1. Amtsmissbrauch
In dem Mitschnitt, der am 28. Juli in einem Wiener Innenstadt-Lokal in privater Runde aufgenommen wurde, belastet Pilnacek die ÖVP schwer. So soll Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka Druck gemacht haben, Ermittlungsverfahren und Hausdurchsuchungen „abzudrehen“. Sobotka weist die Vorwürfe zurück.
Gegen ihn und andere, unbekannte Täter prüft die Staatsanwaltschaft Wien jetzt den Anfangsverdacht wegen „versuchter Bestimmung zum Amtsmissbrauch“.
Zunächst wird noch die Zuständigkeit geklärt: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) könnte den Fall übernehmen.
Damit gegen Sobotka, der seit Dezember 2017 Nationalratspräsident ist, ermittelt werden kann, müsste erst noch seine Immunität aufgehoben werden. Davor, ab April 2016, war er Innenminister und nicht immun.
➤ Pilnacek-Mitschnitt hat Nachspiel in der Justiz
2. Untersuchungskommission
Die Frage, ob bei Strafverfahren interveniert wurde, beschäftigt die Justiz auch intern. Ressortchefin Alma Zadić will eine Untersuchungskommission einrichten. Wer dieser angehören soll, ist noch offen.
Klar ist nur: Diejenigen müssen zeitlich gut verfügbar sein. Konkret sollen Fälle, in denen Pilnacek als Chef der „Supersektion Strafrecht“ die Fachaufsicht geführt hat, auf Unregelmäßigkeiten geprüft werden. Es geht um den Zeitraum von 2010 bis 2020. Das bedeutet viel Aufwand – und die Legislaturperiode endet schon in weniger als einem Jahr.
➤ Justizministerin kündigt Untersuchungskommission an
3. Tonaufnahme
Nicht nur die Inhalte des Mitschnitts, sondern auch die Tatsache, dass sie überhaupt publik geworden sind, könnte strafbar sein. Im Fokus steht dabei der Ex-BZÖler Christian Mattura. Er hat das Gespräch damals heimlich aufgezeichnet und nach Pilnaceks Tod an Medien weitergegeben.
➤ Pilnacek-Mitschnitt: "Irgendwann drückt jeder auf die Taste"
Die Staatsanwaltschaft prüft, ob der Tatbestand „Missbrauch von Tonaufnahme- und Abhörgeräten“ (§ 120 Strafgesetzbuch) greifen könnte. Für die Strafverfolgung ist eine Ermächtigung des Opfers nötig – und Pilnacek lebt nicht mehr.
Allerdings: In einem Gastbeitrag in der Presse schreibt der Medienrechtsexperte Peter Zöchbauer, dass die „Hass im Netz“-Novelle, die seit 2021 gilt, neue Möglichkeiten eröffnet habe.
Die Persönlichkeitsrechte eines Verstorbenen würden in seinem Andenken fortbestehen. Und Verletzungen dieses Andenkens könnten durch Angehörige geltend gemacht werden. Eine derartige Verletzung scheine in der Causa Pilnacek „zumindest nicht ausgeschlossen“, so Zöchbauer.
➤ Lesen Sie dazu auch: Wie der Pilnacek-Mitschnitt die Koalition belastet
Die Staatsanwaltschaft Wien zieht noch eine zweite Strafbestimmung in Betracht, für die es aber keine Ermächtigung braucht – und zwar Paragraf 63 im Datenschutzgesetz („Datenverarbeitung in Gewinn- oder Schädigungsabsicht“), wie eine Sprecherin erklärt.
Ein Blick ins Gesetz zeigt: Durch die heimliche Aufnahme könnte sich Mattura die Aussagen Pilnaceks „widerrechtlich verschafft“ und mit der Veröffentlichung ein „schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse“ des Betroffenen verletzt haben.
Allerdings könnte das öffentliche Interesse an den Aussagen überwiegen. Diese Debatte gab es auch beim Ibiza-Video.
Die Causa befindet sich noch im Anfangsstadium – weder gegen Sobotka noch gegen Mattura wurden bislang Ermittlungen eingeleitet.
Kommentare