Fischer gegen Alleingang bei Lehrern
KURIER: Präsident Obama wirbt für einen Militärschlag gegen Syrien. Besteht noch die Chance für eine politische Lösung?
Heinz Fischer: Auf lange Sicht wird eine Verhandlungslösung gefunden werden müssen, um dieses Problem, in das so viele Akteure eingebunden sind, zu lösen. Ein Militärschlag wird die Sache nicht leichter machen, aber er scheint bevorzustehen.
Zwei Millionen Menschen sind aus Syrien geflohen. Sollte Österreich nicht eine starke humanitäre Geste setzen und mehr als die vom Außenminister angekündigten 500 Flüchtlinge aufnehmen?
Ich unterstütze die Bundesregierung, wenn sie Beiträge leistet, um das Schicksal von Flüchtlingen zu mildern. Wenn die Bundesregierung nach der Aufnahme von 500 Flüchtlingen beschließt, noch einen zweiten Schritt zu setzen, werde ich das auch unterstützen.
Sie sind für die Aufnahme so vieler Flüchtlinge wie möglich?
So ist es.
Sie trafen kürzlich UN-Generalsekretär Ban Ki-moon. Die UNO nimmt Österreich den Golan-Abzug sehr übel. Angeblich will die UNO Österreich gar nicht mehr nach Truppen fragen. Droht das Ende der Friedensmissionen ?
Da kann ich anderes berichten. Ich habe das Gespräch mit Ban Ki-moon, das gemeinsam mit dem Bundeskanzler stattfand, damit begonnen, dass uns die Entscheidung zum Truppenabzug nicht leicht gefallen ist und die Fristen sehr kurz waren. Ich zögerte nicht, ihm zu sagen, dass es uns leid tut, dass wir der UNO Schwierigkeiten gemacht haben. Österreich ist nach wie vor bereit, bis zu 1100 Mann für Friedenseinsätze zur Verfügung zu stellen. Ban Ki-moon hat darauf sehr positiv reagiert.
Wären Sie für einen neuen Golan-Einsatz?
Wenn sich die Lage so ändert, dass für die Befürchtungen, die Österreich im Juni hatte, kein Grund mehr besteht und die UNO an Österreich herantritt, würde ich das gerne befürworten.
Griechenland braucht ein drittes Hilfspaket. Auch Portugal und Irland brauchen noch Hilfen. Soll Österreich weiter zahlen und solidarisch mit den Schuldenländern sein?
Ich sehe keinen Anlass für einen grundlegenden Kurswechsel, nur weil Wahlen sind. In Zeiten von Wahlen darf man die Nerven nicht wegschmeißen.
Im Sommer haben Sie in einem KURIER-Interview angekündigt, wenn im Wahlkampf Grenzen überschritten werden, bitten Sie die Sünder zu sich. Gab es schon einen Anlass?
Wahlkampf ist immer eine Zeit rauerer Worte. Im großen und ganzen ist es aber ein relativ friedlicher Wahlkampf. Manche finden ihn sogar zu fad und langweilig.
Sie auch?
Er ist nicht aufregend, aber es gibt Situationen, wo mir Langeweile in der Politik lieber ist als das Gegenteil.
Es gibt 24 TV-Konfrontationen. Welche haben Sie gesehen?
Faymann und Spindelegger habe ich mir angeschaut, und Stronach gegen Bucher.
Gefallen Ihnen die neuen Sende-Formate mit Zwischenapplaus und Fragen aus dem Publikum?
Mir hat die Sendeform bei Merkel-Steinbrück besser gefallen. Das ist die neutralere Art, einen Disput zu führen. Das Publikum hat direkte und indirekte Auswirkungen. Als Ergänzung und zur Abwechslung ist auch eine Publikumsdiskussion in Ordnung. Aber wenn es ein Grundsatzgespräch zwischen dem Bundeskanzler und seinem Herausforderer gibt, wäre mir persönlich das deutsche Format lieber.
Der Wahlkampf hat bisher einen Kraftausdruck gebracht: Österreich ist „abgesandelt“. Ist das Präsident Leitl nur rausgerutscht oder war es Absicht?
Sie haben jüngst bei Ihrem Slowenien-Besuch gesagt, dass Sie nach den Wahlen „Stabilität erwarten, weil die jetzt stärksten Parteien auch im nächsten Parlament die stärksten sein werden“. Sie erwarten eine rot-schwarze oder schwarz-rote Regierung?
Ich habe in Slowenien berichtet, dass die beiden Parteien, die jetzt die stärksten sind, auch nach der Wahl die stärksten Parteien sein werden. In den Umfragen gibt es einen deutlichen Abstand zur drittstärksten Partei.
Am Ende kommt wieder eine Große Koalition?
Das Wahlresultat wird eine Große Koalition vermutlich ermöglichen. Das ist eine Erwartung, das Bild, das von der Meinungsforschung gezeichnet wird. Welche anderen Koalitionsformen noch möglich sind, wird die Wahl zeigen.
In Deutschland sagen die Parteien vor der Wahl, mit wem sie danach regieren wollen. Warum sagt es in Österreich niemand?
Die Parteien fürchten, dass ihr Aktionsradius einschränkt werde, wenn sie sich vorzeitig festlegen.
Angenommen die Meinungsforscher irren und es ist nur eine Dreier-Koalition möglich. Wen werden Sie beauftragen?
Es macht keinen Sinn, voreilig etwas anzukündigen, das ist heute noch nicht entscheidbar. Die Wählerentscheidung ist abzuwarten.
Zum Demokratiepaket haben Sie sich kritisch geäußert und erfolgreich eine Begutachtung verlangt. Ist die Gefahr, dass ein Instrument kommt, das die Demokratie nicht fördert, sondern beschädigt, vom Tisch?
Ich bin dankbar, dass der Wunsch nach einem Begutachtungsverfahren aufgegriffen wurde. Es sind jetzt Argumente auf dem Tisch, die uns eine zweite Chance geben.
Den Entwurf zum Lehrerdienstrecht hat die Regierung ohne die Sozialpartner ins Parlament gebracht. Im Notfall will die Regierung die Reform allein beschließen. Halten Sie das für richtig?
Der gesunde Menschenverstand sagt, dass das Thema nicht vor der Wahl durchgedrückt werden kann. Jetzt gibt es eine Atempause. Nach der Wahl kann man vernünftig darüber reden. Ich wünsche mir mit großem Nachdruck eine echte Verhandlungsbereitschaft und ein großes Verantwortungsbewusstsein der Gewerkschaft. Die Regierung drängt nicht aus Gewerkschaftsfeindlichkeit, sondern aus Verzweiflung, um eine Blockadesituation zu überwinden. Das tut dem ganzen politischen System nicht gut, wenn man sieht, wie beide Seiten sich einbetoniert gegenüberstehen. Verantwortungsbewusste Gewerkschafter und eine kluge Regierung werden einen gemeinsamen Nenner finden, weil sie ihn finden müssen. Davon bin ich überzeugt.
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