Bizarrer Streit: Wer kontrolliert die Vorgänge in der Wien Energie?

Bizarrer Streit: Wer kontrolliert die Vorgänge in der Wien Energie?
Rechnungshof-Präsidentin Kraker soll prüfen. Doch fast zeitgleich beauftragte Bürgermeister Ludwig den Stadtrechnungshof.

Hat die Wien Energie auf den Energiebörsen – wie angeblich alle anderen Landesenergieversorger – konservativ gewirtschaftet? Oder wurde gezockt und auf zukünftige Kurse gewettet?

Seit zehn Tagen ist das Wiener Vorzeigeunternehmen Wien Energie in Schieflage. Durch die „verrückten“ und „nicht mehr funktionierenden“ Strommärkte hatte sich über Nacht eine Finanzierungslücke in Milliardenhöhe aufgetan. Gerüchte von dringend benötigten zehn Milliarden Euro – und mehr – machten anfangs die Runde. Der Bund musste für die Wiener einspringen, letztlich vereinbart wurde vergangenen Mittwoch eine Kreditlinie über zwei Milliarden Euro.

Weil sich der Staub noch immer nicht gelegt hat, riefen die Politiker schnell nach Transparenz und Aufklärung: Klären solle das der Rechnungshof, war man sich rasch einig. Nicht aber bei der

Frage: Welcher Rechnungshof? Der Bundesrechnungshof oder der Wiener Stadtrechnungshof, den manche noch unter dem Namen Kontrollamt kennen könnten?

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Wien Energie

Bundesrechnungshof am schnellsten

Als das Ausmaß der Krise bekannt wurde, war der Bundesrechnungshof am schnellsten: Dessen Sprecher Christian Neuwirth kündigte am Dienstag vor einer Woche (30. August) um 10.49 Uhr am Vormittag via Twitter an, dass der Bundesrechnungshof prüfen werde.

Das brachte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) unter Druck: Er gab wenige Stunden später bekannt, dass er seinerseits den Stadtrechnungshof beauftragen werde. „Wir legen die Karten auf den Tisch, um hier Klarheit zu schaffen“, sagte Finanzstadtrat Peter Hanke.

Auch der Stadtrechnungshof soll prüfen

Am 2. September, also am Freitag, langte auch der offizielle Prüfantrag beim Stadtrechnungshof ein. Vier Fragefelder listet Ludwig auf: Die Prüfer sollen Geschäftstätigkeit, Risikomanagement und Berichtswesen des Konzerns durchleuchten – und zu etwaigen Spekulationen nachforschen.

Somit droht eine heikle Doppelprüfung – heikel deshalb, weil sich die Prüfer theoretisch auch gegenseitig blockieren könnten, wenn etwa Unterlagen angefordert werden, die tatsächlich dem anderen Rechnungshof übergeben worden sind.

Dabei wurde erst 2019 die „Vorarlberger Vereinbarung“ von den Chefs der zehn Rechnungshöfe unterfertigt. Diese sieht eine bessere Abstimmung der Prüftätigkeit vor. Das Ziel: Doppelprüfungen sollten vermieden werden. Vorangegangen waren Differenzen um die Prüfung der „Erwin Pröll Stiftung“, bei der man politischen Druck auf die niederösterreichischen Prüfer fürchtete. Ähnlich nun die Lage in Wien.

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Margit Kraker

Was für den Bundesrechnungshof spricht

Für eine Prüfung durch den Bundesrechnungshof spricht, dass er deutlich mehr Kompetenzen als seine kleinen Schwestern in den Ländern hat. Die Landesrechnungshöfe dürfen nur Unternehmen im Eigentum des Landes prüfen. Sobald die Causa aber Bundeskompetenzen betrifft, darf das nur der Bundesrechnungshof.

Bei der Causa Wien Energie gibt es zahlreiche Verstrickungen auf Bundesebene, etwa das Zusammenspiel mit dem Aufsichtsorgan E-Control oder die Verträge mit dem Bund. Zudem wollen die Prüfer bei dieser Gelegenheit einen Blick darauf werfen, wie sich das Wirtschaften angesichts der „verrückten“ Energiemärkte bei anderen heimischen Energieversorgern darstellt.

Ob der Stadtrechnungshof seine Prüfung hintanstellt, ist unklar. Dass Ludwig ihn beauftragt hat, ist ein taktisches Manöver, mit dem man Transparenz beweisen will – ohne sich der Gefahr einer Prüfung „von außen“ auszusetzen.

Wiener Spitäler

Ein ähnlicher Fall trug sich erst im Vorjahr zu: Als ÖVP und Grüne in Wien die Beschaffungen an den Wiener Spitälern vom Bundesrechnungshof prüfen lassen wollten, kam ihnen Stadtrat Peter Hacker (SPÖ) zuvor – und schaltete seinerseits den Stadtrechnungshof ein.

Was ist das Problem? Der Stadtrechnungshof ist Teil des Magistrats, sein Chef wird vom Gemeinderat (mit Regierungsmehrheit) bestellt. Wie gut die Behörde personell ausgestattet ist und welche Möglichkeiten sie realpolitisch hat, entscheidet der Bürgermeister maßgeblich mit.

Dennoch gelten die Prüfer im Vergleich zu den Pendants in anderen Ländern als streng, das bestätigt in Wien sogar die Opposition. Zuletzt fiel der Stadtrechnungshof mit massiver Kritik an der Wien Holding (explizit am Bau der Eventhalle) und an der MA 48 auf.

In der Vergangenheit nutzten Bürgermeister „ihre“ Prüfer manchmal gar explizit dazu, „aufmüpfige“ Stadträte aus den eigenen Reihen zu disziplinieren. Offen ist, wie scharf der Blick der Prüfer ist, wenn der Stadtchef selbst im Fokus steht.

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