Justiz-Sektionschef Pilnacek: "So mächtig bin ich gar nicht"
Christian Pilnacek hat einen Steh-Schreibtisch – da steht er oft bis spät in die Nacht. Der Tisch ist höhenverstellbar, „aber jetzt ist eh nicht die Phase, wo ich sitzen sollte“, sagt er – ein bitterer Scherz. Tatsächlich wird nach dem Streit um die Causa Eurofighter (siehe unten) kräftig am Stuhl des langjährigen Sektionschefs gesägt.
Wie der angeblich „mächtigste Mann im Justizministerium“ den internen Konflikt heute sieht und warum das Ressort mehr Budget braucht.
KURIER: Herr Sektionschef, das Gespräch wird aufgenommen – ist das in Ordnung? Oder haben Sie seit April ein gestörtes Verhältnis zu Aufnahmegeräten?
Christian Pilnacek: Nein, wenn es angekündigt ist, ist es ja kein Problem.
Das war bei der Dienstbesprechung im April zur Causa Eurofighter ja nicht der Fall. Wie geht es Ihnen damit, dass seither ganz Österreich weiß, wie Sie hinter den Kulissen schimpfen?
Angenehm ist das nicht. Aber für sich genommen wäre das zu bewältigen gewesen. Es sind die nachfolgenden Dinge, die mich belasten.
Christian Pilnacek, geboren 1963 in Wien, ist seit 2010 Leiter der Sektion Strafrecht, unter Türkis-Blau war er gleichzeitig Generalsekretär und damit höchster Beamter im Justizministerium. Zu seinen Aufgaben gehört die Weisungsspitze – also die Kontrolle der lokalen Staatsanwaltschaften, der Oberstaatsanwaltschaften und der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).
Bei einer Dienstbesprechung im April ist ein Streit um die Causa Eurofighter entbrannt: Die Sitzung wurde heimlich aufgezeichnet, Pilnacek von der WKStA angezeigt. Ihm wurde vorgeworfen, Druck auf die Ermittler machen zu wollen („Daschlogt's es“). Strafrechtlich ist das vom Tisch, politisch und intern ist Pilnacek weiter unter Druck.
Sie meinen, dass man Ihre Suspendierung, Ihren Rücktritt forderte oder die parlamentarischen Anfragen zur Causa?
Ja, weil da die Rede von einem „System Pilnacek“ ist. Das System ist aber nicht mit meinem Namen verbunden, sondern da stecken Arbeitsprozesse dahinter.
Sie werden doch als „mächtigster Mann im Justizministerium“ und als „heimlicher Justizminister“ tituliert.
Ich habe es immer als übertrieben empfunden, dass mir die Rolle des Strippenziehers zugedacht wird. So mächtig bin ich gar nicht.
Wie sieht Ihr Einfluss aus?
Ich bekomme Vorhabensberichte der Staatsanwaltschaft, dazu eine Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft und dann bereiten mir meine Fachabteilungen den Fall auf und machen einen Erledigungsvorschlag. Ich kann von diesem gar nicht abgehen; es sei denn, ich habe bessere Argumente. Das wird aber auch im Akt dokumentiert. Den Spielraum, in unsachlicher Weise Einfluss zu nehmen, habe ich objektiv nicht.
Man möchte meinen, dass jemand, der schon so lange in hoher Position ist, genug Einfluss hat, dafür zu sorgen, dass eben nicht alles verschriftlicht wird.
Ja, aber das entspricht nicht meiner Arbeitsauffassung. Diese Vorstellung, dass ich zum Telefonhörer greife, und es erstarren alle in Ehrfurcht und drehen das Verfahrensergebnis um ... Das wäre gar nicht möglich. Es wird ja jedes wichtige Telefonat mit Aktenvermerk festgehalten.
Hat der interne Streit um die Eurofighter-Causa die Justiz gehemmt?
Die Abläufe haben weiter funktioniert, weil die Beteiligten professionell genug sind. Uns macht Sorge, wie die Bevölkerung das aufgenommen hat. Eine interne Auseinandersetzung, die öffentlich wird, schadet dem Image der Justiz.
Geht es intern immer so zu?
Wir machen selten Dienstbesprechungen. Bei dieser ist in der Kommunikation sicher etwas falsch gelaufen.
Bereuen Sie Ihre Wortwahl (Eurofighter als „Scheißakt“, Anm.)?
Ich hätte meine Wortwahl besser überdenken müssen.
Sie haben kritisiert, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hätte „keinen Plan“.
Mir hat damals eine wirkliche strategische Zielrichtung gefehlt. Ich möchte aber, um die laufende Mediation nicht zu stören, nicht weiter auf die Vorfälle eingehen.
Ihnen wurde vorgeworfen, Sie hätten Druck auf die Ermittler ausgeübt. Spüren Sie selbst einen politischen Druck, zu liefern?
Politischer Druck hat in diesem Verfahren überhaupt keine Rolle gespielt. Aber natürlich ist ein Verfahren besonders sensibel, wenn es gleichzeitig einen U-Ausschuss gibt. Die Verfahrensdauer ist ein allgemeiner Kritikpunkt.
Geht bei der Causa Eurofighter jetzt etwas weiter?
Ich habe den Eindruck, dass die WKStA das jetzt sehr effizient bearbeitet.
Personalmangel wurde da auch zum Thema – jetzt gibt es sogar eine Petition „Rettet die Justiz“. Ist es wirklich so schlimm?
Ich habe den Eindruck, dass die Ausstattung an Staatsanwälten grundsätzlich ausreichend ist. Aber wir brauchen auf jeden Fall mehr Personal im Support-Bereich und bei der Justizwache.
Wie kam es zum Engpass?
Ich denke, dass die besonderen Bedürfnisse der Justiz in der Festlegung eines allgemeinen Einsparungskurses der früheren Regierung unzureichend berücksichtigt wurden. Die Frage ist: Welchen Wert hat eine funktionierende Rechtsprechung im Gesamtgefüge?
Und die müsste einem deutlich mehr wert sein?
Ja.
Aber reicht es, wenn man Geld hineinpumpt? Muss sich die Justiz nicht auch intern ändern?
Beides. Potenziale müssen ausgeschöpft werden – dafür braucht es strukturelle, organisatorische und qualitätssichernde Maßnahmen. Dafür werden wir eventuell auch externe Expertise nutzen.
Das Justizministerium hat seit 2014 rund 200 Weisungen erteilt – was war da los?
Ganz unterschiedlich. Die Mehrzahl betrifft Fälle, in denen wir gesagt haben, es soll noch mehr ermittelt werden.
Ist es wirklich notwendig, den Staatsanwaltschaften so oft auf die Finger zu klopfen?
Gemessen an der Anzahl der Vorhabensberichte waren es nur wenige Weisungen (2018: 645 Berichte mit 35 Weisungen). Man muss damit umgehen können, dass eine höhere Instanz eine andere rechtliche Beurteilung vornimmt.
Es gibt ja einen Antrag von SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt im Parlament, Ihre Sektion zu teilen – Sie könnten dann die Weisungsspitze verlieren. Warum vertraut Ihnen die Politik nicht?
Das müssen Sie jene fragen, die ihn eingebracht haben. Die Begründung des Antrags ist meines Erachtens nicht ganz schlüssig.
Im schlimmsten Fall wären Sie Ihren Job ganz los.
Das wird man sehen. Aber ich fahre wohl gut damit, das der parlamentarischen Diskussion zu überlassen.
Politisch sollen Sie sich als Beamter ja nicht positionieren, aber wie stehen Sie – rein gefühlsmäßig – zu einer Neuauflage von Türkis-Blau?
Ich bin nicht von Gefühlen geleitet, sonst könnte ich unter den sich ständig verändernden Bedingungen gar nicht arbeiten. Für mich zählt nur, ob ein Regierungsprogramm der Justiz genug Entfaltungsmöglichkeiten gibt. Ich denke, dass unser derzeitiger Vizekanzler mit dem geplanten Wahrnehmungsbericht da ausgezeichnete Vorarbeit leistet. Und es wäre schön, wenn diese dann einfließt, egal, wer die Regierung bildet.
Wollen Sie nach der Wahl wieder Generalsekretär werden?
Es wird gerade vom Rechnungshof geprüft, ob es diese Position weiterhin geben soll. Als ich es damals geworden bin, habe ich meine Stelle als Sektionschef behalten. Meine Heimat ist das Strafrecht.
Und da wollen Sie bleiben?
Soweit das möglich ist, ja.
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