Die Angst der Regierung vor Ostern - und 100-Kilometer-Lauf am Balkon
Eigentlich hätten heute die Osterferien beginnen sollen. Und im Gegensatz zu vielen verregneten Osterwochen der vergangenen Jahre scheint es das Wetter zumindest heuer gut mit uns zu meinen. Die Sonne scheint die gesamte nächste Woche, die Temperaturen klettern über 20 Grad. Viele haben durch die Ausgangsverbote ihre Familien lange nicht gesehen. Was gäbe es Schöneres als ein großes Familienfest mit Ostereiersuche für die Kleinen, Schokohasen für alle und die ersten Grillereien im Garten. Nichts da. Die Regierung bittet händeringend davon Abstand zu nehmen. Oder sogar mit Strafandrohungen. Alles, was wir erreicht haben, wäre wieder dahin, warnt sie.
Anschober in ZIB2: "Wir müssen weiter runter"
Ganz leicht hatte es der Gesundheitsminister am später Donnerstag Abend aber nicht mehr, die harten Maßnahmen zu rechtfertigen. ORF-Moderator Armin Wolf rechnete ihm live vor hunderttausenden TV-Zusehern vor, dass die Ansteckungszahlen und deren Anstieg bereits auf das von ihm gewünschte Niveau zurückgegangen sei. Tatsächtlich erkrankten im Vergleich zu gestern "nur" 321 Menschen neu, das sind nur noch 2,8 Prozent. Bei der Belegung der Spitalsbetten sei der Gipfel überhaupt schon erreicht. Trotzdem blieb Anschober unbeeindruckt und hart: Wenn man jetzt Lockerungen vornehme, würden die Zahlen sofort wieder nach oben gehen. Zum Höhepunkt waren es fast 1.000 Neuerkrankungen pro Tag.
Die Regierung kämpft also gegen das Wetter, gegen eine für 99 Prozent der Menschen "unsichtbare" Gefahr, die sich vor allem in der Matkematik und in Verlaufskurven abspielt und einen täglich größer werdenden Schaden für die Wirtschaft.
Gesund, aber trotzdem im Bett...
Als Kind hat man ja bei einer grippalen Erkrankung gelernt, "drei Tage fieberfrei" im Bett zu bleiben. Man fühlte sich gesund, die Freunde spielten schon wieder draussen, aber die Eltern verdonnerten einen zur Bettruhe. Vom Gefühl her verhält es sich jetzt auch für die Menschen so ähnlich. Zweifellos hat man die jetzt guten Zahlen deswegen auf das niedrige Niveau gebracht, weil wir brav zuhause geblieben sind. Die Angst vor einem Rückfall scheint irreal. Die große Kunst der Regierung wird es also sein, der Bevölkerug klarzumachen, dass nur durch die bisherigen Maßnahmen der Rückgang gelungen ist, ohne ständig mit Bildern aus italienischen oder spanischen Spitälern Angst und Panik zu verbreiten.
ÖVP und Grün im Umfragehoch
Doch die Bevölkerung scheint - zumindest vorerst - ohnehin hinter der strengen Regierungslinie zu stehen. In einer im heutigen Standard veröffentlichten Umfrage, liegen die ÖVP mit 43 Prozent und die Grünen mit 19 Prozent auf Rekordwerten. Die SPÖ geht auf 19 Prozent, die FPÖ auf 11 Prozent zurück. Die NEOS liegen auf 8 Prozent.
Auch aus diesem Grund werden die Oppositionsparteien die Regierung bei der heutigen Nationalratssitzung wohl härter als zuletzt anfassen. Insgesamt sollen mehr als 80 Corona-Beschlüsse in einer Blockabstimmung gefasst werden.
Datenchaos
Dabei gäbe es angesichts der nächsten Datenpannen im Gesundheitsministerium genug zu kritisieren. Nachdem vor einer Woche die Zahl der Patienten in den Intensivstationen massiv nach oben korrigiert werden musste (immerhin einer der wichtigsten Zielwerte), hat man sich gestern beim "Patient null" in In Ischgl gehörig vertan. In einer Pressekonferenz mit Anschober, meinte der AGES-Chef, dass bereits am 5. Februar das Virus nach Tirol gebracht worden sei. Das hätte ein massiv schlechteres Bild auf Österreich, Tirol und denUmgang mit der Krise geworfen. Stunden später musste das Datum auf 5. März korrigiert werden. Man hat sich also um einen Monat geirrt. Zum Vertrauen der Bevölkerung in die daten-basierten Maßnahmen des Ministers trägt dies nicht gerade bei, was Anschober in der ZIB 2 auch eingestehen musste.
Konfliktherd Bundesgärten
Und so verlagern sich Konflikte auf die kleinen Schauplätze, in diesem Fall in die Bundesgärten in Wien. Weil die meisten Menschen in der Stadt weder Balkon, Terrasse noch Garten haben, ist das Verständnis für die Sperre der großen Gartenanlagen wie in Schönbrunn, dem Belvedere oder dem Augarten endenwollend. Warum sollen Straßzüge für den Verkehr gesperrt und für Fußgänger geöffnet werden, die herrlichen Bundesgärten aber nicht? Anschober dazu: Weil man fürchtet, dass es bei den schmalen Eingängen in die Gärten zu Menschenansammlungen und damit zu Infektionen kommen könnte. Aber man arbeite auch hier an einer Lösung. Kleiner Tipp der Redaktion: In der Osterwoche werden sie geöffnet sein. Die Regierung wird es als erste "Öffnung" präsentieren. "Ein Licht am Ende des Tunnels", wie es Anschober gestern gemeint hatte. Ein kleines zwar, aber immerhin.
100 Kilometer-Lauf auf dem Balkon
Und dass auch bei ganz strengen Ausgehverboten sogar ein 100 Kilometer Lauf möglich ist, zeigt das Beispiel des italienischen Hobbyläufers Gianluca di Meo. Er hat sich etwas Besonderes einfallen lassen und ist an einem Tag sage und schreibe 100 Kilometer auf seinem Balkon gelaufen. Der ist exakt 8 Meter lang, macht also 12.500 Balkonlängen. Begonnen hat er um 4.38 Uhr früh, fertig war um 22.57 Uhr. Die Nachbarn und Gassi-Geher haben ihn angefeuert, solange sie halt durften. Und Gianluca meinte dann in einem Video: Es habe ihm psychisch nichts ausgemacht. Und er wolle der Welt zeigen, dass es kein Hindernis auf der Welt gäbe, irgendetwas zu tun, wenn man entsprechend kreativ sein.
Schöner Gedanke, wenn man im Tunnel steht.
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