Was Hofer mit Mitterlehners "Selbstmordattentat" meinte
Es war wieder so ein "Sie werden sich noch wundern"-Moment. Als Norbert Hofer sich nach den Interviews in der Hofburg, wo er den guten und fairen Verlierer gab, in der FPÖ-Wahlkampfzentrale an seine Mitstreiter wandte, sagte er: "Ich wünsche Van der Bellen für dessen Aufgabe alles Gute. Aber ich sage auch, dass man in mir einen schlafenden Bären geweckt hat."
Hofers Talent, in vielsagenden Bildern zu sprechen, fiel schon im Wahlkampf auf. Nun hat er nicht nur mit dem "schlafenden Bären" erneut Rätsel aufgegeben. Er, der mitunter als sanfter Teddybär gesehen wird, bemühte vor seinen Unterstützern noch ein weiteres, ziemlich martialisches Bild.
Hofer sprach von "so etwas wie einem Selbstmordattentat des Herrn Mitterlehner", weil dieser die Devise ausgegeben habe, Alexander Van der Bellen zu wählen, und die einflussreichen ÖVP-Bürgermeister im ländlichen Raum dem Folge geleistet hätten. Dies betrachtet die FPÖ als wahlentscheidend, wie auch Heinz-Christian Strache am Wahlabend erklärte.
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Hofer lenkt Fokus auf ÖVP
Für die Blauen ist es einfacher, nicht ihre eigenen Wunden zu lecken, sondern die Diskussion um die Gründe für den Wahlausgang an einen Außenfeind zu delegieren. Aber warum spricht Hofer von politischem Selbstmord des ÖVP-Chefs? Hofer in seiner Rede, wieder einmal verrätselt: "Weil ich davon ausgehe, dass das ganz, ganz schlecht ausgehen wird."
Mit Van der Bellen hat sich aber Reinhold Mitterlehners präferierter Kandidat durchgesetzt. Warum sollte ihm seine Festlegung also nun auf den Kopf fallen? Hofer geht offenbar von einer schweigenden Mehrheit in der ÖVP aus, die der Fraktion von VP-Klubchef Reinhold Lopatka angehört, der sich kurz vor der Wahl für Hofer ausgesprochen hatte.
Umgemünztes Kern-Zitat
Seinen verbalen Sprengsatz platzierte Hofer genau dort, wo es im rot-schwarzen Gebälk schon mehrmals gekracht hat, bedingt durch regelmäßiges Ausscheren von Lopatka.
Und es war SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern, der bereits bei seiner Antrittsrede im Mai genau dieses drastische Bild bemüht hat: "Manchmal habe ich das Gefühl, da gibt es Leute, die sind politische Selbstmordattentäter, die sich einsam in einer Telefonzelle in die Luft sprengen."
Damals wussten alle Beobachter, wer gemeint war: Reinhold Lopatka. Nach der jüngsten "Illoyalität" rund um dessen Sympathiebekundung für Hofer kam es zu einem klärenden Gespräch zwischen Mitterlehner und seinem Klubchef. Die Erfahrung lehrt, dass dieser brüchige ÖVP-Burgfrieden nicht von langer Dauer sein muss.
Der Parteichef sieht es naturgemäß nicht so. Offenbar wolle die FPÖ nun "ein wenig ablenken" und einen Sündenbock suchen und versuche einen Keil in die ÖVP zu treiben, sagte Mitterlehner heute im Ö1-Mittagsjournal. Ersteres könne er nicht beeinflussen, zweiteres "wird nicht gelingen", so Mitterlehner, denn "wir lassen uns nicht vorschreiben, wer bei uns Obmann ist." Damit unterstütze man ihn indirekt sogar. Danach gefragt, ob die Wahlentscheidung nun für ihn eine innerparteiliche Verschnaufpause bedeute, meinte Mitterlehner: "Sehe es so."
Augen auf die Nationalratswahl
Bei der FPÖ sind jedenfalls schon alle Augen auf die nächste Nationalratswahl gerichtet. Am traditionellen "Blauen Montag" nach der Wahl schrieb Parteichef Heinz-Christian Strache auf Facebook: "2017 wird das Jahr der Freiheitlichen! Unsere Zeit kommt!"
Dass man bei den Blauen auf einen vorgezogenen Wahltermin vor 2018 setzt, ist bei ihren blendenden Umfrageergebnissen nicht verwunderlich. Andererseits hat die Partei auch sehr viel Geld und Anstrengung in diesen überlangen Hofburg-Wahlkampf gesteckt und könnte vielleicht eine Verschnaufpause benötigen.
Der Bär
Bleibt die Frage nach dem "schlafenden Bären". Wird er mit dem Rückenwind seines starken Abschneidens bei der Bundespräsidentenwahl Strache als Spitzenkandidat für die nächste Nationalratswahl ablösen?
Strache selbst beeilte sich in der "ZiB 2" bei Armin Wolf, zu relativieren: Diese Wahl sei eine Persönlichkeitswahl gewesen, keine Parteiwahl, und daher nur bedingt auf Nationalratswahlen umzulegen. In der Runde der Klubobleute hatte er sich noch über das "historisch wichtigste und erfolgreichste Ergebnis" für die Freiheitlichen gefreut.
"Sehr prominenter Wahlhelfer"
Hofer selbst scheint jedenfalls Lust auf mehr bekommen zu haben. "Lieber Heinz-Christian, du hast einen sehr prominenten Wahlhelfer gewonnen," sagte er in seiner Rede. "Und ich glaube, dass die derzeitigen Regierungsparteien ... keine große Freude haben werden, dass jemand, der nahezu die Hälfte der Wählerstimmen erreicht hat, dein Wahlhelfer geworden ist."
Laut ersten Aussagen von gestern möchte er hinter Strache auf der Liste kandidieren. Aber: Vor fast einem Jahr sagte Hofer auch noch, er fühle sich zu jung, um sich als Bundespräsident zu bewerben. Das sei frühestens 2028 der Fall.
Es kam ganz anders. Und schlafende Bären können unberechenbar sein, wenn man sie weckt.
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