"Sparsame Vier" legen EU eigenen Corona-Hilfsplan vor
Die EU will den Corona-gebeutelten Staaten mit riesigen Summen unter die Arme greifen. Die Frage ist nur, ob das Geld von den einzelnen Nationalstaaten zurückgezahlt werden muss oder nicht.
Gegen letztere Idee stemmen sich die sogenannten "Sparsamen Vier", konkret die kleineren Nettobeitragszahler Österreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark. Gemeinsam legten sie Samstagfrüh einen zweiseitigen Entwurf vor, wie aus ihrere Sicht die Milliardensummen aufgebracht werden können:
Ein Wiederaufbaufonds soll aufgelegt werden, auf Basis eines modernisierten EU-Budgets - mit dem Motto "Kredite für Kredite". Das würde den "fundamentalen Prinzipien des EU-Budgets entsprechen", heißt es in dem Papier.
Die vier mit einander in Finanzfragen verbündeten EU-Staaten seien durchaus bereit, "Solidarität zu zeigen und den von der Corona-Krise hart getroffenen Ländern mit Krediten zu günstigen Bedingungen zu helfen", ist weiter zu lesen. "Daher treten wir ein für eine einmalige Nothilfe zur Erholung von der Corona-Krise anstelle eines Weges in eine dauerhafte Schuldenunion." Diese Nothilfe soll, so der Vorschlag, auf zwei Jahre befristet sein.
Zudem sollen die Kredite projektbezogen für den Wiederaufbau und die Widerstandsfähigkeit des Gesundheitssektors und der Wirtschaft eingesetzt werden.
Sparen, sparen, sparen
Außerdem verlangen die "Sparsamen Vier" ein modernisiertes EU-Budget für die kommenden Jahre 2021 bis 2027. Und auch hier beharren sie auf ihrer Position: Die Beitragszahlungen sollen nicht steigen, neue Prioritäten des Haushaltes sollen gesetzt werden und in Bereichen, wo es möglich sei, müsse gespart werden.
An dieser Position sind die Budgetverhandlungen unter den EU-Regierungschefs schon im Februar gescheitert. Sowohl die Kommission als auch viele Südstaaten hatten eine Erhöhung des europäischen Haushaltes gefordert.
Die Vierer-Allianz wirft damit Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron den Fehdehandschuh hin. Die politischen Führer der zwei Staaten, die gemeinhin als "Motor der EU" bezeichnet werden - beide natürlich auch Nettobetragszahler -, haben gemeinsam in dieser Woche ein Konzept vorgelegt, wonach 500 Milliarden Euro von der EU-Kommission als Kredite am Kapitalmarkt aufgenommen und über den EU-Haushalt als Zuwendungen verteilt werden sollen.
Eine halbe Billion Euro also. Und was wohl niemand von Deutschland erwartet hatte: Die Mittel sollen eben nicht als Kredite, sondern als nicht rückzahlbare Zuschüsse vergeben werden. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni: „Beide Länder haben anerkannt, dass wir uns in einer außergewöhnlichen Lage befinden, die eine außergewöhnliche Reaktion erfordert“, sagte der Italiener.
Sein Heimatland Italien gehört übrigens auch zu den Nettobeitragszahlern, was angesichts der Schuldendebatte gern vergessen wird.
Grüner Koalitionspartner reagiert verhalten
Zurückhaltend reagierte der Europasprecher der Grünen, Michel Reimon. Zuschüsse würden in der EU eher eine Mehrheit bekommen als Kredite, sagte Reimon im Mittagsjournal. Diesen Standpunkt der Grünen haben man Kanzler Kurz nahe gebracht.
Reimon geht aber in jedem Fall davon aus, dass es früher oder später zu einem Kompromiss beim Wiederaufbaufonds kommen werde - in Form einer Mischung aus Krediten und Zuschüssen.
Italien kritisiert "unangemessenen" Entwurf
Italien hat den Gegenentwurf als "defensiv und unangemessen" zurückgewiesen. Die schwere Rezession verlange "ambitionierte und innovative Vorschläge", denn der Binnenmarkt mit seinen Vorteilen für alle Europäer sei in Gefahr, erklärte Europaminister Enzo Amendola am Samstag auf Twitter. Die EU-Kommission müsse bei ihrer Diskussion über das Thema am 27. Mai "mehr Mut" aufbringen.
Kommenden Mittwoch will nun die EU-Kommission ihre Pläne für den Corona-angepassten Haushalt und auch ihr Konzept für den Wiederaufbau-Fonds vorlegen. Wie der KURIER erfuhr, liegen die Pläne Brüssels näher bei den Vorstellungen des Teams Merkel-Macron als bei jenen des Teams rund um Sebastian Kurz.
Das Europäische Parlament wiederum, das sowohl zum EU-Budget als auch zum Wiederaufbaufonds seine Zustimmung geben muss, hat noch viel ambitioniertere Zielsetzungen: Der Fonds, der überwiegend aus Zuschüssen bestehen soll, müsse ein Volumen von 2.000 Milliarden erreichen.
SPÖ-Abgeordnete kritisieren "Marketing-Gag"
Die SPÖ-Europaabgeordneten Andreas Schieder und Evelyn Regner kritisieren den Vorschlag der österreichischen Bundesregierung zur Corona-Krisenfinanzierung als „mutlos und reinen Marketing-Gag“. SPÖ-EU-Delegationsleiter Schieder bezeichnet in einer Aussendung den Gegenvorschlag zur Initiative der deutschen Kanzlerin und des französischen Präsidenten als „mehr als dürftig.“
„Statt kleingeistigem Geiz braucht es gemeinsame Visionen, echte Hilfsbereitschaft für unsere besonders betroffenen europäischen Nachbarn und ökonomische Vernunft“, so Schieder. An gemeinsamen Anleihen führe „kein Weg vorbei, es braucht frisches Geld, das direkt und unbürokratisch vergeben wird.“
Die konkreten Verhandlungen werden am Mittwoch beginnen: Und da alle Positionen extrem weit auseinander liegen, stehen der Europäischen Union erneut heftige Auseinandersetzungen bevor.
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