Brisanter Pilnacek-Mitschnitt bringt ÖVP in Bedrängnis

Brisanter Pilnacek-Mitschnitt bringt ÖVP in Bedrängnis
In heimlich aufgenommenen Aussagen des verstorbenen Sektionschefs soll es um die Einflussnahme türkiser Politiker gehen.

In der Augustinerkirche in Wien wurde am Samstag das Requiem für den verstorbenen Sektionschef Christian Pilnacek gehalten. Die Anteilnahme war so groß, dass etliche Trauergäste keinen Sitzplatz mehr fanden. Vor allem die verbitterten Worte seiner Witwe sorgten bei den Anwesenden für Betroffenheit.

Drei Tage später steht Christian Pilnacek, der am 20. Oktober in Rossatz auf tragische Weise umgekommen ist, wieder im Mittelpunkt der politischen Berichterstattung. Diesmal geht es um eine Audio-Aufnahme auf einem Handy, die am 28. Juli bei einer geselligen Runde in einem Lokal in der Wiener Innenstadt heimlich gemacht wurde. Da soll sich der suspendierte Spitzenbeamte darüber beschwert haben, dass er von der ÖVP zu wenig unterstützt worden sei, obwohl sie bei Ermittlungen und Hausdurchsuchungen immer Wünsche an ihn gehabt habe. Konkret sollen auf der heimlichen Aufnahme die Namen von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Michael Kloibmüller, dem ehemaligen Kabinettschef im Innenministerium, genannt worden sein.

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Aufregung bei ÖVP

Die Aufnahme war vor etlichen Tagen drei Medien – der KURIER war nicht darunter – zugespielt worden. Die hatten die Seelenmesse noch abgewartet, ehe dazu zu Beginn der Woche die Parlamentsdirektion und die ÖVP befragt wurden. Aufgrund der Aussagen auf dem Mitschnitt ging es darum, ob laufende Verfahren mit Pilnacek besprochen worden waren, ob dieser zur Einstellung von laufenden Verfahren aufgefordert worden war und wie das mit Aussagen im U-Ausschuss zusammenpasst.

In der ÖVP hat die heimliche Tonbandaufnahme intern für einige Aufregung gesorgt. Bundeskanzler Karl Nehammer soll eine Videokonferenz mit den Landeshauptleuten, in der es eigentlich um den Finanzausgleich gehen sollte, genutzt haben, um das Thema anzuschneiden.

Gerüchte im Parlament

Im Parlament war am Rande der Budgetsitzung speziell von FPÖ-Abgeordneten zu hören, dass dies jetzt das „Ibiza“ der ÖVP sei. In der Parlamentsdirektion reagierte man mit Empörung.

„Wenn ein erst kürzlich, unter tragischen Umständen verstorbener Mensch nun in die Öffentlichkeit gezerrt werden soll, um politisches Kleingeld zu schlagen, dann werden wir uns an einem solch pietätlosen Akt nicht beteiligen. Das rücksichtslose Instrumentalisieren eines Menschen, der sich heute nicht mehr erklären kann, ist ein absoluter Tiefpunkt der politischen Kultur in unserem Land“, so der Sprecher von Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka.

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Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass „der Nationalratspräsident niemals mit Christian Pilnacek zu laufenden Verfahren, Ermittlungen oder Sicherstellungsanordnungen gesprochen hat“. Verwiesen wird auf den U-Ausschuss, wo der Verstorbene das unter Wahrheitspflicht auch bestätigt habe.

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In der Bundesparteizentrale der ÖVP wurde ein ähnlicher Ton angeschnitten. Wobei man nur auf Fragen reagierte, der Mitschnitt war nicht vorgespielt worden. Generalsekretär Christian Stocker: „Der Niedergang der politischen Kultur in Österreich schreitet voran. Mittels eines Tonbands wird nun sogar das Andenken an einen Toten missbraucht.“ Und weiter: „Ich bin offen gestanden sprachlos, dass seine Person nun dafür herhalten muss, die Skandalisierungskampagne der SPÖ und FPÖ voranzutreiben. In all den Jahren in der Politik habe ich eine derartige Pietätlosigkeit noch nicht erlebt.“ Man werde das allerdings nicht so einfach hinnehmen. Die Hintergründe zu diesem Tonband und den Methoden, „die an den russischen Geheimdienst erinnern“, müssten aufgeklärt werden. Vor allem: „Wer es aufgezeichnet hat, was das Motiv ist, wer hinter diesen KGB-Methoden steckt“, sagte Stocker.

Verweis auf U-Ausschuss

Wobei auf die Aussagen von Christian Pilnacek im U-Ausschuss in den Jahren 2020 und 2022 hingewiesen wird. Der hatte laut Protokoll am 3. Mai 2022 auf die Frage der grünen Abgeordneten Nina Tomaselli, ob der U-Ausschuss in der Kommunikation mit Wolfgang Sobotka ein Thema gewesen sei, so geantwortet:

„Soweit ich mich erinnern kann, war der Ibiza-Untersuchungsausschuss kein Thema der Kommunikation.“ Er sei von Sobotka nur zu bestimmten rechtlichen Fragestellungen um eine Fachmeinung gefragt worden.

Was das gewesen sei, wollte Tomaselli wissen. Rechtspolitische Themen wie etwa das Urteil des Verfassungsgerichtshofs zur Sterbehilfe, so Pilnacek laut Protokoll.

Wie weit dieser Mitschnitt im kommenden Wahlkampf aufschlägt, werden die kommenden Tage und die Reaktionen der anderen Parteien zeigen. Für die ÖVP ist dieser Audiomitschnitt bereits ein Schatten des Wahljahrs 2024.

Neos fordern Sobotkas Rücktritt

Seitens der Opposition reagierten Neos und SPÖ noch am Abend. Während Neos-Generalsekretär Douglas Hoyos den Rücktritt von Nationalratspräsident Sobotka forderte, bewertete Kai Jan Krainer (SPÖ) den Mitschnitt als „schockierend, aber leider nicht überraschend“. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker allerdings schloss einen Rücktritt von Wolfgang Sobotka aus.

 Der grüne Koalitionspartner reagierte politisch behutsam. "Was das Tonband wieder einmal aufbringt ist, dass es früher offensichtlich ein Problem gegeben hat", meinte deren Generalsekretärin Olga Voglauer in einer schriftlichen Stellungnahme - "dass es immer wieder die Versuche gegeben hat, dass man Einfluss auf die Justiz nimmt". Dies gehe, wie dies auch in der Aufnahme angedeutet werde, mindestens ein Jahrzehnt zurück. "Das ist nichts Neues", so Voglauer, aber: "Allein der Eindruck, dass das so gewesen sein könnte, ist Gift für eine Demokratie."

  Die Frage nach Sobotka hätten die Grünen bereits vor einiger Zeit und beim Aufkommen verschiedenster Skandale rund um dessen Person beantwortet, meinte Voglauer außerdem. "Ich an seiner Stelle, und das haben in der Vergangenheit bereits verschiedene hochrangige Grüne gesagt, hätte sogar früher, schon längst den Hut genommen, um das Ansehen dieses hohen Amtes zu schützen."

  Jetzt gehe es um Aufklärung, so Voglauer, im Justizministerium würden Schritte geprüft, um die Vorgänge in den vergangenen Legislaturperioden sinnvoll zu durchleuchten. Die Grünen-Generalsekretärin geht auch davon aus, dass die Opposition einen Untersuchungsausschuss einrichten wird. "An diesem werden wir uns, in gewohnter Tradition, aktiv mit guter, sachlicher Aufklärungsarbeit beteiligen."
 

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