispiel zeigt, dass man kein „Linker“ sein muss, um die FPÖ-Auswüchse abzulehnen. Pröll ist ein gestandener Wertkonservativer und atmete durch seine bäuerliche Herkunft Heimatverbundenheit. Er hat seinen eigenen Kompass. „Bei allem, was im weitesten Sinn Ordnung betrifft, hat er Signale nach rechts gesandt“, sagt ein Pröll-Kenner. Aber es war stets klar, was ihn von der FPÖ unterscheidet. Wofür er steht. „Das schafft Vertrauen“, so der Pröll-Kenner. Im Wahlkampf 2003 befürwortete Pröll die EU-Erweiterung, obwohl die FPÖ tobte – und wurde mit der Absoluten belohnt. 2007 baute er dem FPÖ-Feindbild Hermann Nitsch ein Museum, 2008 erreichte er erneut die Absolute.
Sebastian Kurz - Erfolg durch Nachahmung, ein Strohfeuer
Türkis ist in der Farbpalette sehr nahe an Blau. Und das war das Rezept, mit dem Sebastian Kurz seine Partei in den Jahren 2017 bis zu seinem Rücktritt 2021 zu Wahlerfolgen führte: Er ahmte die FPÖ täuschend ähnlich nach. Kurz’ Schwiegersohn-Charisma und die zur Schau gestellte Höflichkeit gaben ihm den Anstrich eines Politikers, der ungefähr dasselbe machen würde wie die FPÖ, aber dabei salonfähig bleibt. Das Abenteuer währte nicht lange, und seit Kurz weg ist, zahlt die ÖVP die Zeche. Sie verliert nicht nur, was sie durch Kurz dazu gewonnen hat, sondern stürzte in Tirol und Niederösterreich geradezu ab. „Jeder weiß, wofür die FPÖ steht. Sie hat sich diesen Wettbewerbsvorteil über die Jahre aufgebaut, das kann man nicht so leicht auf eine andere Partei transferieren“, sagt die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle. Noch dazu, wo die ÖVP die Linie nicht durchhält, da z. B. die Wirtschaft Zuwanderer brauche.
Peter Kaiser - Eine Person verkörpert die Gegenwelt
Kärnten war Jahrzehnte lang die Festung der FPÖ. Haider-Country. Bis heute ist dort das Potenzial der Rechten enorm. Walter Rosenkranz bekam in Kärnten 24 Prozent der Stimmen und Bundespräsident Alexander Van der Bellen hätte in Kärnten als einzigem Bundesland bei seiner Wiederwahl in eine Stichwahl müssen. Dennoch regiert ein linker Intellektueller Kärnten seit zehn Jahren, seit fünf sogar mit fast absoluter Mehrheit (18 von 36 Mandaten). Wie ist das möglich? „Ohne das, was vorher geschah, wäre Kaiser nicht Landeshauptmann geworden“, glaubt die in Kärnten lehrende Politikforscherin Kathrin Stainer-Hämmerle. Haider und dessen Erben haben das Land ruiniert und „Gaudi-Politik“ gemacht. Als alles zusammenbrach, herrschte Sehnsucht nach Ruhe, Seriosität und einem Repräsentanten, für den man sich nicht genieren muss. Kaiser führt jetzt erneut einen „Wohlfühl-Herzerl“-Wahlkampf. Ob das in den aktuellen Krisen reicht, wird der Wahltag am 5. März zeigen.
Anm: In einer früheren Version stand hier, dass Walter Rosenkranz vorne lag, das war ein Fehler, Rosenkranz blieb mit 24 Prozent deutlich hinter Van der Bellen, der mit 47 Prozent in Kärnten allerdings deutlich schlechter als in allen anderen Bundesländern abschnitt. Bitte um Verzeihung für den Fehler, DK
Kommentare