ÖVP-Mahrer und SPÖ-Nevrivy: Angeklagt mitten im Wahlkampf

ÖVP-Mahrer und SPÖ-Nevrivy: Angeklagt mitten im Wahlkampf
Jetzt ist es offiziell: Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer, aber auch der Donaustädter Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (SPÖ) müssen sich in der Causa Wienwert vor Gericht verantworten. Zurücktreten wollen beide nicht.

Von den Wahlplakaten zur Wien-Wahl am 27. April lächeln demnächst zwei Angeklagte: Für die Wiener Landes-VP Karl Mahrer, für die Bezirks-SP in Wien-Donaustadt Ernst Nevrivy. Die beiden zählen zu den elf Angeklagten in der Causa Wienwert, wie am Donnerstag publik wurde. Und beide denken nicht daran, sich wegen dieser juristischen Unpässlichkeit zurückzuziehen.

Die Anklagen kündigten sich bereits vergangene Woche an – und Mahrer geriet prompt unter Druck. Der Wiener Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck richtete seinem „Parteifreund“ aus, man dürfe „nicht zur Tagesordnung übergehen“, die Anklage würde im Wahlkampf immer wieder Thema sein. Woraufhin Mahrer meinte, er sei „aus Teflon“ und außerdem unschuldig. „Ich trete nicht zurück.“

Das wird er am Freitag noch einmal vor dem Landesparteivorstand bekräftigen, wenn die Liste für die Wien-Wahl erstellt wird. Nach jetzigem Stand deutet alles darauf hin, dass er trotz Anklage wie geplant zum Spitzenkandidaten gekürt wird. „Es gibt keine Mehrheit, die für einen anderen Kandidaten wäre“, sagt Landesgeschäftsführer Peter Sverak zum KURIER.

Er verweist zudem auf die zahlreichen Verfahren, die die WKStA in den vergangenen Jahren gegen Politiker angestrebt habe, bei denen letztlich nichts herausgekommen sei. „Man hat schon den Eindruck, dass hier versucht wird, Politik zu machen.“

Prozesstermin ist offen

Dieser Logik folgend wäre die ÖVP aber nicht das einzige „Opfer“. Auch SPÖ-Bezirksvorsteher Nevrivy ist angeklagt. Und auch er will „auf jeden Fall“ bei der Wien-Wahl antreten. „Er ist sich keiner Schuld bewusst und vertraut auf die unabhängige Justiz“, sagt seine Sprecherin auf KURIER-Anfrage. Ähnlich die SPÖ Wien: „Jetzt ist die Justiz am Zug. Wir warten ab, wie sie entscheidet.“

Wann die Justiz entscheidet, ist völlig offen. Bei elf Angeklagten ist von mehreren Beschwerden auszugehen, die einzeln geprüft werden müssen. Bis ein Prozesstermin steht, könnte laut Beobachtern ein Jahr oder mehr vergehen. 

Schaden: 41 Millionen Euro

Die beiden Kommunalpolitiker sind in der Causa Wienwert eigentlich nur „Beifang“, betrachtet man die Gesamtsumme von 41 Millionen Euro, die der Schaden gegenüber Anlegern des ehemaligen Immobilienentwicklers betragen dürfte. Wienwert ist 2018 in die Insolvenz geschlittert, nach und nach kamen Malversationen ans Tageslicht. Die WKStA ermittelte gegen 22 Personen und sieben Verbände; der Akt umfasst rund 380.000 Seiten. 

Im Fokus steht der ehemalige Geschäftsführer Stefan Gruze, er wird wegen schweren Betrugs, Untreue, Bilanzfälschung, betrügerische Krida, Beitrag zur Verletzung des Amtsgeheimnisses, Bestechung und Vorteilszuwendung zur Beeinflussung („Anfüttern“) angeklagt. 

Laut Aussendung der WKStA geht es im Kern darum, dass er die wirtschaftliche Situation des Unternehmens verschleiert und Anleger, die in Immobilienentwicklungsprojekte der Wienwert-Gruppe investierten, getäuscht haben soll. 

Verteidiger Norbert Wess sagt: „Wir werden die Anklageschrift nun sorgfältig studieren. Wir sind aber bereits sehr zuversichtlich, dass keinesfalls schwerwiegende strafrechtliche Vorwürfe gegenüber Herrn Stefan Gruze aufrechterhalten werden können.“ 

Honorar für PR-Agentur

ÖVP-Wien-Chef Karl Mahrer und seine Frau Christine, die eine PR-Agentur führt, sind wegen Untreue als Bestimmungstäter angeklagt. Zwischen Gruze und den Eheleuten habe sich Anfang 2017 „binnen kurzer Zeit eine freundschaftliche Beziehung“ entwickelt, schreibt die WKStA in der Anklage. Im Juni sollen sie mit ihm mündlich einen Vertrag abgeschlossen haben, wonach die Wienwert monatlich 12.000 Euro (netto 10.000 Euro) an die Agentur zahlte. Die WKStA konnte allerdings keine „werthaltigen Gegenleistungen“ erkennen. Der Schaden wird mit 84.000 Euro beziffert.  

Mahrer – damals erst Wiener Vize-Landespolizeipräsident, dann Nationalratsabgeordneter der ÖVP – betonte stets, er habe mit den Geschäften seiner Frau nichts zu tun. Laut Erhebungen der WKStA sei er aber „im Zusammenhang mit den Zahlungen von Wienwert immer wieder für die PR-Agentur aufgetreten“.

Laut Verteidiger Manfred Ainedter stehe fest, dass Christine Mahrer Leistungen für Wienwert erbracht habe – und als sie schwer erkrankt war, auch Karl Mahrer.  

Ainedter macht zudem auf einen Umstand aufmerksam, dass Richter Michael Radasztics das Verfahren leiten wird – was „für zusätzliche Spannung“ sorgen würde, wie er sagt. Radasztics hat bereits Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz im Falschaussage-Prozess (nicht rechtskräftig) verurteilt. „Ob es in dieser Causa nicht zumindest den Anschein der Befangenheit gibt, wird noch zu prüfen sein“, so Ainedter. 

Ansonsten zeigt er sich zuversichtlich: „Die Vorwürfe gegen das Ehepaar Mahrer werden vor einem unabhängigen Gericht widerlegt werden können.“ 

Sponsoring und VIP-Tickets

Und Ernst Nevrivy? Ihm werden die Verletzung des Amtsgeheimnisses, Bestechlichkeit und Vorteilsannahme zur Beeinflussung vorgeworfen. So soll er dem Wienwert-Vorstand den geplanten Standort für eine Remisen-Erweiterung verraten haben. Gruze habe das Grundstück privat gekauft – und es sich dann von den Wiener Linien zu einem weit höheren Preis abkaufen lassen. Dem Öffi-Unternehmen und damit der Stadt Wien sei laut Anklage ein Schaden von 850.000 Euro entstanden. 

Als Gegenleistung soll Wienwert dann Nevrivy und dessen damalige Lebensgefährtin bzw. spätere Ehefrau auf mehrere VIP-Tickets für Fußballspiele eingeladen haben. Angeführt wird auch ein „Sponsoring“ in Höhe von 36.000 Euro für die Donaustädter Band „Wiener Wahnsinn“ – Nevrivy ist ein Fan. 

Beschuldigt waren in der Causa Wienwert auch der FPÖ-Abgeordnete Markus Tschank und der ehemalige Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus wegen Spenden an einen parteinahen Verein. Ihnen wurde aber eine Diversion angeboten. 

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