Peter Hacker: "Hoppalas der Regierung fast im Stundentakt"

Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). 
Für den roten Wiener Gesundheitsstadtrat leidet Türkis-Grün bei der Corona-Politik am „Pippi-Langstrumpf-Syndrom“.

KURIER: Sie sind auf den Weg in den Urlaub nach Griechenland, wo bald strengere Corona-Regeln gelten als in Österreich. Fühlen Sie sich dort sicherer als daheim?

Peter Hacker: Die strengeren Regeln gelten auch in Italien und in anderen großen Ländern rund um Österreich. Man sollte den Menschen auch klar sagen, dass man als Infizierter nicht dorthin fahren darf, weil es dort sehr wohl noch die Quarantäne gibt.

Es gab Zeiten, in denen für Sie ein Lockdown undenkbar war. Nun warnen Sie vor einem neuerlichen im November. Ist das nicht etwas dick aufgetragen?

Nein. Die erste Aussage stammt aus 2020. Dazwischen liegt eine lange Lernkurve. Diese sollte auch die Regierung hinter sich gebracht haben. Wenn wir heuer den gleichen Fehler machen wie im Vorjahr – als „ein Sommer wie damals“ verkündet wurde, werden die Infektionsraten weiter in die Höhe gehen.

Warum haben Länder wie die Schweiz, die die Quarantäne abgeschafft haben, trotzdem keine großen Probleme?

Die Durchimpfungsrate ist dort deutlich höher, auch Corona-Medikamente sind breiter im Einsatz. Ich bin kein einsamer Unkenrufer. Die WHO hat dazu aufgerufen, Maßnahmen zu ergreifen, um eine Herbstwelle zu verhindern. Wir leisten uns den Luxus, die Experten zu ignorieren. Johannes Rauch macht die gleichen Fehler wie sein Vorgänger und wie Ex-Kanzler Sebastian Kurz. So stolpert die Bundesregierung ins nächste Desaster.

Wann wäre für Sie der Punkt, an dem es keine Beschränkungen mehr braucht?

Wenn die WHO die Pandemie für beendet erklärt.

Wer ist für der Agieren in der Regierung hauptverantwortlich? Und was sind die Beweggründe dahinter?

Ich bin kein Psychotherapeut und nicht dazu berufen, die Motivation für das Chaos, das der Bund anrichtet, zu erforschen. Das ist nur noch

ein Dahintaumeln, fast im Stundentakt passieren Hoppalas. Von den Aussagen zu den Kindergärten bis hin zum Contact Tracing.

Laut Regierung mussten Grundwehrdiener in die Wiener Spitäler geschickt werden, um eine Patienten-Bestandsaufnahme zu machen.

Die Behauptung ist ein Stuss, der jeder Beschreibung spottet. Das ist rein rechtlich nicht möglich. Aber das passt zu dem Gerüchtebrei, mit dem der Bund versucht, sich seine eigene Welt zusammenzuzimmern. Man leidet unter dem Pippi-Langstrumpf-Syndrom.

Peter Hacker: "Hoppalas der Regierung fast im Stundentakt"

Wien wird vorgeworfen, als einziges Bundesland keine Daten von Spitalspatienten an das Covid-Register zu liefern. Warum liefern Sie nicht?

Das ist ein Nonsens. Wir diskutieren das Thema seit ewigen Zeiten in der Gesundheitsreferentenkonferenz – und seit ewigen Zeiten werden unsere Fragen nicht beantwortet: Wann gibt es die rechtliche Grundlage? Warum müssen die Spitäler selbst die Verantwortung für den Datenschutz übernehmen? Währenddessen schicken wir ständig Daten, die vom Bund nicht ausgewertet werden.

Laut Gecko-Vorsitzender Katharina Reich sind nur mehr 50 Prozent der infizierten Spitalspatienten tatsächlich  wegen Covid im Spital. Überschätzen Sie die Gefährlichkeit der Erkrankung?

Das ist keine neue Erkenntnis. Danach unterscheiden wir in Wien schon längst. Es ist auch unerheblich für die Belastung der Spitäler. In beiden Fällen handelt es sich um hochinfektiöse Patienten. Am Mittwoch haben bei einer Sitzung Ärzte aus Innsbruck berichtet, dass sie jede zweite Herz-OP verschieben müssen. Der Minister sagt dann, es gebe keine Probleme in den Spitälern. Wenn er die Diskussion verweigert, wird er keinen Applaus bekommen.

Werden in den Gemeindespitälern Infizierte arbeiten?

Nein, fix nicht.

Und in anderen städtischen Bereichen wie Schulen, Kindergärten oder Öffis?

Das wird gerade geprüft. Ich finde, dass Kranke nichts am Arbeitsplatz verloren haben. Diese Fragen hätten im Vorfeld mit den Sozialpartnern geklärt werden müssen. Dass das nicht passiert ist, sieht man an den Wortmeldungen von Arbeiter- und Wirtschaftskammer.

Aber hat nicht auch Wien für Verwirrung gesorgt – mit der Maskenpflicht, die im Zug nur bis zur Stadtgrenze gilt?

Diese Verwirrung ist durch das abrupte Ende der Maskenpflicht des Bundes entstanden. Die Wiener verstehen unsere Regeln und halten sie ein. Was sie nicht verstehen, ist, dass alle 14 Tage andere Regeln gelten.

Zu Beginn der Pandemie waren Sie gegen eine Impfpflicht. Im heurigen Jänner nannten Sie sie „alternativlos“. Im Juni haben Sie dann die Abschaffung begrüßt. Ist das besonders konsequent?

Der damalige Kanzler Alexander Schallenberg hat die Bundesländer um einen Schulterschluss gebeten, um die Impfpflicht einführen zu können. Wir haben uns dazu bereit erklärt. Dann hat die Regierung den Beschluss zwei Monate später aufgehoben. Worauf ich gesagt habe, dass ich nichts gegen eine Abschaffung habe, weil so ein inkonsequentes Instrument nichts bringt.

Was war Ihre größte Fehleinschätzung nach zweieinhalb Jahren Pandemie?

Dass ich am Beginn davon ausgegangen bin, dass das mit der Herdenimmunität funktioniert. Sonst fällt mir nichts ein. Aber natürlich ist eine Pandemie ein Lernprozess.

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