Was Wien Energie hätte machen können - und nicht getan hat
Nach der Ankündigung Russlands, „wegen eines Öllecks“ bis auf Weiteres kein Gas durch die Pipeline Nord Stream 1 fließen zu lassen, schnellte am Montag der europäische Gaspreis erwartungsgemäß nach oben. Konkret um mehr als ein Drittel auf 281 Euro je Megawattstunde (MWh). Das Rekordhoch liegt bei 345 Euro. Ob sich der Preissprung auf die Sicherheitsleistungen bei Wien Energie auswirkt, konnte ein Sprecher nicht sagen.
Wie bekannt, hat der Bund der Wien Energie einen Kreditrahmen von zwei Mrd. Euro für eine eventuell notwendige Sicherheitsleistung für die Geschäfte an der Strombörse Leipzig zur Verfügung gestellt. Ursprünglich war sogar von einem Bedarf bis zu 10 Mrd. Euro die Rede. Doch angesichts stark steigender Energiepreise stellt sich die Frage, wo das Maximum an Nachschusspflicht liegen würde. „Theoretisch ist das bis ins Unendliche möglich“, so ein Experte, der namentlich nicht genannt werden wollte, zum KURIER.
Allerdings ist das angesichts der ohnehin schon stark gestiegenen Preise eine in der Tat theoretische Sicht. Die Wien Energie teilt dazu mit: „Als Börsenteilnehmer haben wir darauf keinen Einfluss. Die Börse selbst kann natürlich Maximalkurse vorsehen.“ Natürlich könnte das Handelssystem geändert werden, sagt der Experte, aber dann benötige es ja keine Börse mehr; und die Zahl der Marktteilnehmer würde sich wohl auch reduzieren.
Fünf Möglichkeiten
Doch welche Optionen hatte Wien Energie? Fünf Varianten wären möglich gewesen:
Aussteigen: Die Positionen glatt stellen, sprich aus den Kontrakten aussteigen. Das wäre aber mit sofortigen hohen Verlusten verbunden.
Absichern: Durch rechtzeitige Absicherung mittels Wetten auf einen weiter steigenden Strompreis (Call Option). Das wäre aber eindeutig eine Spekulation. Sollte sie nicht gut gehen, wäre es der Super GAU für Konzern und Stadt.
Aussitzen: Diese Möglichkeit wählte Wien Energie. Keine gute Idee, meint ein anderer Fachmann: „Das Risiko wurde unterschätzt.“ Denn, siehe Beginn, die Sicherheitsleistungen stiegen so stark an, dass die (ohnehin überschaubare) Finanzkraft des Konzerns nicht mehr zur Deckung reichte, auch wenn am Ende des Tages kein Verlust entstanden wäre.
Aufspannen: Andere Länder haben für liquiditätsschwache Energiekonzerne einen finanziellen Schutzschirm aufgespannt, der direkt mit Krediten hilft. Die Bundesregierung lehnt das ab.
Diversifizieren: „Der Kardinalfehler war, die Risiken nicht laufend zu bewerten und weiterhin Neugeschäfte über die Börse abzuschließen“, so der Experte. Andere Marktteilnehmer hätten dies bereits im Frühjahr getan, Wien Energie erst am Freitag vor eineinhalb Wochen. Der Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung der Regulierungsbehörde E-Control, Johannes Mayer. berichtet: „Zuerst ist im Frühjahr der außerbörsliche Handel (OTC, Anm.) eingebrochen und dann auch der an der Börse.“ Infolge auch – anders als bei Wien Energie – die Sicherheitshinterlegungen. Der Handel sei anders als üblich nicht mehr auf Kontrakte mit ein bis zwei Jahren Laufzeit ausgelegt, sondern nur noch auf einige Monate. „Es ist viel kürzer geworden, weil sich die Unternehmen die Nachschusspflichten sonst nicht leisten könnten“, so Mayer.
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