Covid-Strategie: Warum es zwischen Bund und Wien kracht
Als die Regierungsteams von ÖVP und Grünen am Mittwoch in einem Seminarhotel in Mauerbach beim Mittagessen saßen, fiel zwischen Eierschwammerl und Tafelspitz eine Bemerkung, die nach der Veröffentlichung im KURIER für veritable Aufregung, man könnte auch sagen: für einen „Shitstorm“, sorgte.
In Hörweite des Kanzlers hatte ein Regierungsmitglied gegen Wiens Pandemie-Politik und den „Wiener Weg“ vom Leder gezogen; und das gipfelte in der Aussage, man habe als Bund sogar Grundwehrdiener in die Spitäler schicken müssen, um die Belagszahlen zu erheben.
Keine Soldaten
Tatsächlich konnte die unüberhörbare Emotion nicht ganz mit den Fakten mithalten. Denn wie tags darauf das Verteidigungs- und das Gesundheitsministerium versicherten, hat sich dieser Vorgang so nie zugetragen.
Ja, es gab konkrete Pläne für Assistenz-Einsätze in den Spitälern; aber nein, am Ende kam es dann doch nicht dazu. Das ändert freilich nichts an der politischen Relevanz der Äußerung. Denn die Aufwallung zeigt exemplarisch das – gelinde gesagt – eher angespannte Verhältnis zwischen der Bundesregierung und den politisch Verantwortlichen in der Hauptstadt.
Während der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) dem Bund ein „Pippi-Langstrumpf“-Syndrom befundet, ist die Einschätzung auf der anderen Seite nicht minder skeptisch.
Reibereien unter Kurz
Zusammengefasst lässt sich die Situation so beschreiben: Während es in der Ära Sebastian Kurz insbesondere zu Reibereien zwischen der türkisen Regierungsmannschaft und der SPÖ-geführten Stadtregierung kam, hegt heute auch das Grün-geführte Gesundheitsministerium den Verdacht, dass Wiens Pandemie-Politik mehr politischem Kalkül als sachlichen Argumenten folgt. Das ist ein harter Vorwurf. Aber er wird ganz offen geäußert. So hat Gesundheitsminister Johannes Rauch beim Bund-Ländergipfel am Wochenbeginn sehr klar gemacht, dass Wien beim Aus für die Quarantäne keinen Sonderweg bekomme – keine Hauptstadt in Europa leiste sich andere Quarantäne-Regeln als der Rest des Landes.
Covid-19-Register
Als der Streitpunkt schlechthin gilt freilich das „Covid-19-Register“.Heute will es Katharina Reich, Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit, in Betrieb nehmen. Und für die Pandemie-Bekämpfung ist es laut Ministeriumssprecher „von zentraler Wichtigkeit“, weil es tagesaktuell nicht nur Alter, Geschlecht und Impfstatus von Covid-Patienten, sondern den Grund für deren Hospitalisierung erfasse – also ob jemand wegen oder „nur“ mit Corona im Spital liegt.
An dieser Stelle hakt es. Denn „als größter Spitalsbetreiber Österreichs verweigert der Wiener Gesundheitsverbund die Teilnahme am Register“, moniert das Gesundheitsministerium. Als Argument nenne Wien den Datenschutz – aber der ziehe nicht. „Die Datenschutzbehörde ist in der Angelegenheit bereits befragt worden und hat keine datenschutzrechtlichen Bedenken erkennen können. Bis auf Wien melden alle Bundesländer ihre Spitalsdaten in das Covid-19-Register ein.“
Und Wien? Hier sieht man die Sache völlig anders. Erstens gäbe es all die Daten längst – nur interessiere sich der Bund halt nicht dafür. Und was das Einpflegen in die Datenbank angehe, könne der Bund die Stadt mit einer einfachen Pflicht-Verordnung dazu zwingen, heißt es im Büro Hacker. Das setze aber voraus, dass der Bund die Verantwortung übernimmt, was mit den Patientendaten geschehe.
Kurzum: Ein Ausweg aus der politisch unerquicklichen Situation erscheint derzeit ausnehmend schwierig.
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