Christian Pilnacek: Der (zu) mächtige Herr Sektionschef
"Heimlicher Justizminister“, „mächtigster Mann im Ministerium“ oder gar „Justitias Türlsteher“.
Viel wird über Christian Pilnacek, Sektionschef für Strafrecht, gesagt. Er hört so etwas nicht gern, denn er weiß: Es sind zweifelhafte Komplimente.
Im selben Atemzug heißt es nämlich, der ranghohe Beamte sei zu machtbewusst, zu einflussreich. „Er spürt sich nicht mehr“, urteilt etwa Neos-Mandatarin Stephanie Krisper via Twitter über den langjährigen Sektionschef.
Und auch justizintern rollt man angesichts des jüngsten Aufregers mit den Augen: Pilnacek sei „schon wieder über sein Ego gestolpert“.
Vor einer Woche, am 28. Jänner, hatte Pilnacek in seinem Büro im Justizministerium Besuch von Josef Pröll und Walter Rothensteiner, Aufsichtsräte bei den Casinos Austria.
Gegen sie ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) rund um möglichen Postenschacher bei der Casinos Austria AG. Und Pilnacek fungiert als Fachaufsicht für das Verfahren.
„Spezialservice“
Zwei Beschuldigte besuchen also das Büro des Fachaufsehers.
Komisch. Verdächtig.
Findet zumindest die Opposition – und schießt sich auf Pilnacek ein. Die FPÖ vermutet, das Treffen hätte eine Beeinflussung zum Zweck gehabt. Pilnacek könnte etwa dazu angehalten worden sein, Aktenlieferungen für den anlaufenden U-Ausschuss zur Casinos-Causa zu blockieren. Die SPÖ spricht von einem „Spezialservice für ÖVP-Beschuldigte“.
Neos und FPÖ fordern seine „sofortige Abberufung“ als Sektionschef. Die SPÖ will ihn, Pröll und Rothensteiner zumindest im U-Ausschuss befragen.
"Wollte Emotionen herausnehmen"
Pilnacek selbst findet die Aufregung „absurd“. „Das war ja kein Treffen in einem Hinterzimmer, sondern ganz unspektakulär an einem Dienstag in meinem Büro“, sagt er zum KURIER. Es gebe außerdem einen Aktenvermerk zum Gespräch.
Worum es ging? Rothensteiner und Pröll hätten als Beschuldigte „eine gewisse Gefühlslage“ gehabt, erklärt Pilnacek. Sprich: Sie waren verärgert, wie die WKStA im Verfahren vorgeht. „Und ich habe mich zur Verfügung gestellt, die Emotionen etwas herauszunehmen.“
Christian Pilnacek, 1963 in Wien geboren, startete seine juristische Karriere 1992 als Richter des Bezirksgerichts Innere Stadt. Er war dem Justizressort dienstzugeteilt, wo er einen rasanten Aufstieg hinlegte.
2010 wurde er Leiter der Strafrechtssektion. Pilnacek ist nicht nur für die Straflegistik zuständig, sondern auch für die Fachaufsicht der Staatsanwaltschaften. Über ihm ist als Instanz für Weisungen noch die Justizministerin und – in öffentlich relevanten Fällen – der Weisungsrat.
Die WKStA warf ihm im Vorjahr vor, Druck auszuüben und Teile des Eurofighter-Verfahrens abdrehen zu wollen. Ex-Justizminister Jabloner stellte sich vor ihn, präzisierte die Definition einer „Weisung“. Frei von jedem Zweifel ist er aber bis heute nicht – siehe den aktuellen Wirbel.
Er habe den Beschuldigten erklärt, dass die Vorgehensweise der WKStA rechtskonform sei, dass es daran aus seiner Sicht nichts zu bemängeln gebe.
Es sei übrigens schon früher vorgekommen, dass Beschuldigte zu ihm ins Büro kommen, meistens beschwerten sich aber nur deren Anwälte, erklärt der Sektionschef: „Ich halte nichts von Gesprächsverweigerung. Wenn sich jemand ungerecht behandelt fühlt, dann kläre ich das gerne – auch direkt.“
Rückendeckung von Ministerin
In Zukunft wird er das unterlassen. Dafür hat Justizministerin Alma Zadić höchstpersönlich mit einer Weisung gesorgt, wie die Krone am Dienstag berichtete. Sie hält fest: „Jeder Anschein einer bevorzugten Behandlung muss vermieden werden.“
An eine Abberufung denkt die Ministerin nicht – im Gegenteil: Sie stellt sich demonstrativ vor Pilnacek, lobt seine „großartige Arbeit“ in seinem Fachgebiet. Am Sonntag wurde die Causa ausführlich besprochen. Die Ministerin sehe „keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Gang des Verfahrens in irgendeiner Weise beeinflusst werden sollte“, heißt es aus dem Ressort.
Im Raum stand am Dienstag nur, dass Pilnacek die Fachaufsicht für die Casinos-Causa entzogen wird, wie der KURIER erfuhr. Die Ministerin kann das per Weisung bestimmen, und damit argumentieren, dass jeder Anschein der Befangenheit vermieden werden muss.
Es war eine Überlegung, um Pilnacek aus der Schusslinie zu nehmen, wäre aber wohl als Misstrauensvotum verstanden worden.
Mit dem Vorwurf, in Ermittlungen einzugreifen, war Pilnacek schon im Frühjahr 2019 in der Eurofighter-Causa konfrontiert. Die WKStA zeigte ihn wegen Amtsmissbrauchs an. Auch da wurde der Sektionschef kurzfristig abgezogen und die Generalprokuratur als Fachaufsicht eingesetzt.
Vertrag läuft aus
Die Anzeige wurde fallengelassen, die Politik hatte ihn da aber längst im Visier. SPÖ und Neos forderten, die „Supersektion Strafrecht“ aufzuteilen – Straflegistik und Weisungssektion sollten wieder zwei separate Stellen werden.
Der Jurist wäre dann seinen Job los bzw. müsste er sich neu für einen der beiden Leitungsposten bewerben. Die Neos wollen den Plan jetzt reaktivieren und bereiten einen Antrag im Nationalrat vor (siehe Bericht unten).
Die Frage, wie es mit ihm weitergeht, stellt sich im Sommer ohnehin – da läuft sein Vertrag aus. Intern geht man davon aus, dass er verlängert wird. Abseits des Politbetriebs scheint es keinen Zweifel an seiner Kompetenz und Integrität zu geben.
Was ihm im Weg stehe, sei aber sein Ego, heißt es intern hinter vorgehaltener Hand. Dass er zwei prominente Beschuldigte persönlich empfängt, um sie zu beschwichtigen – und das, ohne vorher die Ministerin zu informieren – passt da ins Bild.
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