Kurz zitiert türkischen Botschafter zu sich
Nach der Verhaftungs- und Suspendierungswelle in der Türkei und den Demonstrationen gegen den Putschversuch in Österreich hat Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) angekündigt, den türkischen Botschafter in Wien, Hasan Gögüs, am Donnerstag ins Außenministerium zu zitieren. Er wolle "abklären, in welche Richtung sich die Türkei weiterentwickelt", erklärte Kurz im Ö1-Morgenjournal.
Zudem habe er Hinweise darauf, dass die Demonstranten, die noch in der Putschnacht von Freitag auf Samstag sowie am Samstagnachmittag in Wien bzw. Vorarlberg auf die Straße gegangen sind, dazu "direkt aus der Türkei aufgefordert" wurden. Das sei "absolut unhaltbar, dagegen wollen wir protestieren", begründete der Außenminister. Bei den Protesten in Wien kam es auch zu Vandalismus gegen ein kurdisches Restaurant.
Viele Entwicklungen in der Türkei in den vergangenen Tagen seien "inakzeptabel", betonte Kurz. So könne er beispielsweise die "massiven Eingriffe" in die Justiz "absolut nicht nachvollziehen". Zwar müsse der gescheiterte Putschversuch verurteilt werden, dies solle aber "kein Freibrief" sein, wiederholte Kurz seine Kritik. Er äußerte einmal mehr seine Sorge, dass die Türkei "immer autoritärere Züge" zeige.
Die EU müsse nun jedenfalls zu ihren Grundwerten stehen und Klarheit beweisen, wenn es "Fehlentwicklungen" wie in der Türkei gibt. Als Druckmittel neben dem EU-Beitritt bzw. Verhandlungen diesbezüglich nannte Kurz die finanziellen EU-Fördermittel für Ankara, aber auch "verbalen" Druck. Präsident Recep Tayyip Erdogan habe in der Vergangenheit immer wieder auf harte Kritik reagiert.
Botschafter spricht von voreingenommener und unfairer Kritik
Der türkische Botschafter in Österreich, Hasan Gögüs, hat die "voreingenommene und unfaire Kritik" an der Säuberungswelle durch das Erdogan-Regime zurückgewiesen. "Ein solches Verhalten könnte auch Unterstützung für die Putschisten bedeuten", warnte Gögüs in einem Schreiben an österreichische Medien. Darin äußerte er "Bestürzung und Befremden" über die Medienberichterstattung seit dem Putsch.
Gögüs versicherte, dass den Beteiligten den Putsches "durch die unabhängigen Justizorgane im Rahmen unserer internationalen Verpflichtungen und geltender Gesetze der Prozess gemacht" werde. Zugleich verteidigte er die Säuberungswelle nach dem Putsch. "Kein Staat kann zwei Armeen, zwei Justizsysteme und zwei Polizeibehörden haben", betonte der Diplomat.
Außenministerium rät zu "erhöhter Vorsicht"
Auch nach der Ausrufung des Ausnahmezustandes in der Türkei empfiehlt das Außenministerium "erhöhte Vorsicht" bei allen Reisen nach und innerhalb des Landes am Bosporus. Zwar habe sich die Lage nach dem gescheiterten Militärputsch vom Wochenende wieder beruhigt, die Sicherheitslage sei aber weiterhin "angespannt", wie es auf der Website des Außenamtes heißt.
"Es wird dringend empfohlen, auf stark frequentierten Plätzen und in öffentlichen Verkehrsmitteln, aber auch bei Einkaufszentren, Großveranstaltungen, religiösen Stätten und touristischen Sehenswürdigkeiten besondere Vorsicht walten zu lassen sowie Staats-und Regierungsgebäude und militärische Einrichtungen zu meiden", so die Empfehlung. Außerdem sollen Türkei-Reisende bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel "besondere Vorsicht" walten lassen und Aufenthalte auf Flughäfen so kurz wie möglich gestalten. Die Lage in den Badeorten an der türkischen Riviera sei hingegen nach derzeitigen Berichten "unverändert stabil".
Bei Notfällen und Fragen kann das Außenministerium unter der Telefonnummer 0043-1-90115-4411, von Österreich aus unter 050-1150 4411 kontaktiert werden.
KURIER: Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage?
Hasan Gögus: Gegenwärtig ist alles unter Kontrolle. Aber wir hatten es mit einem ernsthaften Problem zu tun.
Es gibt Gerüchte, dass es sich bei diesem Putsch nur um eine Inszenierung gehandelt hätte.
Das sind dumme Gerüchte. Der Präsident hat bei diesem Putschversuch sehr enge Mitarbeiter verloren. Rund 150 Zivilisten wurden getötet, welche Regierung würde den Tod von Unschuldigen in Kauf nehmen?
Von wem ging der Putsch aus?
Das sind terroristische Gruppen, die auch die Regierung infiltriert haben. Aber alle Parteien, auch die Opposition und auch die kritische Presse haben sich gegen diesen Militärcoup ausgesprochen. Die Menschen sind auf die Straße gegangen. Das ist ein Sieg der Demokratie.
Der Westen kritisiert Erdogan derzeit heftig. Es heißt, er nutze den Putsch für gröbere Säuberungswellen. Unter anderem wurden fast 3000 Richter entlassen. Das sind doch bedenk- liche Entwicklungen?
Der Staat, die Regierung und das Militär wurden von staatsfeindlichen Gruppen infiltriert, das Resultat ist der versuchte Putsch. Keine Regierung kann einen Staat innerhalb des Staates tolerieren, der Staat muss sich schützen. Die gegenwärtigen Maßnahmen der Regierung sind alle im Rahmen unserer Gesetze. Und alle Beschuldigten werden ordentliche Gerichtsverfahren haben.
Aber die Geschwindigkeit wie die Säuberungen durchgeführt werden, ist doch überraschend.
Aber die Namen waren bekannt, auch im Militär. Deswegen gab es ja den Putsch auch, weil sie wussten, dass gegen sie vorgegangen wird.
Der Westen befürchtet, dass die Türkei künftig noch autoritärer regiert werden wird und dass sich das Land Richtung Diktatur entwickeln wird.
Das sind immer die gleichen Vorwürfe. Aber Sie haben doch Korrespondenten in der Türkei, die kritisch aus dem Land berichten, in keiner Diktatur wäre das möglich.
In Österreich gab es auch Demonstrationen gegen den Putsch. Mehrere Tausend Türken sind auf die Straße gegangen. Irritierend war, dass viele "Allahu Akbar " gerufen haben.
Das hat es gegeben. Die Demonstranten verschiedener Gruppen haben aber auch andere Parolen gerufen.
Also kein Problem für Sie?
Hier darf jeder rufen was er will, Österreich ist ein demokratisches Land. Die PKK darf vor der türkischen Botschaft demonstrieren, und die PKK wird als terroristische Organisation eingestuft.
Aber eine Islamisierung der Türkei ist nicht abzustreiten?
Die Türkei ist ein demokratisches Land, aber wir respektieren den Willen der Menschen. Man braucht sich also keine Sorgen machen.
Wird die Türkei auch in Zukunft ein verlässlicher Partner der EU sein?
Daran hat sich nichts geändert. Wir wollen ein Teil von Europa sein. Aber wir erwarten von unseren europäischen Partnern auch ein Bekenntnis dafür. Wir klopfen seit fast 50 Jahren an die europäische Tür. Wir sind ein verlässlicher Partner, auch hinsichtlich der Flüchtlingsfrage. Und vergessen Sie nicht, wir kämpfen derzeit gegen drei terroristische Vereinigungen.
Ist die Türkei ein sicheres Land?
Das Land ist sicher, ich lade alle ein, die Türkei zu besuchen. Die terroristischen Attacken gibt es auch in Nizza, Paris oder Brüssel. Sollte in der Türkei die Todesstrafe eingeführt werden?
Es gibt diese Forderungen des Volkes. Und der Premierminister hat das artikuliert. Aber dafür müsste die Verfassung geändert werden.
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