Bures: "Halte ausufernde Personaldebatten für unklug"
Ein Gespräch mit Doris Bures über Partei-Interna, existenzielle Nöte und den Eingriff in den freien Markt.
Frau Präsidentin, wollen wir gleich über die SPÖ reden, oder drückt das zu sehr aufs Gemüt?
Doris Bures: Ich nehme an, das ist eine rhetorische Frage? Aber ich antworte gern: Es ist wichtig, dass wir als SPÖ innerparteiliche Diskussionen führen. Ich halte es aber für unklug, ausufernde Personaldebatten zu führen – noch dazu, wo wir derzeit anderes zu tun hätten.
Nervt Sie die Debatte?
Überhaupt nicht. Ich würde nur gern über die Lebenssituation der Menschen sprechen – und was die Politik dazu beitragen kann, diese zu verbessern.
Dazu kommen wir, versprochen. Sie haben für den Vorsitz ja abgesagt, aber was sagen Sie zu Franz Voves, der meint, Michael Ludwig müsse die SPÖ übernehmen?
Ich kommentiere bzw. interpretiere keine ehemaligen oder amtierenden Landeshauptleute. Und ich finde es schade, dass Sie schon die dritte Frage zu SPÖ-Internas stellen.
Gestatten Sie eine allerletzte: Was passiert nach den Landtagswahlen? Eine inhaltliche Debatte? Eine Führungsdiskussion?
Natürlich muss jede Partei nach einer Landtagswahl evaluieren, was passiert ist. Die ÖVP macht sich auch sicher Gedanken darüber, wie es geschehen konnte, erstmals in Niederösterreich die Mehrheit in der Landesregierung zu verlieren. Politische Analyse ist notwendig – aber intern. Öffentlich müssen wir über andere Themen reden.
Dann tun wir das: Wie kann es sein, dass die Politik viele Milliarden Euro für Wirtschaftshilfen ausgibt und die allgemeine Unzufriedenheit dennoch enorm spürbar ist? Es handelt sich nicht um subjektive Unzufriedenheit. Der Fiskalrat sagt, dass mehr als ein Drittel der Menschen trotz Erwerbstätigkeit nicht mit ihrem Einkommen auskommt. Bei den Krisenhilfen muss man fragen: Wurde das Steuergeld zielgerichtet verwendet oder hat sich die Kluft zwischen Arm und Reich möglicherweise weiter geöffnet?
Was meinen Sie? Hat sie das?
Der Rechnungshof, dem man wohl kaum Parteilichkeit unterstellen wird, hat festgestellt, dass mit den Wirtschaftshilfen nicht nur gefördert, sondern vielfach überfördert wurde.
Also zu viel Gießkanne?
Vermutlich nicht einmal das. Gießkanne würde bedeuten, dass jeder einen Tropfen abbekommt. Der Rechnungshof sagt, dass jene, die es am wenigsten brauchen, mehr bekommen haben und die, die es am meisten brauchen, leider am wenigsten. Das führt zu sozialen und politischen Spannungen.
Über welche Ideen wird zu wenig nachgedacht, um die Spannungen zu lösen?
Zum Beispiel über Preisdeckel und Preiskontrollen. Diese führen dazu, dass Menschen es leichter haben, mit ihrem Einkommen das Auslangen zu finden.
Also ein Ja zur Mietpreisbremse?
Ja, aber nicht nur. Alles, was hilft, das Leben leichter finanzierbar zu machen, ist willkommen. Preiskontrollen bei Nahrungsmitteln, bei Treibstoffen, etc. Es ist höchst an der Zeit, dass die Regierung konkrete Vorschläge macht und entsprechend handelt.
Sie kennen das Gegenargument: Preisdeckel sind ein massiver Eingriff in den freien Markt…
Was waren denn die im europäischen Vergleich auffallend großzügigen Wirtschaftshilfen? Das waren doch massive Eingriffe in den Markt. Ich weiß nicht, wie viele Leserbriefe Sie bekommen. Aber ich kann Ihnen unzählige eMails von Menschen zeigen, die in existenziellen Nöten sind und sich im Stich gelassen fühlen.
Allein die Covid-Tests haben fünf Milliarden Euro gekostet, und es ist unklar, welcher Nutzen dem Aufwand gegenübersteht. Ein klassischer Fall für einen U-Ausschuss, oder?
Die Kontrolle der Verwaltung gehört zu den Kernaufgaben des Parlaments. Ein U-Ausschuss ist aber nicht das einzige Instrument der Kontrolle, es gibt – wie erwähnt – auch den Rechnungshof. Beim konkreten Thema sehe ich zunächst ihn am Zug. Ob man in einem U-Ausschuss später die politische Verantwortung rund um die Covid-Hilfe klären muss, kann ich heute noch nicht beantworten.
Der letzte U-Ausschuss hat vermutlich nicht rasend viel dazu beigetragen, das Ansehen der Politik zu heben. Was ist da schiefgelaufen?
Es gab massive parteipolitische Interessen, den U-Ausschuss zu desavouieren. Prinzipiell ist das Regelwerk der U-Ausschüsse sinnvoll und praktikabel. Es liegt an allen Mitgliedern des Gremiums, sich bewusst zu machen, welche demokratiepolitische Verpflichtung sie haben. Zusätzlich wäre ich aber sehr dafür, U-Ausschüsse öffentlich zu übertragen. Transparenz ist eine gute Antwort gegen Korruption, Interventionen und den Versuch, parlamentarische Instrumente für parteipolitische Zwecke zu instrumentalisieren.
Es jährt sich gerade der Ausbruch des Angriffs auf die Ukraine. Wie erklären Sie Menschen, warum und wie Österreich neutral ist?
Es ist kein Zufall, dass in Österreich UNO und OSZE vertreten sind. Wir haben unsere Neutralität immer so definiert, dass Wien eben auch ein Ort ist, an dem Friedensverhandlungen möglich sind. Österreich tut gut daran, die Neutralität beizubehalten, Militärbündnisse, also die NATO, sind keine Option. Das heißt aber nicht, dass wir in sensiblen Fragen nicht Haltung zeigen. Neutralität heißt nicht Schweigen. Wir unterstützen die Ukraine in diesem furchtbaren Angriff Russlands. Wir haben viele Ukrainer aufgenommen, bieten Schutz und Ausbildung und schicken Verbandsmaterial, Schulutensilien und Medikamente in die Ukraine. Aber wir schicken keine Waffen.
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