Burgenland: Mehr Ungarn trotz Rot-Blau
Diese Ansage hat die rot-blaue Landesregierung quasi in Stein gemeißelt: "Mehr Beschäftigung für Burgenländer" solle es geben, heißt es an prominenter Stelle in dem vor mehr als einem halben Jahr unterzeichneten Regierungspakt. Warum die Dringlichkeit? 60 Prozent der seit dem EU-Beitritt 1995 neu geschaffenen Jobs gingen an Ausländer – diese Entwicklung will die pannonische Koalition unter allen Umständen stoppen.
Bisher ist das freilich nicht mehr als ein frommer Wunsch. Vor Antritt der Regierung lag der Ausländeranteil am burgenländischen Arbeitsmarkt bei 21,3 Prozent, nach Antritt waren es schon 22,7 Prozent. 2015 kamen bei knapp 100.000 Beschäftigten 22.047 aus dem Ausland, die meisten aus Ungarn und der Slowakei.
Aber selbst bei Landesbeteiligungen ist die Hebung der Inländerbeschäftigung noch nicht recht vom Fleck gekommen. Man sei noch bei der rechtlichen Prüfung, was möglich sei, erklärte der blaue Wirtschaftslandesrat Alexander Petschnig am Montag. Die Frage sei "heikel" und solle deshalb rechtlich einwandfrei geklärt werden. Bis wann? "Noch heuer".
Rosinen-Picker
Schon am Sonntag hatte Landeshauptmann Hans Niessl via KURIER einen neuen Versuch gestartet, das alte Ziel zu erreichen und mehr Burgenländer in Beschäftigung zu bringen. "In Bereichen, wo die Arbeitslosigkeit besonders hoch ist, muss die Personenfreizügigkeit eingeschränkt werden, etwa im Bau- und Baunebengewerbe", forderte der rote Grande. Applaus erhielt er vom Koalitionspartner: "Angesichts der Dramatik der Situation ist eine sektorale Schließung des Arbeitsmarktes das Gebot der Stunde", forderte Landesrat Petschnig. Die zeitlich befristete Beschränkung sollte nicht nur für ausländische Firmen gelten, die ins Burgenland "hereinarbeiten", sondern auch für ausländische Beschäftigte heimischer Firmen. Wie Niessl hat der Freiheitliche nur das Baugewerbe im Blick, aber ausdrücklich nicht den Tourismus. Denn in Gastronomie und Hotellerie gäbe es ohne Ausländer "Probleme". 54 Prozent der Beschäftigten im Tourismus sind Ausländer, in der Landwirtschaft sind es 79 Prozent, am Bau "nur" 35 Prozent.
Der Mattersburger Dachdecker Ernst Zimmermann, der in ganz Ostösterreich arbeitet und alljährlich auch sechs bis acht heimische Lehrlinge ausbildet, wäre ohne Ungarn wohl aufgeschmissen. 40 seiner 90 Mitarbeiter kommen aus dem Nachbarland und "bekommen den gleichen Lohn wie alle anderen", betont der Innungsmeister. Die Ungarn seien exzellente Fachkräfte, von denen sich einheimische Mitarbeiter oft noch was abschauen könnten.
Unverständnis ob des rot-blauen Vorstoßes herrscht auch bei Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung: Das sei "ein populistischer Zugang", sagt WK-Boss Peter Nemeth. Und Industriellenchef Manfred Gerger warnt, das Burgenland könne sich in der EU nicht nur "Rosinen herauspicken".
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