Appelle zur Rettung der Justiz: "Notlage ist hausgemacht"

(Symbolbild)
Ex-Ministerin startet Petition, Parteien appellieren an künftige Regierung, Budget zu erhöhen. Rechtsanwalts-Präsident kritisiert, man habe zu lange weggeschaut.

"Die Justiz stirbt einen stillen Tod" - mit diesem Sager in einem Interview hat sich Justizminister und Vizekanzler Clemens Jabloner wohl keinen Gefallen getan. Er hat damit selbst auf eine Lage aufmerksam gemacht, die er als Übergangschef nicht lösen kann.

Mehrere Bereiche der Gerichtsbarkeit haben diesen Sager aufgegriffen, fordern mehr Budget und Personal. Vom Justizressort gab es diese Woche gegenüber dem KURIER aber eine klare Absage: Der Budget- und Personalrahmen wurde noch unter Jabloners Vorgänger Josef Moser (ÖVP) fixiert, in diesem Rahmen müsse man sich nun bewegen.

Die Kritiker wenden sich nun mit ihren Appellen an die künftige Regierung. So startete diese Woche Maria Berger, Ex-SPÖ-Justizministerin und frühere Richterin am Europäischen Gerichtshof, eine Online-Petition: "Rettet die Justiz".

Wie halten es die Parteien mit der Justiz?

Die Petition formuliert neben der Forderung nach mehr Budget und Personal auch Kriterien für künftige Minister. Niemand dürfe ein Ministeramt bekleiden, der "die Politik über das Recht stellt" - damit meint sie wohl den früheren FPÖ-Innenminister und derzeitigen Klubchef Herbert Kickl, der gesagt hatte, das Recht müsse der Politik folgen, nicht umgekehrt. Eine Aussage, die für heftige Kontroversen sorgte.

Appelle zur Rettung der Justiz: "Notlage ist hausgemacht"

Ex-Ministerin startete Online-Petition für die Justiz

Die Petition ist gleichzeitig ein Fragebogen an die Parteien, die bei der Nationalratswahl kandidieren. Die Ergebnisse, die zeigen, wie die Parteien zur Justiz stehen, sollen in der zweiten Septemberhälfte, jedenfalls noch vor der Wahl, präsentiert werden.

Die Politik reagierte schon jetzt - alle Parlamentsparteien (auch die ÖVP, die das Ressort zuletzt innehatte) appellieren an die künftige Regierung, für die nötige Ausstattung zu sorgen.

SPÖ und Neos forderten insbesondere ausreichend Personal. Die Liste Jetzt will der ÖVP das Justizressort nicht mehr geben - sie habe die aktuelle Misere verschuldet. Die FPÖ will einen Kassasturz schon unter der jetzigen Übergangsregierung.

Strukturelle Probleme

Die ÖVP verweist darauf, dass ausreichendes Budget nur die eine Seite sei. Man brauche auch "Reformen und Innovationen"; so müsse etwa die Digitalisierung vorangetrieben werden, sagt Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl. Für die ÖVP scheint das Problem also mehr struktureller Natur zu sein. 

Am Freitag stiegen nun auch die Staatsanwälte und Rechtsanwälte in die Debatte ein. Die Staatsanwältevereinigung fordert von den Parteien "ein klares Bekenntnis" zu einem funktionierenden Rechtsstaat und insbesondere konkrete Aussagen zu einer entsprechenden budgetären Ausstattung. Im Kanzleibereich sei ein reibungsloser Dienstbetrieb nicht mehr aufrecht zu erhalten, hieß es.

Auch die Staatsanwälte könnten sich wegen des „hohen Arbeitsanfalls nur auf das Notwendigste konzentrieren“. Zudem seien ohne zusätzliches Personal dringend notwendige Schwerpunktsetzungen in den Bereichen „Hass im Netz“, Cybercrime und Terrorismus ebenso wenig möglich wie die erforderliche Beschleunigung umfangreicher (Wirtschafts-)Großverfahren, hieß es in einer Aussendung am Freitag. Eine deutliche Aufstockung der staatsanwaltschaftlichen Planstellen müsse daher Fixpunkt im nächsten Regierungsprogramm sein.

Rechtsanwälte: Notlage sei "hausgemacht"

Der Wiener Rechtsanwaltskammer-Präsidenten Michael Enzinger sieht die „augenblickliche Notlage“ in etlichen Bereichen des österreichischen Justizsystems als „hausgemacht“. Appelle an die politisch Verantwortlichen seien seit Jahren verhallt, „ohne Gehör zu finden“. Mittlerweile sei aber der Moment erreicht, „wo man nicht mehr wegsehen könne“.

Appelle zur Rettung der Justiz: "Notlage ist hausgemacht"

Wiener RAK-Präsident Michael Enzinger: "Man kann nicht mehr wegsehen."

Enzinger ist vor allem die lange Verfahrensdauer ein Dorn im Auge: „Nicht das Urteil, sondern die lange Verfahrensdauer ist im Moment die Strafe.“ Zwar seien technische Rahmenbedingungen geschaffen worden, um im Zeitalter der Digitalisierung schneller arbeiten zu können, die Umsetzung hinke jedoch, weil beim Personal gespart werde.

Sechs Monate Wartezeit auf Protokolle oder sechs bis sieben Monate Wartezeit bis zur Fortsetzung von Verhandlungen seien aktuell die Regel statt die Ausnahme. Eines der „Hotspot-Gerichte“ sei aktuell das Handelsgericht Wien.

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