Dagegen, unentschlossen oder zu bequem? Wer noch nicht geimpft ist
Knapp 60 Prozent der Österreicher haben sich zumindest einen Erststich abgeholt. Aber wie können jene motiviert werden, die bislang noch gar nicht zur Corona-Impfung gegangen sind?
Diese Frage beschäftigt angesichts täglich sinkender Impfzahlen (siehe Grafik unten) derzeit die Politik. Und je langsamer in Österreich geimpft wird, desto lauter werden die Appelle und kreativer die Ideen.
Vom Impfboot auf der Alten Donau für das niederschwellige Angebot über mehr oder weniger sanften Druck durch das Ende der Gratis-Tests bis hin zu Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen reichen derzeit die Vorschläge.
Die Politikwissenschafterin Katharina T. Paul und der Kommunikationswissenschafter Jakob-Moritz Eberl von der Universität Wien geben nun eine neue, überraschende Antwort.
Will die Politik die Impfquoten steigern, muss sie auf Frauen setzen, sagen die beiden im Gespräch mit der APA.
Frauen würden nämlich einen großen Teil jener Gruppe ausmachen, die der Corona-Impfung zwar skeptisch gegenüber steht, aber potenziell noch erreichbar ist. Durch zielgerichtete Kampagnen könnte man so auch die Impfquoten bei Kindern steigern.
15 Prozent harte Impfgegner
Konkret lehnen in Österreich 15 Prozent der Über-14-Jährigen eine Corona-Impfung aus Überzeugung ab, zeigen Daten des Austria Corona Panel Project der Uni Wien, für das seit Mai 2020 je 1.500 Personen regelmäßig befragt werden.
Diese Gruppe zum Impfen zu bewegen, sei wegen ihrer seit Beginn der Pandemie eingefahrenen Einstellungen"ganz schwierig", so Studienmitarbeiter Eberl.
"Würden die Verantwortlichen in der FPÖ eine Corona-Impfung empfehlen, würden wir hier viel weiterkommen", betont der Kommunikationswissenschafter. Das werde allerdings wohl nicht passieren und auch wegen der bei Impfskeptikern vorherrschenden Skepsis gegenüber Wissenschaft und Medien sei diese Gruppe besonders schwer erreichbar.
11 Prozent grundsätzlich impfbereit
Großes Potenzial für eine Steigerung der Impfquote sieht Eberl allerdings bei jenen elf Prozent, die sich selbst grundsätzlich als impfbereit einstufen, sowie jenen fünf Prozent, die sich "eher nicht" impfen lassen wollen. Während die Impfbereiten sich in der Regel ohnehin tatsächlich immunisieren lassen, brauche es für die "Zweifler" besonders einfach zugängliche Angebote wie Impfungen im Einkaufszentrum oder speziell auf die Zielgruppe ausgerichtete Informationskampagnen.
Bildung bei Impfwahrscheinlichkeit nicht entscheidend
Dabei sollte der Fokus allerdings nicht auf den ohnehin nicht erreichbaren impfskeptischen Männern aus dem rechten politischen Spektrum liegen, sind sich Paul und Eberl einig. Auch Bildung sei bei der Impfwahrscheinlichkeit nicht entscheidend, "deshalb ist auch Kommunikation - also Aufklärungskampagnen - nur bedingt wirksam", so Paul. Vielmehr solle man der Gruppe der Frauen besondere Beachtung schenken.
Diese sind nämlich, wenn man die Gruppe der unerreichbaren Impfskeptiker beiseite lässt, deutlich zurückhaltender bei der Entscheidung für eine Corona-Impfung als Männer: Im Mai zählten beim Austrian Corona Panel Project - nach Bereinigung um schwer zu ändernde Faktoren wie etwa Alter, Bildung - 23 Prozent der Frauen zur Gruppe der Impfskeptiker. Unter Männern haben damals 18 Prozent die Frage, ob sie sich ehestmöglich impfen lassen werden, (eher) verneint. Bei der Frage, ob sie ihr Kind bei Vorliegen eines für diese Gruppe zugelassenen Impfstoffes ehestmöglich impfen lassen wollen, waren zwei Drittel der befragten Frauen ablehnend oder unentschieden, unter Männern waren es 57 Prozent.
Der Grund für die höhere Skepsis von Frauen gegenüber der Corona-Impfung laut Paul: die höhere Betroffenheit. Sie seien eher das Ziel von Falschinformationen - etwa den früh aufgetauchten Behauptungen, dass die Covid-19-Impfung sich auf die Fruchtbarkeit auswirke - und auch tatsächlich häufiger von etwaigen Nebenwirkungen wie Thrombosen betroffen. Letztere seien medial leider deutlich stärker kommuniziert worden als die Tatsache, dass die Wahrscheinlichkeit einer Thrombose bei einer Covid-Infektion deutlich größer ist als nach einer Impfung, bedauern Paul und Eberl.
Frauen grundsätzlich impfskeptischer
Frauen waren außerdem auch schon vor Corona stärker von Impfskepsis betroffen. Als Grund vermutet Paul, dass in der Regel Frauen mit ihren Kindern zu den Vorsorgeterminen gehen und dabei Nutzen und mögliche Nebenwirkungen bzw. Risiken von Impfungen abwägen müssen. "Dieses Konfrontiertsein mit dieser Entscheidung macht etwas mit der impfkritischen Haltung."
Um die Impfquote unter Frauen und in weiterer Folge auch unter Kindern zu steigern, sollte deshalb anstelle von reiner Information auf einen Dialog mit den Familien gesetzt werden, bei dem sich Ärzte auch wirklich Zeit für das Beantworten von Fragen etwa rund um mögliche Risiken oder Nebenwirkungen nehmen können. "Das Ernstnehmen der Sorgen kann einen großen Unterschied bewirken in Entscheidungen für eine Impfung, auch bei Covid." Vor allem in ländlichen Gebieten seien Hausärzte hier ein wichtiger Hebel.
Künftige Kampagnen sollten außerdem auch auf die Frage setzen, wie die Impfentscheidung stärker von den Jugendlichen selbst getroffen werden kann. Diese Gruppe dürfe man übrigens trotz der geringen Impfquote nicht als impfunwillig oder -skeptisch einordnen. Immerhin gebe es erst seit Kurzem überhaupt ein Impfangebot für diese Gruppe, dazu komme eine Verzögerung durch die Ferienzeit.
Niederschwellige Angebote
Grundsätzlich müsse das Impfen den Menschen so einfach wie möglich gemacht werden, betonen Paul und Eberl. So könne man auch jenen relevanten Teil unter den Ungeimpften besser erreichen, die in niedrigqualifizierten Jobs tätig sind und etwa den Besuch einer Impfstraße schwer in ihren Arbeitsalltag eintakten können.
Für Druck, etwa durch unterschiedliche Regelungen für Geimpfte und Ungeimpfte an den Schulen, sei es hingegen zu früh, so Paul auch mit Verweis auf Epidemiologen. "Das könnte für Verwirrung sorgen, für Widerstand und eine Art Spaltung der Gesellschaft." Aus anderen Ländern wisse man, dass etwa als Reaktion auf Druck bei der Impfentscheidung vermehrt Kinder aus den Schulen genommen wurden. Stattdessen solle man auch an den Schulen den Zugang zur Impfung einfacher machen und - wie schon bei der HPV-Impfung - etwa Schulärzte einbinden.
Auch Eberl warnt davor, dass durch Druck jene fünf Prozent der Bevölkerung, die die Corona-Impfung zwar eher ablehnen, aber durch Dialog oder niedrigschwellige Angebote noch erreicht werden könnten, endgültig ins Lager der überzeugten Impfskeptiker wandern könnten. "Das sollte erst die letzte Station sein, wenn alles andere nicht wirkt."
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