Dieses Paket ist gut und überlegt. Wir werden aber die Preisentwicklung in diesen und anderen Bereichen ganz genau beobachten.
Die europarechtlichen Probleme könnten gemeinsam gelöst werden!
Es macht aus meiner Sicht keinen Sinn, die Mehrwertsteuer zu senken, weil sie neben der EU-rechtlichen Herausforderung nicht treffsicher ist. Es gibt treffsichere Maßnahmen wie beispielsweise bei der Mineralölsteuersenkung. Hier habe ich mich auf EU-Ebene dafür eingesetzt, dass die Mindestsätze zumindest temporär ausgesetzt werden.
Deutschlands Finanzminister Christian Lindner sagt: "Den Wohlstandsverlust kann der Staat, selbst der deutsche Staat, auf Dauer nicht ausgleichen." Trifft das auch für Österreich zu?
Vollkommen richtig: Der Staat kann nicht jede Entwicklung auf der Welt kompensieren, damit es keinen einzigen Bürger trifft. Man kann helfen, die größten Auswirkungen des Krieges und der importierten Inflation abzufedern, aber es ist nicht Aufgabe des Staates, dauerhaft Umsatzrückgänge auszugleichen. Das wollen auch die Unternehmen selbst nicht.
Sie wollen bewusst nicht von Wohlstandsverlust sprechen. Anders gefragt: Worauf muss sich die Bevölkerung kurz- und mittelfristig einstellen: Eine Inflation über 7, 8, 9 Prozent?
Die Wirtschaftsforscher gehen für das Gesamtjahr 2022 von einer Inflation von unter 6 Prozent aus. Das Wachstum wird gedämpft – die ursprünglichen 5 Prozent werden nicht haltbar sein. Wir gehen daher von 2 bis 3 Prozent Wachstum aus. Das sind die Rahmenbedingungen, mit denen wir umzugehen haben. Andere Staaten haben die Steuerreform abgesagt, wir haben das bewusst nicht gemacht. Tarif- und Steuersenkungen sowie Boni sollen das Konsumverhalten wieder anregen.
Wie lange der Krieg und dessen Auswirkungen andauern werden, das ist ungewiss. Sicher ist, dass wir uns als westliche Gesellschaften auch in Verzicht üben werden müssen.
Der Krieg führt in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht zu Unsicherheit und einer Volatilität der Märkte. Wir müssen kurzfristig die Menschen unterstützen, damit das Konsumverhalten aufrechterhalten bleibt. Wir müssen mittelfristig die Weichen stellen, damit dies auch so bleibt – wie beispielsweise über die Steuerreform. Und wir müssen uns mittel- und langfristig viel schneller bei der Energieversorgung auf neue Beine stellen.
Die Energieversorgung unabhängig von Russland ist das eine, die Exportwirtschaft Österreichs, die darunter leidet, das andere.
Die Sanktionen gegen das Putin-Regime auf EU-Ebene unterstützen wir zu 100 Prozent. Das sind Märkte, in die Unternehmen gegangen sind, die per se ein gewisses Risiko mit sich bringen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Staat in jeder Branche, für jedes Unternehmen, die Risiken kompensieren kann und das durch Steuerzahlergeld.
Sind neue Kurzarbeitsmodelle für von Sanktionen betroffene Betriebe vorstellbar?
Ja, aber in einer anderen Modell-Form. Es ist anders zu bewerten, wenn ganze Branchen behördlich geschlossen sind als wenn einzelne Märkte sich verändern. Auf EU-Ebene wird schon daran gearbeitet, betroffenen Branchen Hilfen zukommen zu lassen.
Noch sprechen wir von keinem Weltkrieg, aber befinden wir uns nicht längst in einem Wirtschaftskrieg?
Es ist Wirtschaftskrieg gegen Russland. Der Versuch über Wirtschaft und Finanz Russland zu schwächen. Die Sanktionen wirken: Die Isolierung der russischen Zentralbank führte zu einem Verfall des Rubels, einer Verdoppelung der Zinsen auf 20 Prozent.
Österreich lebt vom Tourismus, vor dessen "Haustür“ Krieg herrscht. Die Touristiker befürchten weniger Gäste aus Ost und Fernost. Wird es ein eigenes Tourismus-Hilfspaket geben müssen?
Wir müssen bei dieser wie jeder anderen Frage Seriosität walten lassen. Was sind die Auswirkungen von Maßnahmen auf die Volkswirtschaft, das Wachstum, den einzelnen. Derzeit sehe ich keinen Bedarf für ein neues Paket, zumal Tourismusministerin Elisabeth Köstinger seit Wochen engagiert ist, für Österreich als sicheres Urlaubsland zu werben.
Was ist Ihr Worst-Case-Szenario für das 2. Quartal?
Wir müssen darauf achten, dass uns die Sanktionen nicht mehr treffen als den zu Treffenden, also das Putin-Regime. Die EU hat das beim Öl- und Gas-Embargo bewiesen, indem es nicht in Kraft gesetzt wurde. Der Beschluss hat dazu geführt, dass die Ölpreise auf den Weltmärkten um 25 Prozent zurückgegangen sind. Man sieht, wie erwartungsgetrieben die Märkte sind, denn jede Aussage hat Auswirkungen auf die Preise.
Die Psychologie der Märkte spiegelt sich auch in Österreich wider. Sonnenblumenöl wird plötzlich massenhaft gekauft. Steht ein Run auf Banken oder Bargeld zu befürchten, sollte die Situation in der Ukraine eskalieren?
Nein. Es ist auch von den Bank-Instituten bestätigt, dass die Menschen Ruhe walten lassen. Und das brauchen wir als Gesellschaft, ebenso wie mehr Seriosität in der Politik wie Berichterstattung.
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