Bioethikerin Druml: Ungeimpfte "entziehen sich dem solidarischen Akt"

Christiane Druml ist Juristin und Bioethikerin. Seit 2007 ist sie Vorsitzende der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt.
Christiane Druml erklärt, warum die bloße Impfempfehlung das falsche Signal war und der Staat jetzt Stellung beziehen muss.

Christiane Druml ist Leiterin der Bioethik-Kommission, eines Beratungsgremiums des Bundeskanzlers. Die Juristin sitzt zudem im Covid-19-Beraterstab des Gesundheitsministeriums.

KURIER: Österreich ist das erste Land in Europa, das eine Impfpflicht einführt. Muss das wirklich sein?

Christiane Druml: Die Impfpflicht ist die Ultima Ratio. Es gibt für die Zukunft keinen anderen Weg, wenn wir eine weitere Infektionswelle vermeiden wollen. Die Situation ist katastrophal.

Viele Experten und vor allem die Politik waren immer gegen eine Impfpflicht – und sind jetzt dafür. Wie war Ihre Position bisher?

Die Bioethik-Kommission hat sich schon länger für eine Impfpflicht bestimmter Berufsgruppen ausgesprochen. Wir argumentieren wissenschaftlich: Je gefährlicher die Krankheit, desto größer der Nutzen einer Impfpflicht.

Ist es ethisch vertretbar, die Menschen gegen ihren Willen zu impfen?

Eine Zwangsimpfung, wo jemand eine Nadel hineingerammt kriegt, darf natürlich nicht sein – und das will auch niemand. Aber es muss jedem klargemacht werden, dass die Freiheit des Einzelnen dort endet, wo die Freiheit des Anderen beginnt.

Sind Ungeimpfte egoistisch?

Menschen, die sich nicht impfen lassen, glauben offenbar nicht an die Notwendigkeit und an die Gefahr. Sie entziehen sich diesem solidarischen Akt – und das, obwohl sie in der Pandemie selbst Nutznießer dieser Solidarität waren.

Nutznießer – inwiefern?

Alle Maßnahmen gegen Covid-19 (Lockdown, Maskenpflicht etc., Anm.) werden zum Schutze aller Menschen dieses Landes unternommen. Solidarität verlangt Opfer. Das bedeutet, persönliche Interessen und Freiheiten zugunsten des Gemeinwohls zurückstellen.

Was hat die Regierung bei der Impfkampagne falsch gemacht?

Dieses Mantra der Freiwilligkeit war kontraproduktiv. Die bloße Impf-Empfehlung hat den Menschen signalisiert, man wäre sich selbst nicht so ganz sicher. Menschen wollen eindeutige Botschaften. Es ist wichtig, dass der Staat Stellung bezieht für den Schutz und die Gesundheit aller Menschen und klar sagt: Ihr habt eine Verantwortung, nehmt sie ernst.

Wie soll die Impfpflicht umgesetzt werden?

Das entscheidet die Regierung, die Bioethik-Kommission wird Stellung nehmen. Ich denke, es könnte eine Verwaltungsstrafe geben und 2-G im öffentlichen Leben, damit Geimpfte zurück zur Normalität können.

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