Kern und Kurz finden klare Worte gegenüber Türkei

Kern und Kurz finden klare Worte gegenüber Türkei
Kanzler berichtet von Morddrohungen durch Erdogan-Anhänger: "Es muss Schluss mit Appeasement sein."

Die umstrittene Pro-Erdogan-Demo in Köln, die Forderung nach einer baldigen Visa-Freiheit für türkische Staatsbürger und zuletzt die damit verbundene Drohung der Regierung in Ankara, andernfalls das Flüchtlingsabkommen mit der EU nicht mehr umzusetzen: Der Streit mit der Türkei spitzt sich zu.

Im Interview mit der Gratiszeitung Österreich findet Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) nun klare Worte gegenüber der türkischen Regierung und zeigt nun unbeeindruckt vom Ultimatum Ankaras in der Flüchtlingsfrage: "Wir sind keine Bittsteller. Die EU sitzt auf dem längeren Ast."

"Schluss mit Appeasement"

Kern hatte den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Wochenende scharf zurechtgewiesen, nachdem dieser Österreich Demonstrationsverbote für Türken unterstellt hatte. "Natürlich" muss es Demonstrationsfreiheit geben, sagte der SPÖ-Chef. Doch sei er selbst mit "Morddrohungen vom rechten Rand und vom radikalen Teil der türkischen Community" konfrontiert, berichtete der Kanzler. Doch davon dürfe man sich auf keinen Fall einschüchtern lassen. "Es muss Schluss mit Appeasement (Beschwichtigung, Anm.) sein", betonte Kern, der sich zugleich gegen ein "Türken-Bashing" aussprach. Erdogan und Radikale würden nämlich "die Masse der Türken (...) in Geiselhaft" nehmen.

"Wir brauchen zwar die Türkei, aber diese braucht uns wirtschaftlich erst recht"

Kern will seine Kritik an Erdogan, dem nach dem gescheiterten Militärputsch eine Demontage des Rechtsstaates vorgeworfen wird, weiter "konsequent vertreten". Gelassen sieht der Kanzler von Aussagen des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu, der eine Aufkündigung des EU-Türkei-Flüchtlingsdeals angedroht hatte, sollte sein Land nicht bis Oktober die Visafreiheit erhalten. "Wir brauchen zwar die Türkei, aber diese braucht uns wirtschaftlich erst recht", sagte Kern. Ohne EU steuere die Türkei nämlich "auf einen Staatsbankrott zu".

"Keinen Millimeter nachgeben"

Kern und Kurz finden klare Worte gegenüber Türkei
Austrian Foreign Minister Sebastian Kurz addresses a news conference in Vienna, Austria, May 11, 2016. REUTERS/Leonhard Foeger
Bereits am gestrigen Montag hatte Außenminister Sebastian Kurz(ÖVP) im APA-Gespräch das türkische Ultimatum inbezug auf den Flüchtlingsdeal zurückgewiesen. Ankara müsse die Bedingungen für die Visaliberalisierung erfüllen, Europa dürfe sich in keine Abhängigkeit von der Türkei begeben. "Für mich ist klar, dass wir hier keinen Millimeter nachgeben dürfen", bekräftigte Kurz am Dienstag im Ö1-Morgenjournal.

Sobotka: Alle Bedingungen erfüllen

Kurz`Parteikollege Wolfgang Sobotka pocht auf die Erfüllung aller Bedingungen für eine Visumfreiheit für Türken in der Europäischen Union. "Es wird keine Erleichterungen für die Visa-Liberalisierung geben", sagte der Innenminister dem Tagesspiegel. "Die Flüchtlingsvereinbarung mit der EU steht und ist von beiden Seiten einzuhalten", ergänzte der konservative ÖVP-Politiker. Dieselbe Linie vertreten auch Deutschland und die Europäische Union.

Forderung nach Visa-Freiheit "Hohn"

Kritisch gegenüber Ankara zeigten sich auch von der "ZiB1" des ORF befragte Vertreter der Parlamentsparteien. Der stellvertretende Klubchef der SPÖ, Josef Cap, bezeichnete es als "Hohn", wenn Erdogan-Kritiker das Land nicht verlassen dürften und gleichzeitig Visa-Freiheit gefordert werde. ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka sagte, er sei bei den EU-Türkei-Verhandlungen "von Anfang an skeptisch" gewesen.

"Es ist jetzt der Punkt erreicht, wo man sagen muss: Es reicht"

Die Oppositionsparteien sprachen sich dafür aus, die EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei abzubrechen. "Es ist jetzt der Punkt erreicht, wo man sagen muss: Es reicht", sagte FPÖ-EU-Abgeordneter Harald Vilimsky im ZiB1-Interview. Grün-Abgeordneter Werner Kogler wertete es "als empörend, dass die Beitrittsverhandlungen noch nicht ausgesetzt wurden" und die EU weiterhin hunderte Millionen Euro jährlich an die Türkei überweise.

Verhandlungen "sofort auf Eis legen"

Neos-Chef Matthias Strolz forderte ebenfalls, die Verhandlungen mit Ankara "sofort auf Eis zu legen". Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar meinte: "Mit Erdogan kann man keinen Deal eingehen."

Bundeskanzler Kern im Österreich-Interview
Außenminister Kurz im Ö1-Morgenjournal

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